Der Rosenhügel.
Abkühlungen an der Peripherie




Chur 1575. Zuschauer steinigen einen Scharfrichter, dem eine Hinrichtung misslingt. Der Scharfrichter soll so betrunken gewesen sein, dass er sein Schwert nicht zu führen vermochte. Hatte die erboste Menge Mitleid mit dem Delinquenten? Wir wissen es nicht. Auf einer zeitgenössischen Graphik sind zwei weitere Delinquenten, auch ihre Hände sind auf dem Rücken gefesselt, nach erfolgter Enthauptung zu sehen. Noch lange später fanden Hinrichtungen im öffentlichen Raum statt. Wie andernorts galt auch der Churer Scharfrichter mitsamt seiner Familie als unehrenhaft. Er wohnte am Stadtrand, in der Scharfrichtergasse beim ehemaligen Untertor.

In einer Stadt leben die Menschen dicht gedrängt. Wie sich die Temperatur eines Gases durch Verdichtung, also Verkleinerung des Volumens erhöht, führt auch in der Stadt die durch die Dichte bedingte Reibung zu einer Erhitzung, die zwangsläufig nach Abkühlung verlangt. Die Steinigung des Churer Scharfrichters diente einer solchen Abkühlung. Die Hinrichtung fand zwar außerhalb der Stadtmauern an einem eigens dafür vorgesehenen Ort statt, unter amtlicher Kontrolle, aber der Ablauf entglitt dieser, aus welchen Gründen auch immer. Die Zuschauer, eine Ansammlung einzelner, wandelten sich plötzlich zu einer Meute. Es bedurfte eines langen Lernprozesses, um solche Entladungen zu kanalisieren und dadurch zu beherrschen. Die Einführung der Guillotine ist diesbezüglich als wichtiges Datum zu nennen, behauptete sie doch, den Tötungsakt zu einem rein sachlichen Vorgang zu machen, eine Hinrichtung ohne Ansehen der Person durchzuführen, dieser das Peinliche zu nehmen, den Verurteilten zu töten, ohne ihm dabei Schmerzen zuzufügen. Die vom französischen Arzt Joseph-Ignace Guillotin erfundene Maschine sollte nicht zuletzt dazu dienen, Ansammlungen von Menschen statt als unkontrollierbare Meuten als Zuschauer zu organisieren.

Allerdings wirkte die Guillotine auf die Zuschauer bald zersetzend. Dem Pöbel standen zwar wenige, aber doch einzelne erschrockene Zuschauer gegenüber. Die weitere Geschichte der Guillotine zeigt sehr gut, wie schnell das Schauspiel brüchig wurde. Schon bald folgten Erlässe, wonach die Maschine erst kurz vor der Hinrichtung aufzustellen und sofort nach deren Durchführung wieder abzubauen sei. Die Hinrichtungen verlagerten sich von den zentralen Plätzen an die Peripherie der Stadt, wo sie meist im Morgengrauen durchgeführt wurden. Schließlich verschwand die Guillotine in Gefängnishöfen und Kellern. Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts behauptete sich in den meisten Ländern die Intramuranhinrichtung, also die Exekution in einem umschlossenen Raum. Das Publikum schrumpfte auf wenige Personen, die in der Regel aus einem Kreis achtbarer Mitglieder der Gemeinde ausgewählt wurden, um als Zeugen der Hinrichtung beizuwohnen. Die Geschichte der Todesstrafe liest sich denn auch als Geschichte des öffentlichen Raumes.

Fast zeitgleich, als sich die Hinrichtungsstätten hinter hohe Mauern verlagerten, wurden in vielen Städten Europas Schlachthöfe an der Peripherie errichtet. Neben ökonomischen Interessen oder der Tatsache, dass sich die Fleischbeschau nur in zentralen Schlachthöfen durchführen lässt, ging es auch darum, die Sinne eines zunehmend empfindlicheren Publikums zu schonen. Der Gestank der Schlächtereien stand im Verdacht, Ursache vieler Krankheiten zu sein. Geschieht das Töten an der Peripherie der Stadt, wird man vom Anblick des Blutes wie der Tierkadaver verschont. Nicht länger sieht man die blutverschmierten Hände der Schlächter. Neben vielen praktischen Gründen ging es darum, Orte für die Abkühlung von Affektspitzen zu schaffen. Überbordendes Verhalten wie Schreien, Wut oder unkontrolliertes Weinen wurden zu einem „Fall“ der Medizin, Psychiatrie und Psychologie. Sie wurden als abweichend erkannt und zunehmend entsprechenden Behandlungsprozeduren unterworfen. Die klassischen Territorien dieser Abkühlung bilden neben Schlachthöfen und Gefängnissen vor allem Irrenanstalten und Krankenhäuser.

Die Steinigung des Churer Scharfrichters fällt in eine Zeit, in der sich das moderne Subjekt zu konstituieren begann, das Verhältnis der Menschen zueinander neu bestimmt wurde. Dies spiegelt sich in vielen Verhaltensregeln, die damals, etwa auf das Essen bezogen, zunehmend Geltung fanden. Im sechzehnten Jahrhundert wurde immer noch aus einer gemeinsamen Schüssel gegessen. Aber die aufkommenden Anstandsregeln belegen nur zu gut, dass der Abstand zwischen den Menschen größer wurde. Überall wurden drohende Vermischungen wahrgenommen, angefangen bei der Atemluft, die man in den Brei bläst, bis hin zur fettigen Hand, die nach einem Stück Fleisch greift.

Die zunehmende Affektkontrolle lässt sich ausgehend von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart gut belegen. In Verhaltensratgebern des neunzehnten Jahrhunderts ging es etwa darum, auf der Straße nicht mit dem Regenschirm zu fechten. Der Kontrolle der Extremitäten folgte jene der Sprechwerkzeuge. Es galt als unschicklich, Selbstgespräche zu führen. Niemand sollte das hören, was sich jemand denkt. Auffahren, Beleidigungen sollten ebenso vermieden werden wie sinnloses Durcheinanderreden oder allzu lautes Lachen. Verhaltensregeln bezogen sich vor allem auf den öffentlichen Raum. Selbstkontrolle sollte aber auch dort geübt werden, wo man mit sich allein war. Mechanische Vorrichtungen, deren Funktion nur darin bestand, zufälligen körperlichen Kontakt zwischen Personen beiderlei Geschlechts herbeizuführen, fügen sich in das Gesamtbild. Auf den Rummelplätzen der europäischen Großstädte tauchten „Freudenräder“ auf, Karusells, welche die mitfahrenden Personen wild durcheinanderwarfen.

An der Peripherie der Städte wurde alles überbordende Verhalten komprimiert. Die Hitze der Stadt sollte gefahrlos verdampfen, an eine Umgebung abgegeben werden. Diese Kühlmetapher findet ihre Bestätigung nicht zuletzt in der vielzitierten Vorstellung, Schlachthöfe seien deshalb an der Peripherie zu errichten, weil dort die Luft besser zirkuliere als im Inneren der Städte. Nicht länger musste man den Anblick von Menschen ertragen, die sich die Haare rauften, wild gestikulierten oder schrien. All diese Gesten sind wie das Fluchen nahezu restlos in den Kühlanlagen der Gesellschaft verschwunden. Durch Fluchen brachten Menschen ihren Zorn und ihre Ohnmacht zum Ausdruck. Der Fluchende hat die Beherrschung über sich verloren. Jemand, der wirklich flucht, denkt nicht mehr an jene, die ihn hören oder sehen. Das Bemühen, alle überbordenden Gefühle und Gebärden zu kontrollieren, kannte allerdings auch die Lust, die Orte solcher Abkühlung aufzusuchen. Schaulustige drängten sich auf den Stationen der Wöchnerinnen wie in den Irrenanstalten.

Industrialisierung und Verkehr hatten eine grundlegende Entmischung der Räume zur Folge. Dies hat die Wahrnehmung entscheidend bestimmt. Noch im achtzehnten Jahrhundert wurden die Sinne in ihrer Wertigkeit anders beurteilt. Der französische Naturforscher Buffon etwa beginnt zwar in seiner Abhandlung über die Sinne mit dem „Sinne des Gesichts“, zählt dann aber eine Reihe von Irrtümern auf, denen das Auge unterliege. Auf dem Grund des Auges würden die Gegenstände verkehrt abgebildet. Da wir zwei Augen hätten, würden wir alle Gegenstände doppelt sehen. Für Buffon steht der Hörsinn über dem Sehsinn, sei er doch die Voraussetzung dafür, in Gesellschaft mit anderen zu leben. Nur so vermöchten wir die Gedanken anderer zu empfangen und unsere eigenen mitzuteilen. Wir haben es mit der Geschichte der Wahrnehmung zu tun. Aber all diese Transformationen wären undenkbar ohne zahllose technische Neuerungen, ganz gleich, ob es sich um den Verkehr, die Kühltechnologie oder anders handelt.

Die letzte Hinrichtung wurde in Chur 1846 durchgeführt. Enthauptet wurde ein Abdecker namens Johannes Reit wegen eines inzestuösen Verhältnisses zu seiner Tochter und der „intellectuellen Urheberschaft“ der Tötung des Kindes, welches aus diesem Verhältnis hervorgegangen ist. Seine Erben hatten alle Kosten zu tragen, auch die seiner Enthauptung. Da der frühere Richtplatz auf dem Rosenhügel 1834 im Zuge eines Straßenbaus aufgegeben wurde, fand die Hinrichtung auf einem etwas entfernteren Hügel statt. Auf dem Rosenhügel wurde ab 1848, also nur wenige Jahre später, Churs erster öffentlicher Garten angelegt. Ganz den Vorstellungen des neunzehnten Jahrhunderts entsprechend diente dieser der Abkühlung jener Erhitzung, die das urbane Leben mit sich brachte. Gedacht war an einen botanischen Garten als öffentliche Parkanlage, der nach dem Modell zeitgenössischer Museen funktionieren sollte. Er sollte der Muße ebenso dienen wie der Vermittlung botanischer Kenntnisse. Das Vergnügen, durch eine schön gestaltete Parkanlage zu gehen, war mit einer Bildungsabsicht verbunden. Wandelt sich ein Richtplatz zu einem botanischen Garten, dann ist dies allemal eine schöne Sache. Chur ist diesbezüglich nicht die einzige Stadt. Auffallend die Geschichte des Namens. Der frühere Galgenbühel wurde zunächst nur schlicht als „Neue Anlage“ bezeichnet. Schließlich setzte sich der Name „Anlage am Rosenhügel“ durch. Dabei wurden in der Anlage keine Rosen kultiviert. Zu Parkanlagen, die der Entlüftung dienten, fügten sich bald verwandte Zeiterscheinungen, von denen hier nur die Sommerfrische und die Nacktkörperkultur erwähnt sein sollen.

Die Hitze der Stadt verdampfte zunehmend in Eisenbahnen, in Autos, Flugzeugen, auf Autobahnen wie an vielen anderen Orten, die alle miteinander verbindet, dass sie nur frequentiert werden, also an Nicht-Orten, die nur im Katastrophenfall, also dann, wenn der Verkehr zum Stocken kommt, beziehungsstiftend wirken. Heute verdampft ein Großteil der Hitze, welche die Reibungen der Stadt zur Folge haben, an anderen Orten der Welt. Die Tourismusindustrie dient der Abkühlung. Mit jedem Beschleunigungsschub veränderte sich die Raumwahrnehmung. Mobilität meint zweierlei, zum einen die Möglichkeit, mit Hilfe eines Verkehrsmittels von A nach B zu gelangen, zum anderen die abnehmende Bindung an Herkunft und ihre Orte. Die Möglichkeiten digitaler Medien haben dies noch verschärft, kann doch nun Entferntes vertrauter sein als die nächste Umgebung. Als eigentlich öffentlicher Raum ist heute das Internet zu betrachten. Aber haben wir es tatsächlich mit einem öffentlichen Raum zu tun? Setzt der öffentliche Raum nicht die Konkretheit von Orten, unmittelbare Reibung voraus?

Die Konstituierung des öffentlichen Raumes ging mit jener des privaten Raumes einher. Noch in mittelalterlichen Städten waren diese beiden Bereiche nicht wirklich voneinander geschieden. Im privaten Raum konnten sich die Bürger von den Anstrengungen des öffentlichen Raumes erholen wie sie umgekehrt hier das ausleben konnten, was an den Rückzugsorten so nicht möglich war. Die Literaturgeschichte kennt zahllose Beispiele, in denen all dies durchgespielt wird, die aber auch deutlich machen wie sehr die beiden Bereiche miteinander verzahnt waren. Man lese etwa ETA Hoffmanns „Der goldne Topf“ und vergleiche das Geschehen in den darin beschriebenen Innen- und Außenräumen. Im Internet ist diese Dichotomie grundlegend aufgehoben. Das Private wird zu Öffentlichem, oft genug werden selbst intimste Details der Allgemeinheit preisgegeben, das Öffentliche wiederum zu Privatem, zur bloßen persönlichen Meinung. Das Entscheidende ist dort zu sehen, wo dem einen wie dem anderen keine wirklichen Orte mehr zuzuordnen sind.

Der öffentliche Raum setzt ein Nebeneinander sehr unterschiedlicher Menschen voraus. Im Internet sind Menschen anders organisiert, nämlich nach Themen, Interessen, Alter etc. Zwischen einzelnen Communities gibt es kaum Überschneidungen. Der heutige Mensch verdankt seine Identität weniger familiären oder nachbarschaftlichen Beziehungen als subkulturellen Orientierungen. Aristoteles dachte sich eine Stadt als eine Ansammlung unterschiedlicher Arten von Menschen. Ähnliche Menschen brächten keine Stadt zuwege. Antiurbane Stadtentwürfe setzen dagegen auf eine architektonische und soziale Entmischung, auf eine “vernünftige Ordnung”, in der Gleiches sich Gleichem anschließe, Verwandtes sich mit Verwandtem paare. Was so im Städtebau nie wirklich Realität wurde, das macht das Internet möglich. Das Internet bildet so etwas wie eine ultimative Megalopolis, aber mit all dem, was eine Stadt ausmacht, haben wir es nicht zu tun.

Der kurze Erfolg, der den Piraten beschieden war, macht das Problem deutlich. Mag dieses Scheitern auch auf das Fehlen von gewachsenen Parteistrukturen, auf den Mangel an politisch erfahrenen Vertretern wie anderes zurückzuführen sein, so ist die entscheidende Ursache dafür dort zu sehen, wo politisches Handeln eines konkreten, eines erfahrbaren Raumes bedarf. Mögen noch so viele vor ihren Computern sitzen, „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ anklicken, mit einem öffentlichen Raum haben wir es nicht zu tun. Eine Mausklickdemokratie, gäbe es sie, hätte nichts mit Entscheidungen zu tun, viel mehr mit Meinungsumfragen, die täglich, wenn nicht stündlich durchgeführt werden könnten. Wird allseits „Reformstau“ wie „Stillstand“ in der Politik beklagt, so ist das Bedürfnis, mittels Tastendruck seinen Unmut zum Ausdruck zu bringen, nur zu verständlich. Der beklagte Stillstand verdankt sich nicht zuletzt Politikern, die ständig auf Meinungsumfragen hören müssen, wollen sie wieder gewählt werden. Das Äußern einer Meinung hat noch lange nichts mit politischem Handeln zu tun, setzt ein solches doch die Möglichkeit oder die Fähigkeit voraus, Kompromisse zwischen unterschiedlichen Interessen auszuhandeln. Man muss sich nur einige Internetforen anschauen, um zu sehen, dass die meisten der Einträge der unmittelbaren Spannungsabfuhr, der Abkühlung von Erregungen dienen. Um Abkühlungen an der Peripherie handelt es sich dabei aber nicht. Die Orte solcher Abkühlungen finden sich letztlich in einem indifferenten Nirgendwo. Sie verdampfen an den Nicht-Ort des Kommunikationsnetzes.

Vor achtzig Jahren fragte sich Laurence Manning in seinem Roman „Der Jahrtausendschläfer“ was eine Stadt ausmache. Seine knappe Definition: „Eine Ansammlung von Häusern zur Beherbergung von Menschen? Keineswegs. Es ist eine Maschine - ein kompliziertes Ding, im animalischen Sinne beinahe lebendig. Energie wird durch kupferne Nervenstränge geleitet, Wasser fließt durch unterirdische Arterien, Nahrung wandert durch die Küchen und wird gekocht und erreicht den Bürger. Telefon und Fernsehen verbinden die verschiedenen Einheiten zu einem Ganzen.“ Heute, um viele Erfahrungen reicher, wissen wir, dass noch so viele Datenströme es nicht wirklich vermögen, verschiedene Einheiten zu einem Ganzen zu verbinden.

Ironischerweise kennt der digitale Raum Meutenbildungen, die an die Steinigung des Churer Scharfrichters im Jahr 1575 denken lassen. Vorwürfe, Plagiate, sexuelle Übergriffe wie anderes betreffend, können für die Beschuldigten fatale Folgen haben, unabhängig davon, ob die erhobenen Vorwürfe zutreffen oder nicht. Es ist nicht mehr nötig, Steine aufzuheben oder zu werfen. Die Tendenz zu Meutenbildungen machen etwa Einladungen zu Facebook-Partys deutlich, die außer Kontrolle geraten können, manchmal einfach deshalb, weil jemand vergessen hat, die Option „öffentlich“ zu unterdrücken. Insbesondere machen sogenannte „Flashrobs“ die Tendenz zur Meutenbildung offensichtlich. Im Widerspruch zu den meisten Medienberichten dürfte der Anreiz weniger in einem Diebstahl oder einem Raub liegen, als im Bedürfnis in einer Gruppe aufgehoben zu sein, also teilzunehmen. Aufnahmen von Überwachungskameras belegen das nur zu gut. Es wird ziemlich wahllos zugegriffen. Vermutlich landet der größte Teil des Geklauten im Abfall. Letztlich bedürfen auch social media konkreter Orte, um ihre Wirkung zu entfalten.

Die meisten solcher Aktionen wären ohne Fun-Faktor undenkbar. Heute dienen Städte selbst der Abkühlung. Städte wandeln sich zunehmend zu „Event-Cities“, bemüht, dem Erlebnishunger wie dem Bedürfnis nach Ortsbezug und Identität gerecht zu werden. Mit öffentlichem Raum im eigentlichen Sinn haben wir es nicht zu tun, treten die Bürger nun doch als intensiv bewirtschaftete Konsumenten auf. Politikberater sprechen heute von „Empörungsbewirtschaftung“. Aus Bürgern werden also Konsumenten. Dem Konsum ist alles Politische fremd, selbst dann, glauben Konsumenten durch den Kauf von Fair-Traide-Bananen die Welt zu verbessern. Es würde sich lohnen, ausgehend von der Steinigung des Churer Scharfrichters oder zahlloser anderer Beispiele über den öffentlichen Raum zu diskutieren, darüber, was Politik, Partizipation, Mitbestimmung oder anderes ausmacht.

Mitglieder eines Vereines für Radiästhesie untersuchten in einer praktischen Übung jenen Platz, an dem in Chur die letzte Hinrichtung stattfand. Bedauerlicherweise wurde mir nicht mitgeteilt, welche Erkenntnisse dabei gewonnen, welche Erfahrungen dabei gesammelt wurden. Ich hätte nur zu gerne etwas über Erhitzung und Abkühlung erfahren. Es sei ein regnerischer, kalter Tag gewesen. Aber immerhin, nach bald zweihundert Jahren sei nicht mehr viel zu spüren.

Von der ehemaligen Parkanlage ist heute nicht mehr viel zu erkennen. Manche Bäume, Wege und Buchshecken erinnern daran, eine Tafel mit der Aufschrift „Strauch-Kronwicke“. An der Stelle, an der die Hinrichtungen stattfanden, ein Springbrunnen mit Goldfischen darin. Ein im Jahr 1879 errichteter Gedenkstein erinnert an den Botaniker Alexander Moritzi, dessen Engagement sich die ehemalige Parkanlage verdankte. In den 1960er Jahren soll der Rosenhügel ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche gewesen sein: Küssen und Kiffen. Dass hier manche den Tod fanden, dürfte wohl kaum einen der Jugendlichen beschäftigt haben.

Bernhard Kathan 2013



Abbildungen:
1. „Hinrichtung von drei Dieben und Steinigung eines Scharfrichters in Chur 1575. Zeitgenössische kolorierte Federzeichnung aus der Zürcher „Wickiana“. Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung.
2. Der Rosenhügel am 4. April 2013.

Ein Stadtspaziergang mit Bernhard Kathan von der Obergasse auf den Rosenhügel
Realisiert im Rahmen von Chur durchwühlen
Ein Projekt der Hasena, Koproduktion Theater Chur

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