"Dora: Schöne neue Kuhstallwelt"
Nachbemerkungen zu einem gescheiterten Ausstellungsprojekt
"Was die Schlatters wieder alles zusammengetragen haben!"
Besucherbuch
"Ich weiß schon, dass wir dir viel Geld verdanken, aber hier hast du nichts zu sagen. Das Haus gehört mir."
Helmut Schlatter
"Hausfrauen aller Länder, so ihr leere Tennen habt, vereinigt euch, reicht Kulturprojekte ein!"
Ausstellungsbesucher
"Mit der Kultur ist es (nicht zufällig) wie mit dem Orgasmus: Je verkrampfter man sie betreibt, desto mäßiger fällt sie aus."
Johannes E. Trojer
Mit diesem Ausstellungsprojekt wollte nicht zuletzt gezeigt sein, dass es
trotz bescheidener finanzieller Mittel möglich ist, eine Themenausstellung
zu machen, die inhaltlich gut durchdacht und formal stringent ist. Es galt
auch, die ARTENNE NENZING als innovatives Regionalprojekt zu positionieren,
ist doch klar, dass in absehbarer Zeit nur noch Projekte gefördert werden,
die sich von den zahllosen Veranstaltungen und Ausstellungen, die das ganze
Land überziehen, abheben. Will man die Unterstützung durch die öffentliche
Hand, dann wird es nicht reichen, den Veranstalter zu spielen oder Kunst in
der Tenne zu machen. Da kommt nur irgendwas heraus, was man heute in fast
jedem Dorf sehen kann. Förderungswürdig ist das auf Dauer keinesfalls.
Ich habe noch nie an einem Ausstellungsprojekt so lange gearbeitet. Alles
stand bis in kleinste Einzelheiten fest, die Raumstruktur, die
Themenabfolge, thematische Überlagerungen und Brüche, die jeweils möglichst
kostengünstige Lösung. Ich habe mir so eine Art Wunderkammer vorgestellt, in
der in Pillenformat diese oder jene Blickwinkel geöffnet werden, eine gut
aufeinander abgestimmte Abfolge von Texten, Bildern, Objekten, Filmen wie
Hörgeschichten, all dies stets auf die räumlichen Vorgaben abgestimmt, die
alles andere als einfach sind. Ich dachte an eine zurückhaltende, aber
sinnliche Ausstellung zum Thema Rind, in der die Besucher nicht mit dem
belehrt werden, was sie ohnehin meinen zu wissen. Und trotzdem ist das
Projekt gescheitert.
Zu meinem großen Erstaunen musste ich die Erfahrung machen, dass die ARTENNE
NENZING mich dort nicht unterstützt hat, wo ich ihre Unterstützung nötig
gehabt hätte. Statt dessen wurde zunehmend versucht, meine Arbeit wo nur
möglich zu unterlaufen - und das mit großem Erfallsreichtum. Setzte ich
solchem Bemühen keinen Widerstand entgegen, tendierte das
Ausstellungsprojekt zur Behaglichkeit eines aufgeräumteren Heimatmuseums.
Ein schön aufgeschichteter Brennholzstapel darf da nicht fehlen. Während ich
mit den Aufbauarbeiten ziemlich allein abmühte, waren einige Leute tagelang
damit beschäftigt, Brennholz aufzuschichten. Das greifbare Glücksgefühl
einer gelungenen Ausstellung ging unter in Widerständen. Was Kraft geben
hätte können, und zwar auch meinen Auftraggebern, wurde zu einer
kräftezehrenden Anstrengung.
Es gelang mir nicht, verständlich zu machen, dass eine erfolgreiche
Themenausstellung eine intensive inhaltliche Arbeit voraussetzt, dass
Alltagstheorien nicht genügen, dass es sehr viel Zeit erfordert, eine
Narration wie eine Poetik zu entwickeln, dass es nicht genügt, Räume mit dem
zu füllen, was eben anfällt, zumeist von Bekannten, dass es nicht genügt,
die erstbesten Fotos zu nehmen, dass Dinge, die einem angeboten werden, oft
zurückweisen, dass jeder Text, jedes Objekt, jeder Film motiviert sein muss,
dass man Kinderzeichnungen nicht nur deshalb, weil sie nett aussehen,
irgendwo einfügen kann, dass etwas nur deshalb, weil es schmuck ist, in
einer Ausstellung noch lange nichts verloren hat, dass man
Ausstellungsobjekte nicht nachträglich umgruppieren kann, dass eine gute
Ausstellung mit einer Komposition vergleichbar ist, in der man die
Schlussakkorde nicht einfach an eine andere Stelle setzen kann, dass die
Tätigkeit eines Kurators nach Regeln erfolgt und nichts mit "Kreativität" zu
tun hat, schon gar nichts mit Geschmack, dass es gilt, das
Wahrnehmungsverhalten der Besucher mitzudenken, dass man Räume im besten
Sinn des Wortes als "Räume" und nicht als Präsentationsflächen denken muss,
dass die sinnliche Wahrnehmung einen ständigen Wechsel erfahren muss, dass
es keinen Sinn macht, eine Ausstellung nach dem Motto: "Alles zum Thema Kuh
und an der Wand hängt noch Kunst dazu" zu machen, dass es keinen Sinn macht,
das zu zeigen, was Besucher in einer Rinderausstellung erwarten, dass man
nach guten künstlerischen Arbeiten suchen muss, dass man nicht einfach
Bekannte einladen kann, Kunst zum Thema Rind beizusteuern, dass Kunst eine
anstrengende Sache ist, dass Kunst oft genug weh tut, zumindest irritiert,
Behübschung also nichts mit Kunst zu tun hat, bestenfalls mit künstlerischen
Attitüden, dass es gilt, nach Lösungen zu suchen, die den geringen
finanziellen Mitteln gerecht werden, dass sich Museen ebensowenig
miniaturisieren lassen wie Kunsthallen, eine fehlende Sammlung, fehlende
Ressourcen, fehlende finanzielle Mittel oder auch konservatorische Probleme
sprechen dagegen, dass Urheberrechte ernst zu nehmen sind, dass die Arbeit
an einer Ausstellung nicht mit der Ausstellungseröffnung endet, dass hier
erst ein wichtiger Teil der Arbeit beginnt, dass es nicht genügt, Schüler
als Aufsichtspersonal einzusetzen, dass eine Ausstellung einen sozialen Raum
bildet, der belebt sein will, dass es einer Meta-Theorie bedarf, um die
eigene Arbeit zu reflekieren, dass jede Ausstellung so etwas wie ein
Experiment sein soll, dass man gerade in Regionalprojekten nach neuen
Lösungen suchen muss, dass man bemüht sein soll, das einzulösen, was man in
Förderanträgen behauptet, dass öffentliche Mittel verpflichten, dass man auf
Plastikwörter verzichten soll ("Preview", "Dialogführung" etc), dass man
..., dass man ..., dass man ...
Das Projekt konnte nicht gelingen.
Die ARTENNE NENZING ist als Verein organisiert. Tatsächlich hat man es mit
einer Familie zu tun. Ich ließ mir sagen, das sei deshalb, weil man die
Kontrolle nicht aus der Hand geben wolle. War von Geld die Rede, dann hieß
es oft genug: "Wir müssen so viel zahlen." Gemeint war stets die Familie,
nicht der Verein. Wer die Ausstellungsräume betritt, denkt mit Sicherheit
nicht an die Räumlichkeiten eines Vereins, sondern an das Haus der Familie
Schlatter. Eine Vereinskonstruktion dieser Art ist in mehrfacher Hinsicht
problematisch. Und dann gelten in einer Familie andere Regeln als in einem
ordentlich geführten Verein, in dem die Funktionen aller Beteiligten klar
sind oder zumindest klar sein sollten.
Auf der Internetseite ist von einem Beirat, von Mitgliedern, Experten,
KuratorInnen oder Kooperationspartnern die Rede. Wer keinen konkreten
Einblick hat, wird sich denken, das muss aber ein sehr vitaler Verein sein.
In den ganzen Wochen, in denen ich dort war, ist mir kein externes
"Vereinsmitglied" untergekommen. Im Leitbild ist zu lesen: "Projekte werden
orts- und regionalbezogen entwickelt und orientieren sich thematisch und
inhaltlich an der ländlichen bzw. kleinbäuerlichen Kultur. Sie ist nicht im
Sinne einer historisch-nostalgischen Inventarisierung zu verstehen, sondern
als Ausgangspunkt, um die im Umbruch befindliche Region neu zu denken.
Thematisch kann sich dabei der Bogen von der Architektur bis hin zur Ess-
und Technikgeschichte spannen. Neben international tätigen KünstlerInnen,
KulturwissenschaftlerInnen, Museumsfachleuten und Kulturinstitutionen wird
auch die Zusammenarbeit mit lokalen ExpertInnen angestrebt, die mit ihrem
lokalen Wissen den Regionalbezug herstellen." Leitbilder dienten
ursprünglich der betriebsinternen Orientierung. Heute sind Leitbilder
zumeist zu hohlen Werbephrasen verkommen. Das gilt auch für das Leitbild der
ARTENNE NENZING. Entscheidende, durchwegs private Interessen bleiben
ungenannt. Klaffen Außendarstellung und tatsächliche Interessen auseinander,
so sind Konflikte zwangsläufig vorprogrammiert. Führt man sprachlich ein
Doppelleben, dann wird alles ungenau.
Schlimmer finde ich den Mangel an inhaltlicher Neugier, an Fragen. Alles
scheint bekannt, sieht man einmal von (einflussreichen) Bekannten ab, die es
noch zu gewinnen gilt. Man zeigt, was man hat, die renovierte Tenne etwa,
auf die man stolz ist. Man bemüht die kleinbäuerliche Kultur, verwechselt
infolge mangelnder Beschäftigung Artefakte mit deren Wesen. Ein Bohrloch in
einer gar nicht so alten Mauer kann zu einem Problem werden. Das ist
ungefähr so, als würde jemand einen Tirolerabend mit dem Leben der
bäuerlichen Bevölkerung gleichsetzen. Bei einem solchen Umgang mit Mauern
oder morschen Brettern wird so ziemlich alles missverstanden, was bäuerliche
Architektur ausmacht. Wohl kein Bauer hätte Mühe, in so eine Mauer ein Loch
zu bohren. Ganz anders als im Leitbild behauptet haben wir es mit einer
historisch-nostalgischen Inszenierung zu tun. Nicht zuletzt aus diesem Grund
habe ich einen Widerwillen gegen revitalisierte Tennen und Ställe
entwickelt, gegen Schopplöcher, die ostentativ zur Schau gestellt werden,
gegen morsche Bretter oder alte Mauern, die mit Vergangenheit verwechselt
werden, gegen kalkgetünchte Wände und vieles andere. Da wird ein bäuerliches
Objekt inszeniert, statt bäuerliche Architektur verstanden.
Ich nahm mir vor, sollte das Projekt gelingen, der ARTENNE NENZING meine
Sammlung zu überlassen. Denke ich heute daran, so kommt mir reichlich
komisch vor. Was hätten die Schlatters ausgesucht? Was weggeworfen?
Aufbewahrt hätten sie wohl alle alt wirkenden Objekte, etwa handgeschnitzte,
wurmstichige Plachenzinken. Zweifellos hätten sie mit einem
Rindertransponder nichts anzufangen gewusst, nichts mit Ohrmarken, nichts
mit heutigen Medikamenten, die in der Rinderhaltung zum Einsatz kommen. In
meiner Sammlung hätte sich auch meine Bauernhausdokumentation befunden,
darunter tausende Fotos. All diese Dateien wären wohl im digitalen Nichts
verschwunden. Architektur wie alles andere muss man eben auch lesen lernen.
Wie gerne hätte ich ihnen Jean Cuiseniers "Das Gedächtnis der Karpaten"
geschenkt, eine der besten Studien zur bäuerlichen Architektur. Sinnlos.
Eine wirkliche Beschäftigung mit der Welt der kleinen Bauern, von denen sich
gerade heute einiges lernen ließe, vermag ich ebensowenig auszumachen wie
eine wie immer geartete Auseinandersetzung mit der sich im Umbruch
befindlichen Region. Alles banal, bieder, hübsch, häuslich eben: Man tut,
was man kann und kann, was man tut.
Es sollte eine beeindruckende Sequenz aus einem Chris Marker-Film zu sehen
sein. War nicht möglich. Satt dessen wurde ein Schülerfilm aus der Werkstatt
Helmut Schlatters gezeigt. In Kinderunimanier stellen in diesem Film Kinder
von Erwachsenen eingetrichterte Fragen, etwa: "Warum werden Kühe
inseminiert?" Von Chris Marker zu diesem Film: Das nenne ich einen negativen
Quantensprung. Statt Sammeln Horten, statt Sichtbarmachen Herzeigen. Wo es
an inhaltlicher Auseinandersetzung und Tiefe fehlt, da wird auf Oberflächen
gesetzt, eben auf das Oberflächliche. In dem aus EU-Geldern mitfinanzierten
Umbau der Tenne wurden die Kabelstränge in Kabeltassen zum Verschwinden
gebracht. Beste Schlosserarbeit, nicht gerade billig. In der Nähe meiner
Wohnung hat sich in einer ehemaligen Bäckerei eine Kulturinitiative
eingerichtet. Dort hängen die Kabelstränge sichtbar an den Decken. Dafür
haben wir es mit einem sehr vitalen Projekt zu tun. In der "Bäckerei"
mischen sich nicht nur unterschiedliche Altersgruppen, was heute zunehmend
schwieriger wird, sondern sehr unterschiedliche Bereiche des Kunst- und
Kulturbetriebes. Und das mit sehr bescheidenem Aufwand. Ohne Zweifel wird
die ARTENNE NENZING im nächsten Schritt in Ausstellungsarchitektur
investieren, also nicht in Inhalte, sondern wiederum in Oberflächen.
Auf der Internetseite der ARTENNE NENZING wird man vergeblich nach einem
Text suchen, in dem auch nur ein Projekte auf einer Metaebene reflektiert,
etwa nach einer Ausstellung gefragt wird, was gelungen, was nicht gelungen
ist. Statt dessen liest man schulaufsatzmäßige Texte wie folgenden: "Obmann
und Projektleiter Helmut Schlatter konnte zur Eröffnung der Ausstellung
‚Dora. Schöne neue Kuhstallwelt' zahlreiche Besucher willkommen heißen. Sein
besonderer Dank galt dem Kurator Dr. Bernhard Kathan, der eine sehenswerte
Ausstellung präsentiert. Alle Besucher waren auch vom Umbau der Tenne
überrascht und begeistert zugleich. Obmann Schlatter bedankte sich …" Man
kann vom Umbau der Tenne begeistert sein, aber es war keinesfalls so, dass
alle begeistert waren. Ich habe diese und jene Kommentare gehört. Manchen
hat der Umbau sehr gefallen, anderen weniger, manchen gar nicht, manche
fanden das Ganze unangemessen. Von einem Kulturprojekt würde ich mir
wahrlich differenziertere Texte erwarten. Lese ich, die Ausstellung sei
"sehenswert", dann muss ich an all die Bemühungen denken, eine Ausstellung
dieser Art zu verhindern. Auf der Internetseite ist dagegen zu lesen: "DORA
- sehr erfolgreich. 1145 Besucher". Ganz abgesehen davon, dass mich bei
solchen Zahlenangaben das Zählverfahren interessieren würde, würden mir
einige kritische Anmerkungen zu den Konflikten, die dieses
Ausstellungsprojekt begleitet haben, besser gefallen.
"Die ARTENNE NENZING versteht sich als Plattform für Auseinandersetzungen
mit Kunst und Kultur im ländlichen Raum. Ziel ist es, das Bewusstsein für
das Kulturerbe und dessen Potential für die Zukunft in der Region zu stärken
und einen Zugang zur zeitgenössischen Kunst und Kultur für die regionale
Bevölkerung zu schaffen." Ich wüsste nicht, welchen Sinn es machen sollte,
den Menschen des Walgau Kunst zu vermitteln, mangelt es doch in der Region
nicht an wesentlich besseren Angeboten. Bludenz, Feldkirch, Vaduz, Dornbirn,
Bregenz, Winterthur, St. Gallen sind in kürzester Zeit zu erreichen.
Die praktische Seite dagegen ist mir nur zu verständlich. Kunst in der Tenne
ist eine dankbare Sache: Man muss man sich nicht besonders anstrengen, mit
nichts genauer befassen. Mühelos lassen sich Künstler und Künstlerinnen aus
dem Bekanntenumfeld einladen. Es gibt ja genug, die nach einem
Ausstellungstermin gieren. Man gebe ein Allerweltsthema vor und die
Eingeladenen liefern Arbeiten mit den entsprechenden Titeln ab. Auch mit dem
Aufbau hat man wenig Mühe. Schließlich wird man noch durch das Vergnügen
belohnt, dass die eingeladenen Künstler dankbar sein müssen. Und dann darf
man noch den Kunstbeflissenen mimen. Ich habe nichts gegen Leute, die stolz
auf ihre schmucke Tenne sind, die bemüht sind, unnötige Bohrlöcher zu
vermeiden, die sich um morsche Bretter kümmern oder Kabelstränge in
Kabeltassen versteckt wissen wollen, auch nicht das Geringste gegen
Ausstellungen, die nach Geschmack organisiert sind. Aber dann soll man auf
Kuratoren verzichten, soll man nicht länger von sich behaupten, ein
ambitioniertes Regionalprojekt zu betreiben. Geschmack und Behübschung gibt
es in unserer fengshuiverseuchten Welt genug.
Zweifellos zählen die Ausstellungseröffnungen mit ihren Dankesreden zu den
Höhepunkten der ARTENNE NENZING. Neben einigen einleitenden Sätzen
wiederholen sich solche Reden ziemlich gleichlautend. Man muss
gegebenenfalls nur einige Namen austauschen. Nicht zufällig fällt mir an
dieser Stelle der 1991 verstorbene Johannes E. Trojer ein, ist doch sein
Lebenswerk als eines der stringentesten Beispiele gelungener Regionalarbeit
zu betrachten. Trojer war neugierig, rieb sich an der Welt, redete den
Leuten nicht nach dem Maul, hielt nichts von geschmäcklerischer Kunst,
förderte andere. In seinen "Notizen für eine Dorferhebung" ordnete Trojer
Aussendungen der Gemeinde in chronologischen Rubriken und machte so
deutlich, dass Jahr für Jahr in fast gleichlautenden Sätzen die
"funktionierende Dorfgemeinschaft" behauptet wird. Würde man die
Eröffnungsreden in der ARTENNE NENZING (nicht nur diese) in ähnlicher Weise
ordnen, das Ergebnis fiele wohl nicht viel anders aus. Je höher die
angesprochene Person, umso länger fallen die Dankesworte aus. Die Bedankten
bedanken sich dann ihrerseits. Eine so gute Theaterminiatur, die zudem noch
einen tiefen Einblick in das Seelenleben des Landes wie der Provinz gibt,
ist billiger nicht zu haben. Allein deshalb kann ich eine Eröffnung in der
ARTENNE NENZING nur empfehlen.
Allerdings musste ich während der Eröffnung der Rinderaustellung an jene
denken, die bei solchen Anlässen, ihrer faktischen Bedeutungslosigkeit
wegen, unbedankt bleiben. Ich dachte etwa an die beiden Asylanten, die
während des Ausstellungsaufbaus für ein Taschengeld Drecksarbeiten zu
erledigen hatten. Einer der beiden, ein schon älterer Herr mit traurigem
Gesicht, war die längste Zeit damit beschäftigt, Dreck von Wänden, Balken
und Decken zu bürsten. Eine sehr staubige Angelegenheit. An eine
Schutzbrille oder eine Atemmaske dachte niemand. Aber wie hätte man auch
darauf kommen können, erlebt man sich doch als sozial. Deshalb hielt sich an
diesem Abend meine Begeisterung in Grenzen. Bereits in den Tagen zuvor
fühlte ich mich diesen Asylanten näher als den Schlatters. Noch heute
bedauere ich es, die beiden nicht ein einziges Mal zu einem wirklich guten
Essen ins dörfliche Gasthaus eingeladen zu haben. Helmut Schlatter dankte
auch mir, zwar etwas beiläufig, meinem Engagement wie meinen Anstrengungen
überhaupt nicht angemessen, aber immerhin. Das gehört sich für einen
begabten Dankesredner. Er meinte, ich hätte gesagt, die Ausstellung sei
nicht wichtig. Leider vergaß er den Nachsatz zu erwähnen. Ich meinte, dass
einer Ausstellung dieser Art eine mediale Funktion hinsichtlich möglicher
Diskussionsprozesse zukomme. Wenn auch in einem anderen Sinn, so hat sich
Helmut Schlatter diese Bemerkung doch zu Herzen genommen. Er betrachtete die
Ausstellung als Gelegenheit, das eigene Projekt ins beste Licht zu rücken.
Tatsächlich: Die Ausstellung war nicht wichtig!
Das Projekt konnte nicht gelingen. Die Vorstellungen lagen zu weit
auseinander, etwa so weit wie jene eines Karl Heinrich Waggerl von denen
eines William S. Burroughs oder jenen eines Johannes E. Trojer.
Bernhard Kathan, 2010/2011
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