WELCOME IDIOTS
ALLE COOKIES AKZEPTIEREN





"Überdrüssig aller, die mit Wörtern, Wörtern, aber keiner Sprache daherkommen,
fuhr ich zu der schneebedeckten Insel.
Das Wilde hat keine Wörter.
Die ungeschriebenen Seiten breiten sich nach allen Richtungen aus!
Ich stoße auf Spuren von Rehhufen im Schnee.
Sprache, aber keine Wörter."
Tomas Tranströmer: "Im März '79"

Stellen Sie sich vor, Sie läsen ein Buch und der Verlag würde Ihnen über die Schulter blicken und wissen, an welchen Zeilen Sie hängen bleiben, was Sie überfliegen, an welchen Stellen Sie nach Ablenkungen suchen und worin diese Ablenkungen bestehen. Stellen Sie sich vor, es würden vom Verlag Einträge gemacht, Lesezeichen zwischen die Seiten des Buches gelegt, "Bookmarks", die dazu dienten, Ihr Leseverhalten zu untersuchen, Ihre Person mit all Ihren Interessen möglichst genau zu erfassen, um Ihr Verhalten vorhersagen zu können. Und stellen Sie sich vor, Sie blätterten die Seite 29 um, hätten dann aber auf Seite 30 eine ganz andere Seite vor sich als die, die sich ursprünglich im gekauften Buch befand, da dem Verlag Ihre Unaufmerksamkeit nicht verborgen geblieben wäre, weshalb er die Seite getauscht hat, womöglich mit einer Werbeeinschaltung eines Produktes, von dem er annimmt, dass es Sie interessieren könnte. Als hätten Sie das Buch nicht bereits bezahlt, sondern hätten es bei jedem Blick, den Sie in das Buch werfen, neu zu bezahlen. Gewiss fänden Sie das ganz abstoßend. Aber genau das geschieht, wenn Sie sich im Internet bewegen, die ganze Zeit. Sie können kaum eine Seite im Internet anklicken, ohne dass ein Programm Lesezeichen setzt. Aber um Lesezeichen im eigentlichen Sinn handelt es sich nicht, geht es doch nicht um die Stelle, an der Sie den Lesefluss unterbrochen haben, um später genau hier fortzufahren. Hätten wir es wenigstens mit Eselsohren zu tun, mit eingeknickten Blattecken, die zum Zwecke der schnelleren Wiederauffindbarkeit einer Seite gedacht sind. Nein, es geht nicht um das Wiederauffinden einer Stelle, sondern einzig um Sie. Nicht das Buch, Sie selbst werden markiert. Sie persönlich sollen ausgelesen werden.

Einen Monat lang habe ich mich an den Datenschutzerklärungen des "Standard" abgearbeitet. Der "Standard" kam mir gelegen, lese ich diese Zeitung doch seit ihrem ersten Erscheinen, liegt er doch in einigen Lokalen einzig wegen mir auf. Zeile für Zeile der Datenschutzerklärung habe ich mit der Hand abgeschrieben. Man muss abschreiben, sich die nötige Zeit nehmen, die geforderten Bewegungen machen, damit die Zeichen von den Fingerspitzen ins Gehirn dringen, selbst sinnloses Zeug schreiben, damit die Zeichen im Gehirn mitteilbar im eigentlichen Sinn werden. Bereits Wilhelm Hauff hat dies verstanden, auch Goethe. Beschäftigt man sich mit solchen Datenschutzerklärungen, so hat man es mit einem Fass ohne Boden zu tun. Genaugenommen würde man nie zu einem Ende kommen, da sich in jeder solchen Datenschutzerklärung (auch in der des "Standard") zahllose Links zu Datenschutzerklärungen von Partnern oder Drittanbietern und darin wiederum zahllose Links finden: KLICKEN SIE HIER, UM DIE DATENSCHUTZERKLÄRUNG DES DATENVERARBEITERS ZU LESEN. Nebenbei bemerkt können Unternehmen ihre Datenschutzerklärungen ständig ändern: BITTE STELLEN SIE SICHER, DASS IHNEN DIE AKTUELLSTE VERSION UNSERER DATENSCHUTZERKLÄRUNG VORLIEGT. Wenn man versucht, eine solche Erklärung wirklich aufmerksam durchzulesen, wird vieles erkennbar: So hat etwa die Datenschutzerklärung des "Standard" kein Korrektorat durchlaufen. Es finden sich neben Tippfehlern jede Menge grammatikalischer Fehler. Wörter werden uneinheitlich geschrieben. Vieles scheint aus anderen Datenschutzerklärungen zusammengestoppelt. Interessant sind auch viele der Namen der verwendeten Programme oder Cookies, die das Auseinanderklaffen von eigentlichen Intentionen und all dem, was in Datenschutzerklärungen behauptet wird, deutlich machen. Siegfried Kracauer hätte seine Freude damit gehabt.

Cookies und verwandte Technologien würden eingesetzt, so liest man in Datenschutzerklärungen, um Webseiten nutzerfreundlicher zu gestalten, die Qualität digitaler Services ebenso wie die Sicherheit zu optimieren, ein personalisiertes Weberlebnis zu garantieren oder Informationen zielgerichtet platzieren zu können: SO KÖNNEN WIR IHNEN ANGEBOTE PRÄSENTIEREN, DIE FÜR SIE BESONDERS RELEVANT SIND, UND SIE KÖNNEN BEI EINEM ERNEUTEN BESUCH UNSERER WEBSEITE DIE NUTZUNG SOFORT WIEDER BEQUEM FORTSETZEN. Mit Hilfe von Cookies und ähnlichen Technologien lassen sich etwa erfassen: die verwendete IP-Adresse, das Betriebssystem, Browsertyp und -version, Bildschirmauflösung, Farbtiefe, installierte Schriftarten, Seiteneinstellungen, Sprache, im Browser installierte Plug-ins, Dateiname der angeforderten Datei, besuchte Seiten, Passagen auf einer Webseite, die ein Nutzer besucht hat, angesehene Werbeanzeigen, Interaktionen mit Werbung, Services und Produkten, Datum und Uhrzeit des Abrufs, Dauer des Abrufs, Session-ID, die Webseite, von der aus ein Aufruf erfolgt, Menge der gesendeten Daten in Byte, die aufgerufene URL, Referrer URL (so der Abruf über einen Link erfolgt), Seitenpfad der Webseite, geografischer Standort, Klickpfad, App-Aktualisierungen, Downloads, Kaufaktivität, Widget-Interaktionen, Häufigkeit eines Webseiten-Besuchs, Mausbewegungen, Tastatureingaben, etc., etc.: ALL DIESE DATEN ÜBERMITTELT UNS IHR WEBBROWSER BEIM AUFRUF UNSERER WEBSEITE. Die auf diese Weise gesammelten Informationen scheinen für sich genommen nicht besonders aussagekräftig, ermöglichen aber in Kombination einen digitalen Fingerabdruck von ziemlicher Genauigkeit, wodurch sich "anonyme Nutzungsprofile" erstellen und sich Aussagen zu Alter, Geschlecht und Interessen der Seitenbesucher treffen lassen.

COOKIES SIND KLEINE TEXTDATEIEN, DIE MIT HILFE DES BROWSERS AUF IHREM ENDGERÄT ABGELEGT UND DORT VORÜBERGEHEND GESPEICHERT WERDEN. COOKIES RICHTEN KEINEN SCHADEN AN UND KÖNNEN AUCH KEINE VIREN ODER SONSTIGE GEFÄHRLICHE PROGRAMME ENTHALTEN. Keinen Schaden? Das ist eine Frage der Betrachtung. Kleine Textdateien? Eine in die Irre führende Formulierung, vergleichbar mit leeren Benzinfässern, die, im Glauben sie seien leer, aufgeschweißt werden, dann aber in die Luft fliegen, manche verletzen oder töten. Was als leer bezeichnet wird, muss nicht leer sein. Geleerte Benzinfässer können noch Benzindämpfe enthalten. Klein lässt an harmlos denken. Etwas Kleines muss aber nicht harmlos sein. Ist eine "kleine Textdatei" nur abgelegt, dann scheint sie befriedet. Was sollte sie schon in Bewegung setzen können? Was gäbe es da schon zu befürchten? Ganz im Widerspruch zu all den Assoziationen, die wir mit "kleinen Textdateien" verbinden, setzen Cookies in Bewegung. Cookies werden nicht einfach abgelegt wie verlorene Eier, sie werden implementiert. Dem Nutzer teilen sie sich nicht mit, sie sind aber mitteilbar, und zwar für jene, die die Cookies gesetzt haben. Ähnliches gilt auch für "Web Beacons" oder "Pixels", also unsichtbare Grafiken, die dazu dienen, Informationen wie den Besucherverkehr auf Webseiten auszuwerten.

In Datenschutzerklärungen ist viel vom Schutz der Privatsphäre die Rede. Mantraartig wird heruntergebetet, der Schutz der Privatsphäre sei bei der Verarbeitung persönlicher Daten ein wichtiges Anliegen: IN KEINEM FALL WERDEN DIESE DATEN DAZU VERWENDET, SIE ALS BESUCHER UNSERER WEBSEITEN PERSÖNLICH ZU IDENTIFIZIEREN. Die verwendeten Daten würden keinen direkten Rückschluss auf eine Person zulassen: WIR SETZEN GOOGLE ANALYTICS AUSSCHLIESSLICH MIT AKTIVIERTER IP-ANONYMISIERUNG EIN. DAS BEDEUTET, DIE IP-ADRESSE LÄSST KEINE RÜCKSCHLÜSSE AUF SIE ALS USER ZU. GOOGLE HÄLT EINE PRIVACY-SHIELD-ZERTIFIZIERUNG UND GARANTIERT DADURCH EIN DER EUROPÄISCHEN UNION ANGEPASSTES DATENSCHUTZNIVEAU. Die meisten der gesammelten Daten würden aggregiert, es komme zu keiner Reidentifizierung natürlicher Personen, sondern zu einer Hochrechnung mittels Wahrscheinlichkeiten. Da es sich nur um statistische Berechnungen oder Modelle handle, werde das Recht auf den Schutz der Persönlichkeit nicht tangiert. Eine persönliche Identifikation des Nutzers sei durch die Aggregation der Datensätze ausgeschlossen. Aggregatio (lat.): Anhäufung, Vereinigung; aggrego: anhäufen, beigesellen; grex: Herde, Ansammlung; egregius: ausgezeichnet, "aus der Herde auserlesen", "aus der Herde ragend". Auserlesen. "Lesen" meint auch sammeln; man kann Birnen oder Äpfel auflesen. Dann meint "lesen" auch: vorgefundene Zeichen in diese oder jene Ordnung bringen. Nur wer richtig liest, wird mit einer guten Note belohnt. Nur wer richtig liest, weiß die Zeichen der Zeit zu deuten, sich richtig zu verhalten. Vom Auflesen ist es nicht weit zum Auslesen. Mögen gesammelte Daten auch aggregiert bzw. anonymisiert werden, so zielen diese letztlich doch auf den Einzelnen ab. Um Einzelne mit Erfolg bewirtschaften zu können, muss das Augenmerk zuerst der Herde, der Masse gelten. Erst dann lässt sich das einzelne Individuum aus der Herde herauslesen, wobei sich die Voraussetzung hierfür in der eindeutigen Identifikation findet. Schutz der Privatsphäre hin oder her: Es wird personalisiert. Ob Ihr Name bekannt ist oder nicht, das ist letztlich völlig gleichgültig. Dass die Zuordnung auch über das Gerät geschehen kann, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, zumal in der maschinellen Bewirtschaftung der Nutzer ohnehin mit dem Gerät, mit der technischen Apparatur, mit dem Programm verschwimmt. Zwar bleibt ihm die technische Apparatur auf eigentümliche Art und Weise fremd, sie wird ihm aber eigen, indem er sich ihrer bedient, sie sich geradezu inkorporiert, indem er vorgegebene Bewegungen vollzieht. Natürlich wird in dieser Welt nicht gebrüllt wie auf einem Kasernenhof, und doch fügt sich all das in die lange Geschichte der Disziplinierung. Zurichtung trifft es noch besser: Man bringt den Nutzer dazu, sich aus eigenem Antrieb in das Geforderte zu fügen.

Richten Sie bei einem der Dienste ein Konto ein oder bestellen Sie etwas in einem Onlineshop, dann lassen sich die von Ihnen eingegebenen Daten mit jenen Informationen verknüpfen, die während Ihrer Netzaktivitäten mit Hilfe von Cookies gesammelt werden. Um ein ganz banales Beispiel zu nennen: Bestellen Sie sich im Onlineshop von Thalia ein Buch, dann werden die mit Hilfe von Cookies oder sonstwie gesammelten Daten einem "Dienstleister oder Partnerunternehmen" zum Zwecke einer Bonitätsprüfung überlassen: UM IHNEN MÖGLICHST GUTE OPTIONEN FÜR DIE WAHL DER ZAHLUNGSART ANBIETEN ZU KÖNNEN UND SCHWIERIGKEITEN IM ZAHLUNGSVERKEHR AUSZUSCHLIESSEN, SCHÜTZEN WIR SIE UND UNS VOR MISSBRAUCH: WIR ÜBERMITTELN IHRE DATEN (NAME, ADRESSDATEN, GEBURTSDATUM UND GGF. DIE AUF VIER STELLEN GEKÜRZTE KREDITKARTENNUMMER) ZUM ZWECKE DER BONITÄTSPRÜFUNG, DEM BEZUG VON INFORMATIONEN ZUR BEURTEILUNG DES ZAHLUNGSAUSFALLRISIKOS ... DAS SCORING BERECHNET - BASIEREND AUF MATHEMATISCH-STATISTISCHEN VERFAHREN - WAHRSCHEINLICHKEITSWERTE FÜR EIN BESTIMMTES ZUKÜNFTIGES VERHALTEN UND NUTZT HIERFÜR DIE ENTSPRECHENDEN DATEN.

In Datenschutzerklärungen kommt alles samtpfötig daher. Cookies würden im Interesse des Nutzers gesetzt. Manche Cookies seien für das Funktionieren einer Webseite unabdingbar. Was ist schon unbedingt erforderlich, zwingend erforderlich, unerlässlich? Es müsste doch möglich sein, dass die Österreichische Post AG, um nur ein Beispiel zu nennen, ihre Internetseite so gestaltet, dass sich die Portogebühren einfach abrufen lassen. Wesentlichstes bleibt unerwähnt. Tatsächlich geht es um Gewinnmaximierung, denn wir haben es mit einem knallharten Konkurrenzkampf zu tun, in dem es gilt, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Im Gegensatz zu allen Behauptungen geht es, mögen auch allgemeine Werte wie Zugriffsraten ermittelt werden, um möglichst exakte individuelle Profile, die sich zunehmend noch einmal verbessern lassen, indem sich Daten geräteübergreifend ein und demselben Nutzer zuordnen lassen oder Daten aus unterschiedlichen Kanälen zusammengeführt werden, was etwa dann der Fall sein kann, wenn das Bewegungsverhalten eines Nutzers im Internet mit Einträgen in Social Media verknüpft wird: WIR VERWENDEN COOKIES, UM INHALTE ZU PERSONALISIEREN, SOCIAL-MEDIA-FUNKTIONEN BEREITZUSTELLEN UND DEN DATENVERKEHR ZU ANALYSIEREN. WIR GEBEN AUSSERDEM INFORMATIONEN ÜBER IHRE NUTZUNG UNSERER WEBSITE AN UNSERE SOCIAL-MEDIA- UND ANALYSEPARTNER WEITER, DIE DIESE MIT ANDEREN INFORMATIONEN KOMBINIEREN KÖNNEN, DIE SIE ZUR VERFÜGUNG GESTELLT HABEN ODER DIE SIE AUS IHRER NUTZUNG DER DIENSTE ERHOBEN HABEN.

Das Internet versprach neben frei zugänglicher Information vor allem Kommunikation. Tatsächlich haben wir es mit vielfältigsten Kommunikationsstörungen zu tun. Cookie-Einstellungen sind ein gutes Beispiel. Es wird so getan, als würde man persönlich angesprochen, dabei ist man nur Teil einer maschinengenerierten Masse. Wirkliche Kommunikation ist ausgeschlossen. Antworten sind unmöglich. Man kann nur anklicken. Alle Antworten sind bereits vorgegeben. Dann haben Worte oder Sätze zumeist eine ganz andere Bedeutung, als sie vorgeben: WIR NUTZEN COOKIES, UM DIE BEDÜRFNISSE UNSERER NUTZER BESSER ZU VERSTEHEN. Zwischen den wirklichen Bedürfnissen der Menschen und den Bedürfnissen der Vermarktungslogik tut sich ein Abgrund auf. MIT HILFE VON COOKIES IST ES UNS ZUM BEISPIEL MÖGLICH, SIE BEI IHREM NÄCHSTEN BESUCH PERSÖNLICH ZU BEGRÜSSEN. Persönlich? Können Maschinen begrüßen? WIR FÜHREN WEBANALYSEN DURCH, UM UNSERE USER BESSER KENNENZULERNEN: Aber was heißt schon "besser kennenlernen"? Würde man solche Interaktionen protokollieren, sie läsen sich nicht weniger abstrus als psychiatrische Gesprächsprotokolle, die einst dazu dienten, psychiatrische Diagnosen zu stützen, die, wie wir wissen, für die Betroffenen oft schreckliche Folgen hatten. Aber man kann sich auch die Frage stellen, ob wir es überhaupt noch mit Sprache zu tun haben oder ob wir uns nicht schon längst statt im Sprachlich-Symbolischen im Imaginären bewegen?

Laut Datenschutzgesetz dürfen Daten, die Rückschlüsse auf eine konkrete Person erlauben, nur dann erfasst und verarbeitet werden, wenn die betroffene Person eingewilligt hat. Deshalb finden sich in Datenschutzerklärungen zumeist optionale Einstellungen, mit denen Nutzer die Erfassung bestimmter Daten untersagen können: SIE KÖNNEN DIE ERFASSUNG DURCH GOOGLE ANALYTICS VERHINDERN, INDEM SIE AUF FOLGENDEN LINK KLICKEN. ES WIRD EIN OPT-OUT-COOKIE GESETZT, DAS DIE ZUKÜNFTIGE ERFASSUNG IHRER DATEN BEIM BESUCH DIESER WEBSEITE VERHINDERT: ERFASSUNG VON DATEN DURCH GOOGLE ANALYTICS FÜR DIESE WEBSITE DEAKTIVIEREN. Der Anbieter muss nicht um Erlaubnis fragen. Wäre das der Fall, dann müssten Nutzer die vermutlich ohnehin lästige Frage einfach wegklicken können, ohne weiter belästigt zu werden. Diese Art von Cookies würde ich mir gern setzen lassen. Aber wir haben es mit einer auffallenden Umkehrung zu tun, mit einer Widerspruchslösung, in der nicht der Anbieter, sondern der Nutzer dazu angehalten ist, sich um den Schutz seiner Privatsphäre zu kümmern. Der Nutzer muss sich in Bewegung setzen, um sich all der maschinengesteuerten Zudringlichkeiten zu erwehren. Und dabei ist es völlig gleichgültig, ob man es mit Google, Amazon, dem ORF, dem "Standard", der "Krone" oder einer kleinen Buchhandlung zu tun hat. In alltäglichen Situationen käme uns das völlig absurd vor. Stellen Sie sich vor, Sie säßen in einem Café und der Kellner, der Ihnen einen Espresso serviert hat, stocherte in Ihrer Tasche herum, auf der Suche nach Informationen, die er an ein Hutmachergeschäft oder gar an die Polizei weiterverkaufen möchte. Stellen Sie sich vor, der Kellner würde Sie nach der Marke Ihres Lippenstifts fragen, danach, in welchem Geschäft Sie Ihren Lippenstift gekauft haben. Sie wären empört über ein so aufdringliches, ganz und gar unangemessenes Verhalten. Und Sie wären noch empörter, würde der Kellner nach Ihrem Puls greifen oder Ihren Hemdkragen beiseite schieben, um nach Blutschwämmchen oder anderen Auffälligkeiten Ihrer Haut zu suchen. Aber der Kellner würde Sie ja darauf hinweisen, dass Sie doch schließlich die Möglichkeit hätten, durch diese oder jene Zeichen Ihren Widerspruch zum Ausdruck zu bringen. Und vielleicht würde er noch beleidigt anmerken, er tue das alles doch nur für Sie, um Ihnen einen besseren Service bieten zu können.

DER ÜBERWIEGENDE TEIL UNSERER COOKIES SIND SOLCHE, FÜR DIE KEINE ZUSTIMMUNG ERFORDERLICH IST. DIE ÜBRIGEN COOKIES SETZEN WIR SELBSTVERSTÄNDLICH NUR, WENN WIR IHRE ZUSTIMMUNG EINGEHOLT HABEN. WIR VERWENDEN NUR DATEN, DIE SIE UNS ZUR VERFÜGUNG GESTELLT HABEN. In der Regel wissen Nutzer gar nicht, können gar nicht wissen, welche Daten sie zur Verfügung stellen. Sie können auch gar nichts zur Verfügung stellen, da sie dies nicht aktiv tun. Tatsächlich werden Daten einfach abgesaugt, und zwar ohne dass es jemand bemerkt. Leiht sich ein Bekannter von mir einen Hammer aus, dann stelle ich ihm diesen zur Verfügung. In der Regel wird er mir den Hammer nach Erledigung seiner Arbeit zurückgeben oder, sollte er ihn verloren haben, durch einen anderen Hammer ersetzen, zumindest einen symbolischen Ausgleich schaffen. Man kann vieles zur Verfügung stellen, selbst Daten. Das gilt etwa, wenn Sie an einem medizinischen Experiment teilnehmen, weil Sie vielleicht an einer seltenen Erkrankung leiden und das Experiment die Behandlung all jener, die an dieser Erkrankung leiden, verbessern soll. In diesem Fall könnten Sie sich bewusst entscheiden. Sie würden gebeten, an dieser Studie teilzunehmen, nicht genötigt. Ein konkretes Gegenüber würde Ihnen die Zielsetzungen der Studie wie auch mögliche Risiken erklären. Und zweifellos würde Ihnen zugesichert, dass die so gesammelten Daten, insbesondere jene, die Ihre Person betreffen, für keine anderen als die angegebenen Zwecke verwendet werden. Undenkbar wäre es, Ihre Person betreffende Daten etwa gegen Bezahlung oder eine andere Vorteilsnahme an eine Versicherung weiterzugeben. All dies gilt für Daten, die mit Hilfe von Cookies gesammelt werden, nicht, ganz im Gegenteil: MIT IHREM KLICK AUF "JA, ALLE COOKIES AKZEPTIEREN" STIMMEN SIE ZU, DASS COOKIES VON UNS UND VON DRITTANBIETERN VERWENDET WERDEN DÜRFEN. Um eine Zustimmung im eigentlichen Sinn kann es sich nicht handeln. Diese ist vielmehr billig erpresst, und sei es dadurch, dass sich eine Seite nicht öffnen lässt. In vielen Fällen haben wir es buchstäblich mit Nötigung zu tun. Wie in wissenschaftlichen Experimenten, in denen das Verhalten von Versuchspersonen untersucht wird, werden Daten erhoben. Aber gegen alle Regeln werden die gewonnenen Erkenntnisse auf die Versuchspersonen selbst angewandt.

Auf der einen Seite wird Nutzern unaufhörlich eingetrichtert, all das geschehe in ihrem Interesse: ES GIBT EINE VIELZAHL VON DATENSCHUTZEINSTELLUNGEN, DIE SIE NUTZEN KÖNNEN, UM GOOGLE IHREN WÜNSCHEN ANZUPASSEN - AUCH WENN SIE NICHT BEI GOOGLE ANGEMELDET SIND. OB SIE UNS INFORMATIONEN ÜBERMITTELN, LIEGT GANZ BEI IHNEN. Hat man Einwände, wird einem die Rute ins Fenster gestellt: SOLLTEN SIE SICH ENTSCHEIDEN, KEINE INFORMATIONEN ZU ÜBERMITTELN, KANN DAS DAZU FÜHREN, DASS WIR BESTIMMTE FEATURES, PRODUKTE UND / ODER DIENSTLEISTUNGEN NICHT GEWÄHRLEISTEN KÖNNEN. Es gibt kein Entrinnen. Wer mit der Datenerfassung nicht einverstanden ist, wird schon wieder zum Klicken gezwungen, wobei der Widerspruch genau von jenen administriert werden soll, die das Werk in Gang gesetzt haben. Es ist doch ein Treppenwitz, wenn Google und Co., die von der Verarbeitung auch Ihrer Daten leben, vorgeben, Ihre Privatsphäre ernst zu nehmen. Laden Sie doch das von Google angebotene Deaktivierungs-Add-on, das Plug-in herunter und installieren Sie es und glauben Sie an das Versprechen, mehr Kontrolle darüber zu haben, welche Daten von Google zu den von Ihnen aufgerufenen Websites erfasst. Es ist nur konsequent, bieten Konzerne, die systematisch das Verhalten der Menschen bewirtschaften, auch Programme zum Schutz Ihrer Daten an. Schon der Teufel hat das beste Weihwasser versprochen.

Als Endverbraucher ist man angehalten, sich all der lästigen Fliegen zu erwehren, die einen umschwirren. Hatten Staubsaugervertreter in den 1950er Jahren einen Fuß in der Tür, dann waren sie schon im Haus. In ähnlich penetranter Weise stellen Google und Co. ihre Füße in die Tür. Aber es lässt sich nicht auf jeden Fuß treten, der sich in der Tür zeigt. Während der Nutzer in einem hohen Maß transparent ist, bleiben die Aktivitäten von Google und Co. in höchstem Maß diskret. Versuchen Sie einmal, sich direkt an Google Ireland Limited, Google Building Gordon House, 4 Barrow St, Dublin, D04 E5W5, Ireland, an Google Inc., 1600 Amphitheatre Parkway, Mountain View, CA 94043 USA, an Facebook Inc., 1601 S. California Ave, Palo Alto, CA 94304, USA oder an Facebook Ireland Limited, 4 Grand Canal Square, Grand Canal Harbour, Dublin, D02, Ireland zu wenden. Dort vorstellig zu werden, wäre wohl eine interessante Erfahrung. Während im Netz bei jedem Klick Daten generiert werden, die sich personalisieren lassen, verwehren sich Google und Co. gegen ein solches Ausspionieren. Dem alltäglichen Nutzer sind sie darin unendlich überlegen: SIE DÜRFEN OHNE UNSERE AUSDRÜCKLICHE SCHRIFTLICHE ZUSTIMMUNG NICHT TEILE EINES AMAZON SERVICES SYSTEMATISCH EXTRAHIEREN UND / ODER WIEDERVERWENDEN. INSBESONDERE DÜRFEN SIE OHNE DIE AUSDRÜCKLICHE SCHRIFTLICHE ZUSTIMMUNG VON AMAZON.DE KEIN DATA-MINING, KEINE ROBOTS ODER ÄHNLICHE DATENSAMMEL- UND EXTRAKTIONSPROGRAMME EINSETZEN, UM IRGENDWELCHE WESENTLICHEN TEILE EINES AMAZON SERVICES ZUR WIEDERVERWENDUNG ZU EXTRAHIEREN (GLEICHGÜLTIG OB EINMALIG ODER MEHRFACH). Google und Co. leben von dem, was sie auf sich bezogen auf jeden Fall zu verhindern wissen. Ihr Geschäft basiert auf Data-Mining, sie setzen zu Zwecken der Datensammlung und Extraktion Robots ein.

Genau zu jenem Zeitpunkt, als sich mithilfe von Algorithmen ein Profil jedes Bankkunden erstellen ließ, das auf einem Bildschirm für jeden Angestellten hinter dem Schalter einsehbar war, wurde vor dem Schalter mit Hilfe von gelben Bodenmarkierungen die "Diskretzone" eingeführt, auch auf der Post, die, wie wir inzwischen wissen, personenbezogene Daten vermarktet. Während sich also Unternehmen als höchst indiskret erwiesen, wurde Diskretion von jenen verlangt, die sich zufällig vor dem Schalter drängten. Fahre ich meinen PC hoch, dann heißt es: "Willkommen". Ich denke mir immer: "Scheißarschlöcher". So beginnt mein Tag. Ich sage nicht wie mein Vater, hatte er einen schweren Tag vor sich: "In Gottes Namen", sondern "Scheißarschlöcher". Dass mir das Programm vor zehn Jahren als Desktophintergrund einen Hügel eingepflanzt hat, den ich oft genug umrunde (er hebt sich gut vor dem Gebirge im Hintergrund ab), ließ mich damals schon das Böse der Willkommenswelt ahnen. Und wie die Einführung der Diskretzone ist nun das ständige Aufpoppen von Datenschutzerklärungen als bedeutsames Datum in der Geschichte der Digitalisierung zu betrachten. Auch sie verweisen auf das Gegenteil dessen, was sie vorgeben. Die Betonung liegt nicht auf dem Datenschutz, sondern auf den gesammelten Daten. Was immer durch den löchrigen Rost von Datenschutzgesetzen fällt, ist frei verfügbar, wie auch nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich die Verwertung von Daten nur schwer kontrollieren lässt und so Datenschutzerklärungen die Funktion eines Feigenblattes zukommt.

Als Nutzer ist man angehalten, Leistungen für Google und Co. zu erbringen. Ja, man kann Videos, eigene Texte, Fotos, Kommentare und weiß Gott was noch alles hochladen: BESUCHER DÜRFEN REZENSIONEN, KOMMENTARE UND ANDERE INHALTE VERFASSEN ... Dürfen! Nein, sie sind dazu angehalten. Viele Plattformen leben vor allem von Nutzereinträgen. Man denke an Kundenrezensionen, Kochrezepte und vieles andere: WENN SIE KUNDENREZENSIONEN, KOMMENTARE, FRAGEN ODER ANTWORTEN ODER ANDERE VON IHNEN ZUR ANZEIGE AUF DER AMAZON WEBSITE ZUR VERFÜGUNG GESTELLTE INHALTE BEREITSTELLEN (ZUM BEISPIEL BILDER, VIDEOS ODER AUDIOMATERIAL, GEMEINSAM BEZEICHNET ALS `INHALTE'), GEWÄHREN SIE AMAZON: (A) DAS NICHT-AUSSCHLIESSLICHE, UNENTGELTLICHE RECHT ZUR NUTZUNG, VERVIELFÄLTIGUNG, VERÖFFENTLICHUNG, BEREITSTELLUNG UND ÄNDERUNG DIESER INHALTE WELTWEIT IN ALLEN MEDIEN, EINSCHLIESSLICH DES RECHTS ZUR UNTERLIZENSIERUNG AN DRITTE; UND (B) DAS RECHT, DEN NAMEN, DEN SIE IM ZUSAMMENHANG MIT DIESEN INHALTEN EINSENDEN, ZU VERWENDEN. Den wenigsten Gratisarbeitern dürfte bewusst sein, dass nicht nur ihre Daten ein lukratives Gut sind. Zwar ist von "Nutzerfreundlichkeit" die Rede, aber keines der Produkte oder Programme würde ohne tätige Mitarbeit von Nutzern funktionieren. Inzwischen poppen auf Webseiten Fenster von Cookies setzenden Analysediensten auf: WIE WÜRDEN SIE DIESE SEITE VERBESSERN? Mir diesbezüglich Gedanken zu machen, das kann doch nicht meine Aufgabe sein, schon gar nicht gratis. In den Worten von Zygmunt Bauman haben wir es mit einer "Do-it-yourself-Sklaverei" zu tun.

Letzthin erlebte ich diesbezüglich ein schönes Beispiel. Wir wollten uns in einem Bergdorf eine Kirche aus der Zwischenkriegszeit anschauen. Infolge eines Brückeneinsturzes war der Ort nicht erreichbar. Auf Google Maps fand sich dann eine Straße, die in keiner einzigen Karte eingezeichnet ist, mit Kilometer- und Fahrzeitangaben. Offensichtlich verdankte sich diese Verbindung Standortbestimmungen ortskundiger Fahrzeuglenker: DURCH DIE NUTZUNG VON GOOGLE MAPS AUF DIESER WEBSITE ERKLÄREN SIE SICH MIT DER ERFASSUNG, BEARBEITUNG SOWIE DER NUTZUNG DER AUTOMATISCH ERHOBENEN SOWIE DER VON IHNEN EINGEGEBENEN DATEN DURCH GOOGLE, EINEN SEINER VERTRETER ODER DRITTANBIETER EINVERSTANDEN. In der Routenangabe fehlte allerdings der Hinweis, dass die Strecke nur mit geländegängigen Fahrzeugen befahrbar, für ein normales Auto hingegen völlig ungeeignet ist. Sicher dachte nicht ein einziger der ortskundigen Fahrzeuglenker daran, mit seiner Fahrt durch unwegsames Gelände zu Googles Kartographie beigetragen zu haben. Eine solche Kartographie macht manche Unschärfen deutlich. Angegeben waren für die Wegstrecke 37 Minuten. Wir brauchten mehr als zwei Stunden, da keine Schilder den Weg wiesen und wir uns mehrfach auf Forststraßen verirrten, die in Sackgassen endeten. Google bietet also Informationen an, ohne dafür geradezustehen, falls durch diese möglicherweise Verkehrsvorschriften verletzt werden oder sie den Nutzer gar in Gefahr bringen. Die Kartographierung, die mit Hilfe von Nutzern geschieht, bezieht sich längst nicht mehr nur auf äußere Topographien, sondern auf den Nutzer selbst, auf Körperparameter, sein Schlafverhalten oder sein seelisches Befinden. Die Nutzer erbringen Leistungen, die ihrer Bewirtschaftung dienen.

Im Internet suchte ich nach einem Notebook und landete schließlich bei der Plattform "refurbed". Ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen ist ganz in meinem Sinn. Was sich gebrauchen lässt, soll nicht im Müll landen. Ich entschied mich für einen deutschen Anbieter, obwohl dasselbe Gerät dort um einiges teurer war, da man sich, wie ich wusste, im Reklamationsfall an den Händler wenden muss. Zu meinem Erstaunen hatte ich es dann mit einem italienischen Anbieter zu tun. Der Sendungsverlauf: Crotone - Catania - Neapel - Rom - Leipzig - München - Innsbruck. Nicht gerade umweltfreundlich. Das Gerät war in tadellosem Zustand, war noch nie verwendet worden. Da stellte sich die Frage nach der Herkunft des Geräts; durchaus möglich, dass es sich dunklen Kanälen verdankte. Kurze Zeit später erhielt ich folgendes E-Mail: "Dein Baum wird schon bald die Welt retten. Wieso refurbed? Dein Baum befindet sich mitten in den Vorbereitungen und wird dann in Haiti in die Erde gesetzt. Schon bald wird er wachsen und die Welt zu einem grüneren Ort machen. Du kannst stolz auf dich sein. EIN SCHRITT IN EINE NACHHALTIGERE UMWELT. Dein refurbed™ Gerät spart 70% CO2-Emissionen im Vergleich zu einem Neuprodukt. Die restlichen 30% CO2 wird der Baum kompensieren, den wir für dich pflanzen. Peter von refurbed." Etwas später erhielt ich von "Peter von refurbed" die Nachricht, der Baum sei gepflanzt worden. So spricht der Heilsverkünder, wohl in Wolken sitzend, eingerahmt von IKEA-Möbeln. Ein Baum in der Wüste Gobi oder an den Rändern des Sahel hätte mir besser gefallen. Ein Baum in Haiti? Da muss man keine Bäume pflanzen. Sie wachsen von alleine, hält man nur Menschen fern. Aber was macht das schon? Es ist ohnehin nur ein Luftbaum. Über Bäume weiß ich gewiss mehr als "Peter von refurbed". In Yoshiwara, dem einstigen Bordellviertel Tokios, trugen die Dirnen Namen wie Kirschblüte, Pflaumenblüte, Schneeflocke oder Ahornzweig. Das waren freilich nicht ihre wirklichen Namen. Das lässt an die digitale Welt mit all den sie bevölkernden Schatten denken, von denen man annehmen muss, dass sich der geworfene Schatten einer Maschine verdankt. Die Kunden in Yoshiwara hatten es immerhin noch mit wirklichen Frauen zu tun. Man müsste ziemlich verblödet sein, um an den in Haiti gepflanzten Baum zu glauben, der nichts anderes ist als Ausdruck einer Geschäftspraktik, die zumeist in einem krassen Gegensatz zu all dem steht, was behauptet wird. Nicht Klimaschutz ist das Anliegen, sondern Gewinnmaximierung.

Das trifft auch zu, wenn Amazon sich sozial engagiert gibt: AMAZONSMILE - MIT JEDEM EINKAUF ETWAS GUTES TUN. WIDMEN SIE JETZT 0,5% IHRER EINKÄUFE EINER SOZIALEN ORGANISATION - UND AMAZON ZAHLT. ORGANISATION AUSWÄHLEN. ES DAUERT NUR WENIGE SEKUNDEN, UND WIR BRINGEN SIE AUF DIESE SEITE ZURÜCK. EINKAUFEN UND GUTES TUN. AMAZON GIBT ANGEMELDETEN ORGANISATIONEN 0,5% DER EINKAUFSSUMME IHRER QUALIFIZIERTEN SMILE.AMAZON.DE-KÄUFE WEITER, OHNE EXTRAKOSTEN FÜR SIE. SMILE.AMAZON.DE IST DASSELBE AMAZON, DAS SIE KENNEN. DIESELBEN PRODUKTE, DIESELBEN PREISE, DERSELBE SERVICE. WÄHLEN SIE EINE ORGANISATION AUS UND BEGINNEN SIE IHREN EINKAUF AUF SMILE.AMAZON.DE. Solches dient nicht nur der Imagepolitur, sondern macht die, die meinen, bei jedem Einkauf etwas Gutes zu tun, ein weiteres Mal zu Datenlieferanten. Einkaufen und Gutes tun: So kann man sich freikaufen vom Wissen, dass Amazon nicht nur kleinere Buchhandlungen oder Blumengeschäfte in den Ruin treibt, sondern sich verheerend auf urbane und dörfliche Zentren auswirkt, die ganze Welt mit Müll überschwemmt oder Menschen zu schlechtesten Bedingungen für sich arbeiten lässt. Man kann also, so scheint es, einkaufen und Gutes tun, ohne auch nur einen zusätzlichen Cent zu investieren. Bei AmazonSmile ist soziales Engagement wie ein Konsumakt organisiert: ORGANISATION WÄHLEN. Da ich keine Lust habe, mir ein Amazon-Konto einzurichten oder mich anzumelden, kann ich leider nicht wissen, zwischen welchen sozialen Organisationen ich wählen könnte. Es ist aber anzunehmen, dass sich auf jeder Internetseite der genannten "angemeldeten" Organisationen eine Amazon-Verknüpfung findet, zumal Webshops sozialer Einrichtungen nicht selten über Amazon funktionieren.

Datenschutzerklärungen müssen übersetzt, im Kontext tatsächlicher Interessenslagen gelesen werden. Als ein Versuch einer solchen Übersetzungsleistung sei Shoshana Zuboff zitiert: "Wir beanspruchen menschliche Erfahrung als herrenlosen Rohstoff. Auf der Basis dieses Anspruchs können wir Rechte, Interessen, Kenntnisnahme und Verständnis der Betroffenen ignorieren. / Auf der Basis unseres Anspruchs bestehen wir auf das Recht, die Erfahrung des Einzelnen in Verhaltensdaten umzuwandeln. / Aus unserem rechtlichen Anspruch auf dieses herrenlose Rohmaterial ergibt sich das Recht auf den Besitz aller aus menschlichem Verhalten gewonnenen Verhaltensdaten. / Aus unserem Recht, Daten zu erfassen und in Besitz zu nehmen, ergibt sich das Recht zu wissen, was uns diese Daten enthüllen. / Aus unserem Recht zu erfassen, zu besitzen und zu wissen, ergibt sich das Recht, darüber zu entscheiden, wie und wozu wir unser Wissen einsetzen. / Aus unserem Recht zu erfassen, zu besitzen, zu wissen und zu entscheiden, ergibt sich das Recht, die Bedingungen zu bestimmen, die uns das Recht zu erfassen, zu besitzen, zu wissen und zu entscheiden bewahren."

Es ist viel von Services oder Diensten die Rede. Mit Dienstleistungen im traditionellen Sinn haben wir es nicht zu tun, tritt doch niemand in eine direkte persönliche Kommunikation, wie auch niemand eine Verpflichtung gegenüber den Personen, denen er zu dienen vorgibt, eingeht. Wir haben es nicht mit einem "desinteressierten" oder "interessenfreien Engagement" zu tun, niemand legt da ein "weltliches Keuschheitsgelübde" (Erving Goffman) ab, zumal die Unterstützung auf Bereiche abzielt, die nicht Gegenstand der vorgeblichen Unterstützung sind. Es ist ja eher so, als würde ein Arzt Patienten nur deshalb behandeln, um die so gesammelten Informationen anderweitig verwenden zu können. Auch ist an die Stelle der "Dienstleistungsökonomie" die "Erlebnisökonomie" getreten. Die digitale Zurichtung oder Unterwerfung kommt oft genug als Spaß, Spiel oder Unterhaltung daher. User sind nicht einmal wirklich Kunden. Die eigentlichen Kunden von Google und Co. sind Unternehmen, die ihre Produkte an den Mann oder die Frau bringen wollen.

Soll es etwa nicht gut sein, dass wir statt zu schreiben nur sprechen müssen, um einen Text zu verschicken, dass wir keine Landkarten mehr brauchen, weil uns ein Programm den Weg weist, dass uns Programme Worte vorgeben, haben wir nur drei Buchstaben getippt, dass wir auf Rechtschreibfehler aufmerksam gemacht werden, dass wir nicht mehr nach Büchern suchen, sondern nur noch Worte eingeben müssen, um bestimmte Informationen zu erhalten, dass städtische Bedienstete nur noch jene Mullkübel entleeren, von denen sie dank eingebauter Sensoren wissen, dass sie voll sind? Das Ganze lebt von den Nutzern, Usern oder wie immer man sie nennen mag. Es ist wie in der Rinderhaltung, nur dass Rinder leichter zu berechnen sind. Hier wurden einige Grundüberlegungen, denen sich der Erfolg von Google und Co. verdankt, sehr früh durchgespielt. Kühe fügen sich in vorgegebene Abläufe und Zielsetzungen, lassen sich ihre vitalen Bedürfnisse nutzbar machen.

Surfen Sie im Internet, werden Sie nicht viel anders bewirtschaftet als eine Kuh in einem Milchhochleistungsbetrieb, und zwar durch "Services" eines ganzen Geflechts von Anbietern. Dank Cookies oder auf andere Weise erhobener Daten wird Ihnen dies oder das vorgesetzt, erhalten Sie Zutritt oder auch nicht. Verhalten Sie sich störrisch, dann fallen Sie raus: Kein Kraftfutter mehr. Alles ganz banal. Sie werden buchstäblich ausgenommen, ausgeweidet. Keine Angst! Vorläufig ist das System noch nicht mit mechanischen Gattern ausgestattet, die, sobald ein Programm dies entschieden hat, Ihre Absonderung und Ihren Tod bedeuten. Aber man muss die Technologien der "Vorhersage", mit denen es wir zu tun haben, weiterdenken. Warum sollten nicht in absehbarer Zeit Menschen aus Versicherungen fallen, noch ehe sie erkrankt sind, oder bestraft werden, bevor sie ein Verbrechen begangen haben? Nimmt nicht eine solche Bewirtschaftung des Menschen seinen Tod vorweg? Verschmelzen wir nicht mit Konsumgütern, die leichtfertig weggeworfen werden, ohne daran zu denken, dass für deren Herstellung Arbeit von Menschen nötig war? Längst geht es nicht nur um Internetseiten, die Sie aufrufen. Die Datenerfassung dehnt sich zunehmend auch auf Geräte aus, die im "Smart Home", auch so eine irreführende Wortschöpfung, ganz unmerklich in unseren Alltag integriert sind.

Wir haben es mit einer Megamaschine zu tun, deren Gehirn, um ein Körperbild zu verwenden, Konzerne wie Google und Co. bilden. Wer immer sich ihrer Services bedient, und sei es erzwungenermaßen, geht in dieser Megamaschine auf. Das gilt auch für Zeitungen wie den "Standard" oder andere, die Google und Co. durchaus kritisch sehen können, oder für Künstler, die sich mit der Datensammelwut beschäftigen, gleichzeitig aber auf Facebook, Instagram, Twitter etc. aktiv sind. Duft steigt aus den Fleischtöpfen auf. Aber die Fleischgerichte sind, zumindest auf längere Sicht betrachtet, teuer zu bezahlen. Inzwischen muss ich selbst auf Internetseiten von Freunden Cookies akzeptieren. Kluge Projekte wären mir lieber. Ich verstehe es schon. Nimmt man heute nicht all die Services von Google und Co. in Anspruch, dann existiert man schlichtweg nicht (mehr). Ob man sich durch den Einsatz von Cookies aus der seelischen oder geographischen Pampa befreien kann, scheint mir allerdings fraglich. Sich all dem zu entziehen, das kann sich heute keine Zeitung mehr leisten, auch der "Standard" nicht. Es geht nicht nur um Einnahmen aus Werbeeinschaltungen. Es braucht den medialen Echoraum, im Idealfall ein anschwellendes Stimmengewirr, die Erregung.

Die Kritik darf sich nicht darauf beschränken, dass Konzerne wie Google und Co. aus Daten Gewinne erzielen. Entscheidender ist die parasitäre Ökonomisierung aller Information, allen Lebens, die damit einhergehende Zurichtung und Disziplinierung des Menschen, die Konzentration von Wissen und Macht in den Händen gewinnorientierter Konzerne, nicht zuletzt die Verödung alles Naheliegenden. Google und Konsorten ist es binnen weniger Jahre gelungen, sich das Internet in seiner ganzen Bandbreite dienstbar zu machen. Ich finde es bezeichnend, dass auf Laptops, mit denen Kinder nun ausgestattet werden sollen, Konsumangebote wie Amazon bereits installiert sind, aber genau das fehlt, wozu sie die Geräte eigentlich brauchen, nämlich irgendein Office-Programm, ohne das sich bekanntlich nichts schreiben lässt. Die nach ökonomischen Kriterien organisierte Massenbewirtschaftung mag zwar um Personalisierung bemüht sein, aber sie kennt den Menschen nicht, nicht das Menschliche. Für wirkliche Bedürfnisse vermag sie meist nur Ersatzprodukte zu bieten. Wie viele Nöte ließen sich doch aufzählen, die bei Google und Co. kein Existenzrecht haben.

Google und Co. verwüsten die Welt. All das wird man erst im zeitlichen Abstand deutlicher sehen. Man muss bei banalen Beispielen wie diesem ansetzen: Nicht nur, aber vor allem durch den Onlinehandel sind nahezu alle Metallwarenhandlungen in meiner näheren Umgebung innerhalb weniger Jahre verschwunden. Jedes dieser Geschäfte bildete auch einen sozialen Raum, der der Unterhaltung, dem Klatsch, der Klage über Alltagsnöte, der sozialen Positionierung, nicht zuletzt dem sinnlichen Erlebnis diente. Es gab einen konkreten Ort. Menschen hatten mit Menschen zu tun, oft über Jahrzehnte hinweg. Mit dem Verschwinden all dieser Geschäfte bricht etwas weg, was sich keinesfalls dadurch aufwiegen lässt, dass die im Onlinehandel gekauften Waren etwas billiger sind und zugestellt werden.

Ach ja. Mache ich einige kritische Bemerkungen zu Google und Co., dann wird mir oft genug entgegengehalten, "der Staat" sammle doch viel mehr Daten. Der böse Staat. Der böse österreichische Staat. Das mag für China gelten, aber gewiss nicht für ein Land wie Österreich. Natürlich treffen staatliche Einrichtungen datenbasierte Entscheidungen, wie auch nicht zu leugnen ist, dass Einrichtungen wie das Finanzamt, Sozialversicherungen, Meldeämter etc. Daten austauschen. Im Gegensatz zu Google und Co. interessiert den österreichischen Staat das Privatleben der einzelnen Bürger nicht. Das Finanzamt saugt nicht sämtliche Kontaktdaten ab, die sich in unseren Adressbüchern finden. Was mögliche Eingriffe in die Privatsphäre betrifft, so sind Regulative vorgesehen. Auch verfolgt der Staat mit den gesammelten Daten keine Sekundärinteressen. Er verkauft keine Profile an Versicherungsgesellschaften oder Werbeagenturen. Es wird auch argumentiert, Google sei gratis, der Staat kassiere dagegen ab. Während man dort frei entscheiden könne, zwinge der Staat einem alles auf, im Augenblick etwa das Tragen von Mundmasken oder auch Impfungen. Aber unsere Infrastruktur, in der sich ganz gut leben lässt, ist nicht vom Himmel gefallen. Sie verdankt sich Steuereinnahmen. Als Bürger sind wir Teilhaber des Staates. Teilhaber von Google und Co. sind wir nie und nimmer. Die meisten Menschen sehen das allerdings anders als ich, wähnen sich als Teilhaber von Google und Co.

In den Datenschutzerklärungen von Google und Co. findet sich der neue Gesellschaftsvertrag. Es bedürfte nur weniger Korrekturen. Demokratie, in eine Abfolge von Konsumakten aufgelöst. Alle gegen alle, stets auf den eigenen Vorteil bedacht. Eine Gesellschaft, die nur noch aus Kunden und Konsumenten besteht, in der sich alles, selbst zutiefst menschliche Erfahrungen, in Konsumakte auflöst. Alle wollen an der Tafel sitzen, aber was einer einmal gegessen hat, das kann ein anderer nicht mehr essen. Der heutige Mensch konsumiert seine Unterwerfung. Dass so viele Menschen kaum Probleme mit Cookies zu haben scheinen, endlose Ströme stumpfsinnigster Werbung für fraglichste Produkte über sich ergehen lassen, sich selbst dann eine App herunterladen und anmelden müssen, wenn sie einen Fotoapparat kaufen, sich ohne große Widerstände zu Datenlieferanten degradieren und sich Programme aufzwingen lassen, die ihrer Bewirtschaftung dienen, hat nach Zygmunt Bauman damit zu tun, dass sie sich selbst längst als Waren begreifen, die es auf den Markt zu bringen und zu bewerben gilt, in der Hoffnung, sie (selbst) würden sich verkaufen: "Sie sind Werber und beworbenes Produkt zugleich. Sie sind die Handelsware, deren Vermarktung sie betreiben müssen, sind das Produkt und dessen klinkenputzender Vertreter ... Die Prüfung, die sie bestehen müssen, um zu den begehrten sozialen Belohnungen vorgelassen zu werden, verlangt, dass sie sich selbst als Ware konzipieren: als Produkte, die `aufmerksamkeitsstark' sind, die Nachfrage wecken und Kunden anziehen." Das Bestreben von Google und Co., Daten zu personalisieren, bricht sich im Bedürfnis von Nutzern, die aus einer indifferenten Masse von Menschenwesen herausgehoben sein wollen. Auch die Nutzer neigen zur Personalisierung, sind bemüht um eine digitale Identität, dies umso mehr, je überflüssiger sich Menschen erleben: PERSONALISIERE DEINE MILKA PRALIÉS MIT FOTOS UND TEXT AUF WWW.MILKA.DE/SHOP.

Google und Co. haben sich all das nicht einfach ausgedacht. Das Ganze hat da niemand im Auge, geht es doch stets nur um die Lösung eng definierter praktischer "Probleme", um Marktvorteile und Gewinne. Das Gesamtgesellschaftliche hat da keinen Platz, an mögliche Folgen oder Nebenwirkungen wird nicht gedacht. Google und Co. haben die neue Welt nicht erfunden, sie haben sich nur aufgepfropft, Vorhandenes dienstbar gemacht, nur auf das gesetzt, was ökonomische Vorteile versprach. In diesem Zusammenhang sei an Karl Jaspers erinnert, der schrieb, es sei nicht leicht, den Totalitarismus zu durchschauen: "Er ist wie eine Apparatur, die sich in Gang setzt, indem sogar die Akteure sie oft nicht begreifen, während sie sie schon verwirklichen. Sie scheint ein selbständiges Wesen, wie ein seelenloses, dämonisches Etwas (mythisch gesprochen), das sich aller bemächtigt, sowohl derer, die ahnungslos hineingeraten, als auch derer, die halb wissend, halb nicht wissend es selber herbeiführen. Der Totalitarismus ist wie ein Gespenst, das das Blut der Lebenden trinkt und dadurch wirklich wird, während die Opfer als eine Masse lebender Leichname ihr Dasein fortsetzen." ("Philosophie und Welt. Reden und Aufsätze", 1963) Wir haben es mit einer Eigendynamik zu tun, die sich weder jemand ausgedacht hat, noch jemand in der Lage ist zu kontrollieren. Joseph Conrad hat dies in einem dichten Bild vorweggenommen: Diese Maschine habe sich, so schreibt er, "aus einem Chaos von Eisenschrott entwickelt, und siehe da! - sie strickt. Ich bin entsetzt und erschreckt über die fürchterliche Arbeit. Ich bin der Ansicht, daß sie sticken sollte, aber sie strickt weiter ... Und der wirklich bestürzende Gedanke ist, daß das abscheuliche Ding sich selbst gemacht hat, ohne Plan, ohne Augen, ohne Herz. Ein tragischer Zufall - und er ist geschehen. Man kann sich nicht einmischen. Der letzte Tropfen Bitterkeit ist der Verdacht, daß man die Maschine nicht einmal zerschlagen kann .... Sie strickt uns ein, und sie strickt uns aus. Sie hat Zeit, Raum, Schmerz, Tod, Verderbnis, Verzweiflung und alle Illusionen gestrickt - und nichts ist wichtig. Aber ich gebe zu, daß es bisweilen amüsant ist, dem erbarmungslosen Prozeß zuzuschauen." (Collected Letters)

Jaspers konnte sich den Totalitarismus der digitalisierten Welt, dessen Fratze nun Kontur annimmt, nicht vorstellen. 1981 erschien ein Kursbuch zum Thema "Die erfasste Gesellschaft". Selbst Informatiker waren sich damals nicht sicher, ob sich die Digitalisierung im Privaten durchsetzen würde. Es gab gerade einmal Videokassetten, Teletext und Talkshows, Rasterfahndung. Datenerfassung wurde allgemein mit staatlichen Institutionen oder allenfalls mit Konzernen hinsichtlich ihres Umgangs mit Arbeitnehmern in Verbindung gebracht und als Bedrohung betrachtet. Schon gar nicht konnten sich die Autoren vorstellen, dass in absehbarer Zeit jeder Mensch Tag für Tag und rund um die Uhr Daten abliefern würde, und das mehr oder weniger freiwillig. Einer der Autoren prophezeite die Verwischung von öffentlichem und privatem Raum und folgerte, dies werde mit einer Xenophobie einhergehen. Auch war von "digitaler Sozialverschmutzung" die Rede. - Während wir heute an keinem Ort mehr vor der Protokollierung unseres Verhaltens oder vor einer Rund-um-die-Uhr-Befundung sicher sind und uns die in der dystopischen Literatur des 20. Jahrhunderts beschriebenen Formen von Überwachung geradezu plump erscheinen müssen, haben psychiatrische Krankheitsbilder wie die paranoide Vorstellung, abgehört zu werden, vor einigen Jahrzehnten noch häufig, vollkommen an Bedeutung verloren. Nun tauchen in Verschwörungstheorien neue entsprechende Bilder auf, etwa bei Impfgegnern. All diesen Bildern ist gemein, dass implementiert wird, in den eigenen oder in den gesellschaftlichen Körper. Das lässt sich nur so erklären, dass uns allen Programme, wenn auch ganz anders als behauptet, tatsächlich längst selbst eingepflanzt werden. Cookies werden nicht einfach auf dem Browser abgelegt, uns selbst werden sie implementiert, unserem längst mit Prothesen bestückten Wesen. Mochte sich Jaspers all das auch nicht vorstellen können, seine Ahnung von einem seelenlosen, dämonischen Etwas, "das sich aller bemächtigt, sowohl derer, die ahnungslos hineingeraten, als auch derer, die halb wissend, halb nicht wissend es selber herbeiführen", scheint doch sehr treffend. Google und Co. trinken tatsächlich das Blut der Lebenden.

Auf der Straßenseite gegenüber dem Lokal, in dem ich diese Zeilen schreibe, befindet sich eine Kneipe, in der viele Regeln geltender Moral missachtet werden. Da kann es schon vorkommen, dass die Kellnerin, sie ist etwa fünfzig Jahre alt, einem der zumeist betrunkenen Gäste, nachdem sie ihn hinauskomplementiert hat, vor der Tür eine Tracht Prügel verabreicht. Obwohl ich ein solches Verhalten befremdlich finde, kann ich dem inzwischen etwas abgewinnen. Da gibt es noch so etwas wie ein menschliches Maß. Die Gewalt ist sichtbar. Und wäre es notwendig, jeder Passant könnte einschreiten. Die Gewalt von Google und Co. ist dagegen weitgehend unsichtbar, sie lässt sich nicht einmal Menschen zuordnen. Übrigens kann ich mich nicht erinnern, dass sich je einer der verprügelten Gäste im Lokal gegenüber ernsthaft beklagt hätte. Nicht selten fährt die Polizei oder die Rettung vor. Die verprügelten Gäste scheinen sich vor der Polizei oder der Rettung mehr zu fürchten als vor der Kellnerin. Zumeist suchen sie das Weite, torkeln oder humpeln davon. Jene, die nicht mehr in der Lage sind, sich aus dem Feld zu bewegen, verhalten sich, als hätte das Tatütata nicht das Geringste mit ihnen zu tun, als lägen sie der Bequemlichkeit wegen auf dem Gehsteig.

Keine Angst, ich leide nicht an Verfolgungswahn. Es hätte auf mein Leben nicht den geringsten Einfluss, würde ich alle Cookies akzeptieren. Zumindest was Werbung betrifft, scheinen der Personalisierung enge Grenzen gesetzt. Werbung, sie lebt von Massenprodukten, kann keinen einzelnen Menschen kennen, keinen einzelnen Menschen ansprechen, bestenfalls sogenannte Zielgruppen, Anhäufungen von Menschen, die gewisse Gemeinsamkeiten haben. Ich kann nicht sagen, dass die mir zugespielte Werbung besonders treffsicher wäre. Nur selten lässt sie sich mit meinen Internetbewegungen in Verbindung bringen. Es hat mehr mit dem Ekel zu tun, der mich überkommt. Alles fällt der Ökonomie zum Opfer und bei genauerer Betrachtung scheint es, dass der Mensch nur noch als Konsument gebraucht wird. ALLE COOKIES AKZEPTIEREN. In sich hineinstopfen lassen, hinunterwürgen, nicht viel anders als Gänse, denen gewaltsam Nahrung eingeflößt wird, damit sich eine große Leber entwickelt - die ihren Tod zur Folge hat. Und weil ich all das einzig Ihnen sage, muss ich Sie an unsere Wanderung erinnern, an unseren anstrengenden Aufstieg durch den steilen Hochwald. War es nicht schön, als wir oben auf einem Lärchenboden in der Sonne lagen und uns sagten: "Wir haben unsere Smartphones zurückgelassen. Zumindest heute sind wir keine Kartographen von Google und Co." Lagen wir nicht gut, erzählten wir uns nicht Geschichten, dort, wo ein aufmerksamer Jagdaufseher, ganz weit oben, das Unterholz entfernt hat, um Hirschen oder Gemsen eine Äsfläche oder einen Ruheplatz zu bieten?

Es fordert nicht viel Entschlossenheit, sich all dem (weitgehend) zu verweigern. Es ist ja viel mehr zu gewinnen als zu verlieren. Ich war in den letzten Monaten am Land. So gut wie nie habe ich ins Netz geschaut. Es kostete mich Überwindung, den PC hochzufahren. Was bleibt denn, wenn ich eine Stunde im Netz herumtrottle: eine große Leere, Unzufriedenheit, Ekel. Ich spüre immer mehr, wie viel Energie mir das Netz absaugt, meine Konzentration schwächt, mich auslaugt. Um wie viel kostbarer ist es doch, selbst eine kleine Beobachtung festzuhalten, auf Papier zu bringen und auf dem normalen Postweg einem Freund zu schicken. Verweigert man sich Google und Co., so gut es geht, spürt man bei anderen die zunehmende Sprachlosigkeit, die Verworrenheit der Gedanken, das nie und nimmer zu Ende Gedachte.

Das Verhalten von Zielgruppen lässt sich berechnen und vorhersagen. Davon lebt die ganze Werbeindustrie. Aber so erstaunlich gut all die Programme ausgetüftelt sein mögen, das Leben von Google und Co. vermögen sie nicht vorherzusagen. Ich bin überzeugt: Google und Co. werden stürzen wie das Babylonische Reich. Wann sie stürzen werden, ist freilich eine andere Frage, auch welche Faktoren dabei ausschlaggebend sein werden. Kein Programm vermag das vorherzusagen. Natürlich auch ich nicht, da sich in der ganzen Menschheitsgeschichte kein vergleichbares Beispiel findet. Kein Geheimdienst hat bislang die Dynamik einer Revolution vorhersagen können, trotz all der verfügbaren Informationen. Es lebe der Zufall!

Nachtrag:
Meine Beschäftigung mit Cookies verdankte sich den Mäusen, die unseren Garten unterwühlen. Ich stellte mir die Mäuse als Cookies vor. Das ist gar nicht so abwegig. Auch in der Mäusewelt haben wir es mit einem Netzwerk zu tun, mit einem Geflecht von Röhren und einem regen Datenverkehr. Und wie man sich heute vor bösartigen Angriffen in der digitalen Welt zu schützen sucht, so habe ich um meinen Garten eine Art Firewall gelegt. Mäuse funktionieren nach einem weitgehend festgelegten Programm. Und dieses Programm hat sich in abertausenden von Jahren nicht wesentlich geändert. Mit einer säugetiertauglichen Firewall lässt sich ein Garten ziemlich gut vor Mäusen schützen. Mit einfachsten Mitteln. Aber zu welchen Mitteln man auch greifen mag, Mäuse sterben nicht aus. Das verdankt sich ihrer r-Strategie, also einer unter günstigen Bedingungen sehr hohen Reproduktionsrate. Dagegen gebiert die Cookie-Welt tagtäglich neue Mutationen, um alle denkbaren Abwehrmaßnahmen zu unterlaufen und mit Hilfe weiterer Technologien ganz andere Bereiche für die Datennutzung zu erschließen. Die Mäusewelt ist nicht verlogen. Mäuse geben nicht vor, das Abfressen irgendwelcher Wurzeln geschehe im Interesse des Gartenliebhabers. Mäuse kennen keine Ausreden, sie verweisen nicht auf Drittanbieter oder Partner. Gelobt seien die Mäuse. Wenn sich aber etwas aus der Mäusewelt in die Cookie-Welt übertragen lässt, dann ist es dies: Grenzenloses Wachstum hat auf jeden Fall irgendwann einen Kollaps zur Folge. Meinen Kampf gegen die Mäuse habe ich in diesem Jahr aufgegeben. Sollen sie doch die Knollen der Gladiolen abfressen, die Wurzeln der Löwenmäulchen, sollen doch die Bohnen verdorren, sollen sie sich doch von den Samen der Malven nähren. Aber was bleibt dann? Eine Wüste, die selbst Mäuse nicht mehr zu nähren vermag. Aber was schrieb mir letzthin "Peter von refurbed"? "Mein Baum" werde nun nach einer intensiven Bewässerungsphase eingepflanzt. Die Welt werde besser, so das große Versprechen der Digitalisierung.

© Bernhard Kathan, 2020
[ zur Startseite ]