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In der Fortpflanzungsmedizin kulminieren nahezu alle ethischen Probleme der
Biotechnologie. Mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik lassen sich
bestimmte genetisch bedingte Erkrankungen vermeiden. Aber man muss nur etwas
weiterdenken, und schon werfen sich ganz andere Fragen auf. Man kann sich
etwa fragen, welche Folgen die umfassende Medikalisierung eines von Experten
nach ökonomischen Kriterien bewirtschafteten Lebens für die Gesellschaft wie
den einzelnen Menschen hat. Aber wie lassen sich Laien zumindest einige der
damit verbundenen ethischen Probleme vermitteln? In einer Ausstellung ist
all das nur in einer Art Pillenform möglich. Bedauerlicherweise wurde
manches von der zuständigen Verwaltungsbehörde gestrichen. Die Abtreibung
durfte wie die Pränataldiagnostik mit ihren Spätaborten nicht thematisiert
werden. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Reproduktionsmedizin
dem Sexuellen zugeordnet wird. Eine Kollegin aus dem Museumsbereich meinte
spöttisch, jetzt befänden wir uns in der „Erotikabteilung“. Was für ein
Missverständnis! Die moderne Reproduktionsmedizin hat – wie bereits von den
frühen Eugenikern gefordert – Fortpflanzung und Geschlechtsliebe endgültig
entkoppelt. Sie hat die Gebärmutter, Ivan Illich sah dies sehr früh, in eine
Art „pränataler Parkgarage“ verwandelt. Eine Kollegin beklagte, dass die
Vasektomie unerwähnt geblieben sei. Fortpflanzung ginge doch Mann und Frau
etwas an. Nun, der weibliche, nicht der männliche Körper bildet den
Austragungsort der Reproduktionsmedizin. Soviel zur einen Seite. Die andere
drängte sich durch die Festungsanlage selbst auf. Sieht man von einem
Nebentrakt ab, in dem zeitweise Dirnen untergebracht gewesen sein sollen,
war die Festung 160 Jahre lang einzig dem männlichen Geschlecht vorbehalten.
Solche Orte haben ihre eigenen sexuellen Phantasien zur Folge. Bereits das
Bauwerk mit seinen zahllosen Gewölben und Öffnungen ließe sich mühelos in
der Metaphorik des Sexuellen deuten, als Phantasma männlichen Gebärens,
mochte all das auch ins Sachliche, ins Maschinelle umgeleitet worden sein.
Und wie in der Reproduktionsmedizin die Technik den Körper nicht nur rahmt,
sondern auch zurichtet, so hat diese Festung, ich habe sie stets als
Maschine gedacht, die Körper der sich darin bewegenden Männer nicht nur
gerahmt, sondern auch zugerichtet, nicht viel anders als dies mit dem jungen
Leutnant Giovanni Drogo in Dino Buzzatis Roman „Die Festung“ geschieht.
Die konzipierte Objektabfolge: Wachsmoulage, die Folgen einer Abtreibung mit
Stricknadel zeigend; um 1900. Sammlung: Pathologisch anatomisches
Bundesmuseum, Wien. Text. Präsentation: Flachvitrine / Quick, 4. November
1970, Cover: „100 Prozent Sicherheit für die Frau. Tatsachenbericht.
Sexualmord in Deutschland“, Frauenmuseum Meran. Aktuelle Pillenpackung des
Unternehmens Bayer Schering Pharma. Präsentation: Flachvitrine Fortsetzung /
Heute gebräuchlicher Verhütungskoffer. Österreichische Gesellschaft für
Familienplanung. Text. Präsentation: Flachvitrine Fortsetzung / Maria
Winter, Abtreibung oder Verhütung der Schwangerschaft, o. A.; Ludwig
Haberlandt, Die hormonale Sterilisierung des weiblichen Organismus, Jena
1931. Text. Präsentation: Flachvitrine Fortsetzung / Schlafzimmer aus den
1960er Jahren. Private Leihgabe. Text. Präsentation: freistehend. /
Schwämmchen; historische Spritze, wie sie Lazzaro Spallanzani bei seinem
Besamungsexperiment verwendet haben könnte. Sammlung: Pathologisch
anatomisches Bundesmuseum, Wien. Text. Präsentation: Flachvitrine /
Totgeburt, anencephale Missbildung, Hydrocephalus. Sammlung: Anatomisches
Museum Innsbruck. Text. Präsentation: frei stehend auf Flachvitrine / „Die
Entwickelung des Menschen vor der Geburt“, Leporello aus: Oskar Hoffmann
u.a. (Hg.), Universum des Himmels, der Erde und des Menschen,
Dresden-Radebeul und Leipzig 1910. Text. Präsentation: Flachvitrine
Fortsetzung / „Kindstötung“, Illustration aus einer französischen
Handschrift, 15. Jahrhundert. Text. Präsentation: Flachvitrine Fortsetzung /
„Wickelkind“, Cartapesta, farbig gefasst, Glasaugen. Süditalien, Ende 18.
Jahrhundert. Sammlung: H. Mayr. Text. Präsentation: Flachvitrine Fortsetzung
/ „Was gibt es Schöneres als anderen ein Kind zu schenken“, Folder. Hidden
Museum in Zusammenarbeit mit dem Anderen Heimatmuseum, 2007. Text.
Präsentation: Flachvitrine Fortsetzung / Serie von Mariendarstellungen.
Entstehungszeit und Herkunft unbestimmt. Sammlung: Diözesanmuseum Hofburg
Brixen. Text. Präsentation: hängend in großer Glasvitrine / Artavazd
Pelechian: Das Leben, 1993, 7’, experimenteller Dokumentarfilm.
Präsentation: Monitor vor Hockern in Nische.
Bernhard Kathan 2009