Geburt, Partus.
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Da die Natur die Ordnung liebet, so hat sie sowohl denen Menschen, als denen
anderen Thieren eine gewisse Zeit der Geburt bestimmet. Die Ursache, welche
die Mutter zur Geburt nöthiget, ist von der Leibes=Frucht selbst
herzuleiten. Denn es ist bekannt, daß diese in der Gebär=Mutter Kugel=rund
zusammen sietzet, indem sie nemlich mit dem Kinne die Brust, und mit denen
gebogenen Füssen die Arsch=Backen berühret, und zwar der Gestallt, daß der
Kopf den obern, die Füsse aber den untern Theil der Gebär=Mutter einnehmen.
Indem also das vollkommen gebildete Kind in diejenige Leibes=Grösse
erwachsen, welcher die nur gedachte Krümmung des Cörpers und die gezwungene
zusammen gezogene Gestallt beschwerlich fällt, so bemühet es sich ein
anderes Lager zu suchen, und da es sich zu wältzen anfänget, so fället es
mit dem Kugel=runden Kopfe und mit grosser Gewalt in den Mutter=Halß und das
Becken, dahero es geschiehet, daß der schwangern Mutter ihr Bauch ein wenig
ausgedehnet wird, und einige Beschwerlichkeit beym Urin lasen und bey denen
Stuhl=Gängen, wie nicht weniger einiger Lenden=Schmertz entstehet. Befindet
sich das Kind nun in solchem Zustande, so beschweret es zum Theil mit seinem
Gewichte den Mutter=Halß und die geöffnete Mutter=Mündung, Theils
verursachet es durch sein Stossen und seine eigentliche Bewegung der
Gebär=Mutter und seiner leiblichen Mutter grosse Beschwerung und Verdruß,
und nöthiget also die Mutter zur Geburt.
Es sind einige, welche die gezwungene Krümmung der Leibes=Frucht nicht vor
die Ursache der Geburt annehmen wollen, und zwar aus folgenden Gründen: 1)
weil man einig und allein auf den Willen des höchsten Schöpffers sehen
müsse, welchem es also gefallen hätte, daß die Frucht nach neun Monathen
ihren Ausgang suchen sollte. Man muß zwar freylich vor dem göttlichen Willen
alle Ehrerbietung haben; allein da uns auch dieser befiehlet, daß wir mit
unserer gesunden Vernunft die natürlichen Wahrheiten untersuchen sollen, als
scheinet es nicht unrecht gethan zu seyn, diejenigen natürlichen Ursachen
der Geburt anzuzeigen, welche dem göttlichen Willen beykommen; 2) weil die
Frucht wegen des Athems ihr Behältnis verlassen muß, indem sie nicht länger,
ohne Gefahr zu erstücken, der Luft entbären könne. Allein man kann nicht
sehen, wie ein Kind, welches die Krafft und Gewalt der Lufft niemahls
empfunden, selbige so sehnlich verlangen könne, daß es deswegen seinen
Aufenthalt verlassen solle, zumahl da bekannt ist, daß, wenn die Kinder mit
ihrem Häutlein bekleidet sind auf die Welt gekommen, selbige ohne Othem und
Lufft zu Weilen lange Zeit gelebet; 3) weil die reiffe Frucht, wegen Mangel
der Nahrung, und weil die Mutter=Gefässe zur selbigen Zeit trocken würden,
den Ausgang suche, und gleichsam wie eine andere reiffe Frucht abfalle. Was
aber vom Mangel der Nahrung, wie auch von der Zusammenzühung und Trockene
der Mutter gemeiniglich vorgebracht wird, ist gäntzlich falsch. Denn gleich
wie man unmittelbar nach der Geburt keine Trockene in der Gebär=Mutter,
welche voller Feuchtigkeiten ist, antrifft, also hat auch die Mutter keinen
Mangel an Nahrungs=Safft, als welcher nach der Geburt in denen Brüsten die
Milch machet, welche dem Kind viele Monathe zur Nahrung dienen muß. 4) Weil
der Safft des Schaff=Häutleins allmählig an zu faulen fienge und also dem
Kinde verdrüßlich, der Gebär=Mutter aber schädlich, so würde solcher
Gestallt die Geburt befördert und verursachet. Da man aber die Fäulung
dieses Safftes nicht beweisen kann, sondern vielmehr aus oben angeführten
erhellet, daß er eine löbliche und die Frucht nährende Feuchtigkeit sey; als
scheinet dieser Einwurff wenigen Grund zu haben. 5) Weil die Frucht vor dem
dünnen und flüssenden Nahrungs=Saffte einen Ekel bekäme, so suche sie einen
stärckern, und befördere also die Geburt. Allein die Erfahrung lehret, daß
zuweilen geborne Kinder sich ein gantzes Jahr, ohne den geringsten Brey, von
blosser Mutter=Milch nähren, welche doch auch keine starcke und dicke
Nahrung, sondern nur ein dünner Safft ist. 6) Weil der Unrath, so sich in
denen Därmen des Kindes häufig gesammlet, demselben Grimmen verursache, so
sey es kein Wunder, wenn das auf unterschiedene Art belästigte Kind seinen
Ausgang sucht. Daß aber auch dieses nicht die wahre Ursache der Geburt sey,
lehren diejenigen Kinder, welche offtermahls einen und den andern Tag, nach
der Geburt, allererst gedachte Unreinigkeiten von sich geben.
Daß dem menschlichen Geschlechte eine gewisse Zeit zu gebären bestimmet sey,
lehret nicht nur das Vieh, welches nach aller Philosophorum Meynung seine
gewisse Zeit zu gebären hat, sondern auch die Menschen selbst, sintemahl die
Erfahrung bezeuget, daß alle Weiber in der gantzen Welt 9 Monathe schwanger
gehen und nach Verflüssung gedachter Zeit endlich die Frucht zur Welt
bringen, ob man schon, die Wahrheit zu bekennen, nicht die Zeit gar zu gewiß
bestimmen und sagen kann, sondern gleichwie eine natürliche Geburt nicht
leicht vor der 38. Woche zum Vorschein kömmt, also wird schwerlich eine über
40. Woche ausbleiben. Daß offtermahls vor und nach der gewöhnlichen
Geburts=Zeit Leibes=Früchte auf die Welt kommen, bezeugen so wohl die
frühzeitigen, als die über die Zeit verhaltenen Geburten, da aber dieses
wiedernatürliche Geburten sind, als darf man von selbigen nicht auf
natürliche schlüssen. Eine Frucht, welche in dem 5. 6. oder 7. Monat geboren
wird, ist unreiff und unzeitig, welches ein jeder wird leichtlich einsehen
können, Allein darwider wird eingewendet, daß man Geburten von 5 oder 6
Monathen, welche doch vollkommen sind, und an denen man nichts
Unvollkommenes finden kann, darauf aber dienet zur Antwort, daß gemeiniglich
Schelmerey darhinter stecke; denn dieses Weib ist gewiß vor dem gewöhnlichen
Hochzeits=Tage entweder mit dem Bräutigam oder mit einem andern zu Bette
gegangen, ob sie solches schon beständig läugnen will.
Das Kind selbst träget zur Geburt viel bey, indem es sich selbst, besonders
mit denen ausgestreckten Füssen, den Ausgang nach Wunsch bereitet,
vornehmlich, da die Knochen des Haupts, welche schlapp aneinander hängen,
sich nach denen engen Wegen richten, dahero wenn die Frucht entweder allzu
schwach oder wohl gar tod ist, so muß die Geburt nothwendig entweder sehr
schwer ablaufen oder wohl gar die greisende Frau töden. Bey einer
natürlichen Geburt hat die Weh=Mutter nicht viel zu thun, indem sie nur die
Frau gehörig setzen, derselben dicke Schenkel von denen beystehenden wohl
auseinander zühen und halten, und über dieses mit ihren Fingern, welche sie
zuvor mit Poumade, oder weissem Lilien= oder einem anderen Oele
eingeschmieret, die Mutter=Scheide gelinder von einander zühen und die
innestehende Geburt mit ihren Händen anfassen und heraus zühen, nach diesen
aber die Nabel=Schnur und die Mutter=Kuchen zugleich gelinde nachzühen muß.
Ob es schon sehr selten geschiehet, daß die Frucht ohne Schmertzen zur Welt
komme und die Beschwerungen der Geburt die schwangere Frau der Gestallt
überfalle, daß keine Zeit da sey, die Kinder=Mutter holen zu lassen, sondern
sie das Kind verschütte, daß sie nicht wisse, wie sie darum gekommen. So ist
doch gemeiniglich und ordentlicher Weise bey aller und ieder Geburt bald
grosse bald geringe Angst und Schmertzen anzutreffen, und müssen die
greissende zu 4 bis 6 Stunden arbeiten.
Indessen hat man bey der Geburt die Zeiten wohl zu beachten, denn zu Weilen
sind zwar Wehen da, aber deswegen setzet man die Frau noch nicht, sondern
durch diese Wehen geschiehet erstlich die Oeffnung der Gebär=Mutter in der
Grösse eines Göldens und noch grösser und weil sich zur selben Zeit die
Gebär=Mutter in die Mutter=Scheide begiebet, als lässet sich die gedachte
Oeffnung gar leichtlich durch einen in die Mutter=Scheide gesteckten Finger
fühlen. Allein sie wird nicht leer angetroffen, indem eine mit Wasser
angefüllte Blase sich vor dieselbig setzet, das ist ein Theil des Geburts=
und Schaff=Häutleins, so mit seiner natürl. Feuchtigkeit dem Liquore Amnii,
angefüllet ist, fället in die Mutter=Scheide und kann man nicht weit davon
einen Theil der Frucht selbst fühlen. Natürlicher Weise ist dieser Theil
nichts anders als der Kopf des Kindes, und fühlen über dieses die
Weh=Weiber, oder andere, welche dieser Sachen kundig, indem sie mit dem
Finger herumfahren, das Lager der Frucht. Zu Weilen dauern die
Geburts=Schmertzen 12 bis 18 Stunden, auch wohl gar einen und den andern
Tag, der Gestallt, daß die Weiber, wenn sie so lange sietzen müssen,
ungemein abgemattet werden, und dahero sich offtmahls genöthiget sehen, sich
in das Bette zu legen; Wenn sie sich nun wieder zu Bette legen müssen, so
geschiehet es, daß alsdenn das Kind, welches schon ziemlich weit gekommen,
wieder zurücke gehet. Denn mannigmahl ist das Kind schon bei denen
Scham=Leffzen, bricht aber dennoch nicht durch, wird nun die Frau von dem
Stuhle weggenommen, zühet sie nothwendig die dicken Beine, welche auf dem
Stuhle von einander gehalten werden, wiederum zusammen, und treibet das Kind
wiederum zurücke und martert sich so eine Frau offt zu 5 biß 6 Tagen,
wodurch sie endlich mit dem Kinde abgemattet wird, so daß auf diese äußere
Schwäche endlich der Tod sowohl des Kindes, als auch der Mutter selbst
erfolget; Ja obschon zur selbigen Zeit ein schwächliches Kind noch zur Welt
kommt, so muß doch gemeiniglich die Mutter, wegen darauf folgender starcken
Blut=Stürzung den Geist aufgeben. Dahero die Geburt zuweilen nicht nur
schwer, sondern offtmahls auch tödlich wird. Die Ursachen, welche eine harte
und schwere Geburt zu Wege bringen können, liegen entweder an der Gebärerin,
oder an der Frucht, oder endlich auch an der Weh=Mutter.
Daß die engen Wege, durch die das Kind gehen soll, vielmahls die Ursache
einer schweren Geburt sind, wird niemand leichtlich leugnen können. Denn
gleichwie die Geburts=Glieder derer Weibs=Personen und das Becken von
unterschiedener Weite angetroffen wird, also entstehet daher bey der Geburt
ein grosser Unterscheid. Was demnach die Enge des Beckens anlanget, so sagen
davon unsere Teutschen Weiber, sie sind enge geschlossen: dieses aber kommt
erstlich von denen ungenannten Beinen, da denn diese Ursache mehr natürlich
ist. Wenn demnach das Becken von denen ungenannten Beinen enger, als
natürlich seyn soll, geschlossen ist, so wird auch bey denen jüngsten Mägden
die Geburt schwer, ja zu Weilen gar tödlich. Denn ob schon bey diesen die
Knorpeln noch schlüpfrich sind, so kann doch das Becken, in Ansehung der
Grösse des Kindes nicht der Gestallt auseinander gedehnet werden, daß es die
starcke Geburt durchlassen sollte, oder ob es auch schon so weit aus
einander gebracht würde, so geschiehet doch solches nicht ohne die grösseste
Arbeit und starcke Abmattung der greissenden Frau. Dahero kömmt es, daß die
meisten alten Jungfern, wenn sie heurathen und Kinder kriegen, gemeiniglich
harte und schwere Geburten ausstehen müssen. Denn die Knorpel, welche die
ungenannten Beine mit einander vereinigen, werden gemeiniglich bey
anwachsenden Jahren beinern, der Gestallt, daß sich hernachmahls fast durch
keine Arbeit, wenigstens sehr schwerlich das Becken ausdehnen, und die
unbenannten Beine sich von einander bringen lassen. Anderns von häufigem
Fette; denn von fetten Weibs=Personen ist bekannt, daß sie fast alle Zeit
schwere Geburten auszustehen haben: angesehn sich bey denselbigen viel Fett
sammlet, und zwischen die Beine des Beckens leget, dahero dasselbige
ungewöhnlich enge machet, daß es hernach bey der Geburts=Zeit nicht weit
genug ausgedehnet werden kann.
Das allzu enge Becken zu erweitern, brauchet man unterschiedener Mittel.
Dahero zur selbigen Zeit die Weh=Mutter gemeiniglich die Mutter=Scheide mit
weissen Lilien= oder einem andern Oele, oder mit Pommade und dergleichen
einschmieren und erweichen muß, damit hernachmahls, wenn die Arbeit angehet,
die eingeschmierte und schlüpfrich gemachte Mutter=Scheide ohne Zerreissung
sich sattsam ausdehnen könne. Oder mit einer andern solchen Salbe, um die
Knorpel zu erweichen, oder man lasset die Wöchnerin ein Bad von erweichenden
Kräutern brauchen, damit sich hernachmahls die erweichten Knorpel desto
besser voneinander geben mögen. Allein da auch diese Sachen nicht alle Mahl
helffen wolle, muß die Weh=Frau die Hände so weit, als möglich, in die
Mutter=Scheide stecken, und damit die unbenannten Beine auswärts drehen.
Der unterste Theil der Mutter=Scheide ist an dem Mast=darme angewachsen,
wenn demnach dieser voller Faeces sticket, so muß nothwendig die
Mutter=Scheide enge werden, so, daß sie sich hernachmahls bey der Geburt,
wegen wiederstehender Faeces auseinander zu gehen nicht vermögend ist.
Dahero man auch zur selbigen Zeit die Geburt mit einem Clystier erleichtert
und befördert; Offtmahls schwellen einige Tage vor der Geburt die
Schaam=Lefftzen wohl einer Faust groß auf, dawieder man in Wein gekochte
Kräuter brauchet, und gedachte Theile damit bähet, oder selbige mit
Weyrauch, Mastix, etc. räuchert, oder mit Campher vermischte Kräuter=Säckgen
darauf leget. Ob nun wohl diese oder andere dergleichen Mittel gar starck
die Geschwulst zertheilen, werden sie doch offt vergeblich gebrauchet, und
alsdenn müssen wir die Geburt annehmen, wie sie kömmt, nur soll die
Weh=Mutter, so viel als möglich, die Schaam=Lefftzen auseinander zühen, und
so viel an ihr ist, die Geburt erleichtern.
Natürlicher Weise springen kurtz vor der Geburt die Wasser, und machen die
Wege schlüpffrig, und daß sich selbige hernachmahls desto mehr ausspannen
können; wenn nun aber gedachte Wasser allzu zeitig und etliche Tage vor der
Geburt springen, so muß die Geburt nothwendig schwer werden, angesehen die
Geburts=Glieder gar zu trocken, und des Weines Schooß allzu enge bleibet.
Das Kind kann anderns auch auf unterschiedene Art die Geburt schwer, ja
offtermahls auch wohl gar, in Ansehung der Mutter, tödlich machen.
Ferner hat man auch auf die Nabel=Schnur zu sehen, dahero wenn sich selbige
um denjenigen Theil des Kindes geschlungen, mit welchem es heraus will, muß
man die Geburt nicht annehmen, weil dadurch die Nabel=Schnur kürtzer wird,
und ohne Zweifel zerreissen, und zu einer starcken Blut=Stürtzung
Gelegenheit geben, man auch solcher Gestallt die gebährende Frau in die
grösseste Lebens=Gefahr setzen würde, derohalben vielmehr die Weh=Mutter
sich bemühet die Nabel=Schnur weg und zurücke zu legen. Was die übrigen
üblen Lagen der Nabel=Schnur betrifft, da sich selbige um den Halß, Hände
oder Füsse schlinget, muß man selbige dem Glück überlassen, indem man sie
weder zu erkennen noch zu verbessern vermögend ist.
Oeffnet sich aber die Mutter über die gehörige Grösse, so stecket man ein
paar Finger hinein, fähret damit um den Rand herum, und untersuchet also,
welcher Theil des Leibes zuerst heraus will? Ob der Hintere, der
Schmeer=Bauch, der Kopf, die Hände, oder die Füsse? etc. Fühlet man den
Kopf, so bringet dieses sowohl der Gebärerin als denen umstehenden grosse
Freude, denn wenn es heisset, das Kind stehet gut, so wird alles lebendig im
Hause, ob sich schon die Geburt noch 8 oder mehr Stunden verzühet. Wenn
hingegen ein Arm, ein Fuß, oder die Nabel=Schnur sich fühlen lässet, so
erhellet daraus, daß das Kind übel liege, zumahl, wenn die Hände oder Füsse
aus der Gebär=Mutter schon hervor hangen. Ob aber das Kind mit dem Hintern
oder mit dem Schmeer=Bauch kommen will, kann man nicht wissen, indem selbige
nicht zum Vorschein kommen. Ueber dieses muß man auch auf des Kindes
Beschaffenheit sehen, ob solches starck, schwach oder gar tod sey. Wenn das
Kind gestorben ist, überfället die Mutter eine Kälte, und fast ein rechter
Schauer. Ueber dieses bekommt sie einen drückenden Schmertz in der
Gebär=Mutter, es ist, als wenn ein Stücke Bley darinnen liege, so mit der
Gebär=Mutter hinfälle, wohin sich solches neiget.
Zu Weilen gehet aber die Geburt nicht von Statten sondern bringet die Mutter
oder das Kind um das Leben, dahero zur selben Zeit die Weh-Mutter das Lager
verändern muß. Denn wenn der Hintere so lieget, daß man das dicke Bein
fühlen kann, so liegen die Füsse unten, und kann das Kind am besten gewandt
werden, daß die Füsse zur Geburt kommen. Denn auch mit denen Füssen ist die
Geburt anzunehmen. Wenn man aber über dem Steisse den Rücken ergreiffen
kann, lässet sich das Kind noch besser wenden, und kann man gar leichte
machen, daß es mit dem Kopffe geboren werde. Offtermahls will das Kind mit
denen Aermgen heraus, dabey man aber alle Sorgfallt anzuwenden hat, daß
solches, wo möglich, verhindert werde. Denn ohne Wendung gehet die Geburt
nicht von Statten, und wenn ein Aermgen ein Mahl geboren, so ist es schlimm
wieder hinein zu bringen. Wenn demnach die Weh=Frau die Hand fühlet,
schiebet sie solche wieder zurück, und lässet sie nicht zur Geburt kommen,
ist sie aber bereits geboren, suchet sie solche wieder hinein zu bringen,
gleichwie aber offtmahls dieses nicht geschehen kann, so muß sie alsdenn mit
ihrer Hand das gantze Kind bey denen Achseln ergreiffen und zurücke
schieben. Will das Kind mit dem Schmeer=Bauche heraus, verursachet es nicht
allein eine schwere, sondern auch unmögliche Geburt, indem mitten an dem
Schmeer=Bauche die Nabel=Schnur hänget, wie man aber zur selben Zeit das
Lager des Kindes verändern solle, und ob es besser sey, mit dem Kopffe oder
den Füssen die Geburt anzunehmen, muß man der Weh=Mutter überlassen.
Offtermahls lieget das Kind queere in der Gebär=Mutter, in welchem Falle
eben diejenigen Vorsichtigkeiten, in Ansehung der Wendung zu beobachten
sind, welche nur angeführet worden, das ist, die Kinder=Mutter muß
beurtheilen, ob sie leichter den Kopff oder die Füsse kriegen und annehmen
könne.
Hernach soll man, wenn es möglich ist, die Frucht selbst untersuchen, und
wenn man einen Theil davon habhafft werden kann, z. E. die Schläffe, so muß
man fühlen, ob noch die Puls=Adern schlagen, und wenn das Kind verkehrt
lieget und eine Hand oder Fuß aus der Mutter hervor stecket, muß man an
denenselbigen gleich Falls nach dem Pulße fühlen, und wenn man nur den
allergeringsten wahr nimmet, urtheilen, daß das Kind noch lebe. Kann man
aber gar nichts mehr davon empfinden, so entstehet kein geringer Argwohn,
daß das Kind gestorben sey, wiewohl man auch nicht sogar gewiß darinnen seyn
soll, sondern zuvor die Füsse, Hände und dergleichen Theile harte anrühren,
zuppen und also untersuchen muß, ob noch einige Empfindung zurücke sey,
fehlet nun diese auch, so werden wir in unserer Meynung verstärcket, und
glauben sicher, daß das Kind tod sey. Ob man nun auch schon dabey auf den
unterschiedenen Grad der Wärme zu sehen hätte, und aus der Kälte, wenn
nemlich die Frucht im Mutter=Leibe kalt anzufühlen wäre, auf des Kindes Tod
schlüssen könnte, so ist doch solches ein ungewisses Kennzeichen, sintemahl
das Kind alle Zeit, so lange es in der lebendigen Gebär=Mutter befindlich,
warm anzufühlen seyn wird.
Wenn also das Kind tod ist, so kann es die Mutter durch keine Arbeit weg
bringen, sondern man muß es mit Hülffe des Chirurgi entweder gantz oder
Stück=Weise wegnehmen lassen. Dieses ist aber nicht eine beschwerliche,
sondern auch höchst gefährliche Arbeit, bleibet aber das tode Kind gar im
Mutter-Leibe sitzen, so faulet es endlich darinnen, und bringet seine Mutter
auch mit um das Leben. So verhält es sich auch, wenn das Kind nicht gut
lieget, worauf denn gemeiniglich eine schwere und endlich eine tödliche
Geburt erfolget. Denn ob wir schon Manieren wissen, die Kinder in ihr
ordentliches Lager zu wenden, so lassen sich doch solche nicht so leichtlich
ins Werck richten, und ist es besser geredet als gethan, zumahl, wenn das
Kind gestorben. Denn je schlimmer die tote Frucht lieget, desto schwerer
wird sie sich auszühen lassen. Sie wird aber entweder gantz oder Stück=Weise
weggenommen; dieses kann leichter als jenes geschehen. Wenn aber die Frucht
gantz kann weggenommen werden, so wird der Operateur ein weit geruhiger
Gewissen dabey haben, indem er gewiß versichert seyn kann, daß er die Frucht
nicht getödet habe. Dieses aber zu verrichten, muß man die Frucht nicht
anders wegnehmen, als wenn sie noch lebte, doch gehet dieses hier weit
schwerer zu, denn alle todte Cörper sind schwer und können sich selbst nicht
ein wenig helffen. Gleichwie aber bißweilen das Lager der Frucht nicht kann
verändert werden, oder, wenn selbige auch natürlich lieget, wegen ihrer
ungemeinen Schwehre, weder mit denen Händen herausgezogen, noch durch die
Arbeit der Mutter geboren werden kann, also muß man sich bemühen, daß das
Kind Stück=Weise abgenommen werde. Gesetzt also, das Kind lieget mit dem
Kopffe vor, aber die Achseln wollen nicht fort, da setzen die Operateurs
Haacken in den Kopff, eröffnen den Hirn=Schädel und nehmen das Gehirn
heraus, oder sie sehen, wie sie ein Band anbringen, und hernachmahls mit
einer grossen Gewalt das Kind herauszühen mögen. Zu dem Ende nun haben sie
von unterschiedener Art Haacken, etliche sind groß, andere klein, die nur
ein Viertheil Elle lang sind, oben auf unterschiedene Art gebogen, unten
aber der Griff breit von polirten Stahle, und in der mitten mit einer
länglichten Oeffnung, daß ein Band hineingezogen werden kann. Gesetzt aber,
daß ein Aermgen oder ein Füßgen heraus hanget, so drehen sie selbiges aus,
lieget aber der Schmeer=Bauch vor, so eröffnen sie mit denen Haacken
denselben, und nehmen die Därme und übrige Eingeweide heraus.
Ist das Kind aber glücklich zur Welt gebracht, hat man sowohl auf dieses,
als auf die Nabel=Schnur und die Wöchnerin zu sehen. Was die Nabel=Schnur
betrifft, soll sich die Weh=Mutter besonders lassen angelegen seyn, daß
solche nebst dem Mutter=Kuchen gleich nach der Geburt folge; hänget sie aber
etwas allzu feste an der Gebär=Mutter, oder das Kind ist alzu krafftlos, so
ist es besser, daß sie, ehe sie die Nachgeburt heraus zühet, zuvor die
gebundene Nabel=Schnur abschneide, da sonst gemeiniglich die Nach=Geburt bey
einem frischen Kinde gleich auf die Geburt zu folgen pfleget. Es gehöret
aber zu der Nabel=Schnur, selbige zu verbinden, ein gedoppelter hänfferner
Faden, womit nahe bey dem Unter=Leibe des Kindes gedachte Schnur gebunden
wird, und thut man wohl, wenn der Mutter=Kuchen in der Gebär=Mutter zurücke
bleibet, daß man die Nabel=Schnur ungefähr 4. Quer=Daumen von der ersten
Verbindung, noch ein Mahl binde, und hernach nicht weit von der letzten
Verbindung die Nabel=Schnur gäntzlich abschneide. Ist solches geschehen, so
wird das übrig gebliebene von der Nabel=Schnur an dem Kinde mit weicher
Leinewand umwickelt, welche man täglich verneuen muß, bis die Schnur endlich
gäntzlich abfället. Darauf wird nach der Geburt das Kind gewaschen, und
desselben Kopf, wenn er vielleicht bey der Geburt eine üble Gestallt
bekommen, wiederum ordendlich zusammen gedrücket, die Füßgen und Aermgen
aber geschickt in Windeln gewunden, und das Kind endlich in weiche Betten
und in eine Wiege geleget. Der Kind=Betterin aber apliciret man gleich nach
der Geburt warme leinene Tücher auf die Geburts=Glieder, die äusserliche
schädliche Lufft davon abzuhalten, ihren Leib aber bindet man mit gehörigen
Binden, die Mäußlein des Unter=Leibes wieder zu stärcken und die
Geburts=Reinigung zu befördern, darauf man sie endlich in das Bette leget,
doch so, daß die dicken Beine etwas höher zu liegen kommen, unter welche man
Tücher breitet, darain das Blut lauffen möge. Man darf ihr kein starckes
Geträncke zu trinken geben, sondern sie muß einen und den andern Tag mit
guten Brühen und Suppen vorlieb nehmen, und im übrigen eine solche Diaet
halten, welche sonst Verwundeten zukömmet.
Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicons Aller
Wissenschafften und Künste, Welche bißhero durch menschlichen Verstand und
Witz erfunden und verbessert worden, Band 10 (1735)