Zähklebrige Masse. Duftnoten, Nebentöne. Honig kennt viele Qualitäten. Er
kann mehr oder weniger süß, flüssig oder kristallin sein, hell und dunkel,
diesen und jenen Geschmack haben, hunderte von Nuancen. Kastanienhonig hat
bis zu 1,5 Promille Ameisensäure, während Akazienhonig fast frei von Ameisensäure
ist. Bienen ist all dies kein Anliegen. Sie haben keine Vorstellung, dass
Honig als Metapher des Vieldeutigen und Indifferenten genossen werden kann.
Im Frühling, wenn Blütezeit ist, hat sich im Stock die größte Anzahl von
Bienen gebildet. Es ist Schwarmzeit. Da der Platz im Stock zu knapp geworden
ist, zieht die Hälfte der Bienen wie eine heftig strömende Flüssigkeit aus -
es kommt neben der geschlechtlichen nahezu gleichzeitig zu einer
ungeschlechtlichen Fortpflanzung: Der Bien verdoppelt sich in einer Art
Zellteilung. Bevor ein Teil der Bienen mit der alten Königin ins Freie
stürzt und wie ein summendes Insektengehirn auf einem Obstbaum hängt (von
dem es durch den Imker, der das Schwärmen am liebsten verhindert, mit einem
Kasten wieder eingefangen wird), haben die Arbeitsbienen schon Vorsorge
getroffen. 16 Tage vor dem Schlüpfen einer neuen Königin haben sie mehrere
größere Weiselzellen angelegt und die widerspenstige alte Königin (die ihren
gewohnten Stock später verlassen muß) gezwungen, für Nachfolge zu sorgen.
Die Maden und Puppen werden mit einem speziellen Saft aus den Kopfdrüsen der
Arbeitsbienen, dem Gelée royale, gefüttert. Von den schlüpfenden
Jungköniginnen wird nur eine einzige von einem „Hofstaat“ umgeben,
unverzüglich darauf werden ihre Schwestern von den Arbeitsbienen
abgestochen. Die alte Königin hat den Stock längst verlassen, wenn ihre acht
Tage alt gewordene Nachfolgerin - begleitet von einer Drohnenwolke - zum
ersten Begattungsflug aufbricht. Der schnellste Drohn, der, weitab vom
Standort, die Königin eingeholt hat, stülpt seinen grotesk großen,
gallertigen Begattungsschlauch nach außen, schnellt ihn mit der darin
enthaltenen Samenmasse im Flug in die Königin und sinkt sterbend, da ihm bei
diesem Vorgang der Geschlechtsapparat abgerissen wird, zu Boden. Sofort
stürzt sich der nächste Drohn auf die Königin, entfernt den
Geschlechtsapparat des Vorgängers und vereinigt sich mit ihr auf dieselbe
Weise. Die Königin wird fünf- bis zehnmal begattet. Acht bis zehn Millionen
Samenfäden der Drohnen hat sie in einer Samenblase des Hinterleibes
gespeichert. Aus befruchteten Eiern, die nicht größer als ein Kümmelkorn
sind, werden Arbeitsbienen, aus den unbefruchteten - Drohnen. Die Drohnen
haben daher keinen Vater, aber einen Großvater, eine Großmutter, zwei
Urgroßmütter und einen Urgroßvater. Während eine Arbeitsbiene, die einen
Großvater, zwei Urgroßväter und drei Urgroßmütter hat, in den Sommermonaten
35 bis 50 Tage lebt (im Winter aber sieben Monate), dauert das Leben einer
Drohne bis zu fünf Monaten. Im August ereignet sich die „Drohnenschlacht“.
Es ist ein seltsamer biologischer Vorgang. Der Bien trennt sich von seinem
männlichen Geschlechtsteil - er entmannt sich geradezu. Die Bienen bereiten
sich nämlich, nachdem nichts mehr blüht, darauf vor, daß sie vom
eingebrachten Honig leben müssen. Bemerkenswerterweise haben die
Sommerbienen, die ihre Nachfolger, die Winterbienen, nie zu Gesicht
bekommen, diesen gesammelt und dafür ihr eigenes Leben beträchtlich
verkürzt. Nun befreien sich die Bienen also von den „überflüssig“ gewordenen
Essern. Eines Tages wird den Drohnen die Nahrung verweigert, und sie werden
aus dem Stock gedrängt. Da sie keinen Stachel haben, können sie sich nicht
wehren. Besonders hartnäckige werden abgestochen. Es folgt eine Festmahlzeit
für Vögel und Igel, die in diesen Tagen in der Nähe der Bienenstöcke
anzutreffen sind. Bald darauf hält der Bien den Winterschlaf.
Gerhard Roth, Über Bienen
Honig ist Bienenkotze. Die Bienen nehmen den Nektar mit ihren Mundwerkzeugen
auf und transportieren diesen, versetzt mit Fermenten, in ihrem Sammelmagen.
Nur ein kleiner Teil des so gesammelten Nektars wird vom eigentlichen Magen,
welcher der Eigenversorgung dient, aufgenommen. Gustav Mahler soll ein
Honigverweigerer gewesen sein. Er wollte nicht von Tieren Erbrochenes essen.
Das im Sammelmagen der Biene Transportierte wird wieder herausgepresst, in
Zellen und Waben gestampft. Vorrat für den Winter. Beim Waldhonig werden die
süßen Exkremente der Blattläuse in Honig verwandelt. Schlucken, Verdauen,
Ausscheiden, Aufnehmen, oftmaliges Erbrechen, Wiederschlucken und Ausspucken
unter Beimengung eigener Fermente.
Von den drei schlafenden Töchtern des Königs sollte die jüngste und die
liebste herausgesucht werden. Sie glichen sich aber vollkommen und waren
durch nichts verschieden, als dass sie, bevor sie eingeschlafen waren,
verschiedene Süßigkeiten gegessen hatten, die älteste ein Stück Zucker, die
zweite ein wenig Sirup, die jüngste einen Löffel Honig. Da kam die
Bienenkonigin von den Bienen, die der Dummling vor dem Feuer geschützt
hatte, und versuchte den Mund von allen dreien, zuletzt blieb sie auf dem
Mund sitzen, der Honig gegessen hatte, und so erkannte der Königssohn die
Rechte.
Grimm, Die Bienenkönigin
Lfd. Nr.
Bezeichnung |
Produzent |
Bezugsquelle |
Kaufdatum |
Kaufpreis |
Kommentar |
1
Blütenhonig |
Prof. Dr. H. Stever
78829 Landau |
dito |
23.06.02 |
Geschenk |
Beste Note |
2
Europäischer Wald
(Honigtau-Honig) |
Eden-Waren
36088 Hünfeld |
Reformhaus Lichte
28195 Bremen |
04.07.02 |
5,01 Euro |
Etwas flach |
3
Gelee Royal
in Blütenhonig |
Fürsten-Reform
Dr. Plüner Nachf.
38110 Braunschweig |
Extra-Markt
28213 Bremen |
04.07.02 |
5,29 Euro |
Extrem süß |
4
Edelkastanien-
Honig |
Prof. Dr. H. Stever
76829 Landau |
dito |
23.06.02 |
Geschenk |
Ebenfalls die
beste Note |
5
Tannenhonig
(Honigtau-Honig) |
Dreyer-Bienhonig
29525 Uelzen |
Reformhaus Lichte
28195 Bremen |
27.06.02 |
8,70 Euro |
Aromatisch und
ganz gut |
6
Waldhonig
(Honigtau-Honig) |
Ökolog. Imkerei Musch
88416 Ochsenhausen |
Bienenmuseum
89257 Illertissen |
06.07.02 |
4,50 Euro |
Geschmackvoll
und gut |
7
Akazienhonig |
Eden-Waren
36088 Hünfeld |
Reformhaus Cordes
28213 Bremen |
24.06.02 |
3,95 Euro |
Nicht probiert |
In der Reihenfolge der Verkostung
Der Mensch als Honigsammler raubt das, was Bienen in Frühjahr und Sommer als
Wintervorrat anlegen. Die kulturgeschichtlich ersten Honigsammler waren
buchstäblich Honigräuber. Sie kannten keine Bewirtschaftung eines
Bienenvolkes. Bei solchem Honigraub wurde das Bienenvolk vernichtet. In den
„Beuten“, die noch an den ursprünglichen Raub erinnern, nutzten die Zeidler
(Naturhonigsammler) das Erfahrungswissen, dass Bienen vom Menschen
geschaffene Höhlen aufsuchen. Beuten aus ausgehöhlten Baumstämmen, Kork,
Holz, Kuhmist oder Ton, in Form von Körben oder auch unterschiedlichsten
Gestalten wie Riesen oder Frauen. Die Scheide als Flugloch. Die Bienen kamen
zwar so zu den Menschen, dieser zerstörte aber weiterhin, um sich ihren
Honig anzueignen, das Volk. In der heutigen Imkerei werden Bienen intensiv
betreut und den Winters durchgefüttert. Der Imker beobachtet Weiselzellen
und Schwarmbereitschaft. Ist es notwendig, greift er ein, ersetzt etwa die
alte Königin durch eine junge. Die Imkerei verdankt sich der frühen
wissenschaftlichen Bienenforschung, in der minutiös das Innenleben eines
Bienenvolkes beschrieben und somit verständlich wurde. Es bedurfte nicht
allein eines feingeschliffenen Skalpells und eines guten Mikroskops,
Voraussetzung dafür war vor allem eine leidenschaftliche Neugier. Der
Bienenstock, also die Voraussetzung dafür, ein Bienenvolk im modernen Sinn
zu bewirtschaften, wurde um 1850 erfunden. Erwähnt sei Francois Huber (1750
- 1831), der, obwohl er in jungen Jahren sein Augenlicht verlor, zu den
Pionieren der Bienenforschung zählt. Ohne einen treuen Diener, der alle
Anweisungen gewissenhaft befolgte und in der Lage war, das, was er sah,
genau zu beschreiben, wäre dies nicht möglich gewesen.
Bienen sammeln Blütenpollen, Nektar, nehmen auf, fermentieren, erbrechen,
stampfen fest, schaben sich gegenseitig Wachs vom Körper, um Waben daraus zu
bauen. Deutschland auf und ab, kreuz und quer. Sammeln von Erfahrungen,
Notizen und Bildern. Ein Bienenleben ist kurz. Keine Biene vermag das
Ergebnis ihrer Arbeit zu betrachten. Autobahnen. Marke Ford Mondeo ST 200
Baujahr 2000. Sammeln, was Bienenfreunde absondern, das Gesammelte wiederum
mit Eindrücken und Überlegungen auf langen Autofahrten fermentieren. Dann,
wenn auch kein Erbrechen, so doch ein Abgeben, Nähren. Keine Plastik, nicht
einmal ein Fotodokument. Ein Prozess, in dem aus Gläsern in Mägen, von einem
Gehirn in andere abgegeben wird. Wird Honig verkostet, dann geht es weniger
um etwas Materielles als um etwas Soziales oder Geselliges. Jürgen Engel als
glücklicher Bildhauer. Er produziert nichts, was sich greifen oder sehen
ließe. Aber wenn auch unbestimmt, immer abhängig von Situationen, so findet
sich doch ein Produkt, mag es noch so oft seine Gestalt ändern. „Wie
arbeiten Sie? Honig auf Leinwand? Machen Sie Honigkunstskulpturen? Was
verkaufen Sie?“ Eine Galeristin: „Ich möchte nicht, dass die Räume mit Honig
bekleckert werden!“ Herumgetrieben durch die Neugier, eine gierige und
zügellose Neugier. Das Projekt bin ich nun selber geworden. Es bleiben
Artefakte, Verweise. Tabellen und Protokolle auf großen Papierflächen. So
wird das Unsichere der Neugier überschaubar. Jedes Kolloquium wird zu einem
vorläufigen Endpunkt einer Reihe vorangegangener Situationen. Jürgen Engel
verknüpft so Anwesende mit Abwesenden, Vergangenes mit Gegenwärtigem,
Gegenwärtiges mit Zukünftigen. Er lässt keinen Zweifel daran, dass das so
Aufgenommene sich später in andere Räume, Mägen und Gehirne ergießen wird.
Datum |
Gesprächsort |
Gesprächspartner/Beruf |
Thema |
16.02.01 |
Gensingen |
Theresia Fleck, Dipl.-Musikerin |
Unvorhersehbarkeit |
22.03.01 |
Amsterdam (NL) |
Ruth Sachse, Galeristin |
Projektidee |
12.05.01 |
Zgorzelec (PL) |
Viktoria Meienburg, Vorleserin |
Lesungen |
27.05.01 |
Bad Zwischenahn |
Eléonore Dolibois, Yogalehrerin |
Madhu-Vidya |
02.06.01 |
Hamburg |
Michael Stahl, Pastor |
Bibelfundstellen |
06.06.01 |
Weimar |
Manon Hoof, Malerin/
Prof. Burkhard Grashorn, Architekt |
Projektskizze |
07.06.01 |
Weimar |
Deutsches Bienenmuseum |
1. Besichtigung |
21.10.01 |
Leck |
1. Transport der UMAC |
Präsentation |
31.10.01 |
Frankfurt |
Jutta Kritsch, Malerin |
Ausstellungskonzept |
02.12.01 |
Weimar |
Deutsches Bienenmuseum |
2. Besichtigung |
13.12.01 |
Weimar |
Monika Herb, Museumspädagogin |
Recherchen |
05.02.02 |
Landau |
Prof. Hermann Stever, Mathematiker |
Bienenarchiv |
11.05.02 |
Weimar |
Deutsches Bienenmuseum |
3. Besichtigung |
28.05.02 |
Gensingen |
Theresia Fleck, Dipl.-Musikerin |
Projektberatung |
06.07.02 |
Illertissen |
Karl-August-Forster-Bienenmuseum |
1. Besichtigung |
06.07.02 |
Vorarlberg (A) |
Hidden-Museum |
Performance |
Rechenbeispiel einer Schularbeit der sechsten Schulstufe: Bienen sammeln
Nektar und Blütenstaub in sehr großer Entfernung. Bienen benötigen für ihren
Flug pro 100m ....... Kalorien. 1 Gramm Honig ist mit ...... Kalorien
gleichzusetzen. Das Fassungsvermögens eines Sammelmagens beträgt 50
Milligramm. Wie groß muss die Entfernung sein, dass Bienen ein mit Honig
bestrichenes Brett nicht mehr anfliegen. Dass dies auch eine Frage des
Blütenangebotes wie des Wetters ist, sei hier unbeachtet.
Was ist den Bienen nicht alles angedichtet worden, angefangen bei ihrem
sprichwörtlichen Fleiß bis hin zum perfekten Staatsgebilde! Der Bienenstaat
findet sich auch in den negativen Utopien des zwanzigsten Jahrhunderts, etwa
in Edward Morgan Forsters 1928 erstmals erschienenen Erzählung
Die Maschine
bleibt stehen. In dieser Erzählung leben die Menschen in einer Welt, in der
das einzelne Individuum nichts zählt, das Ganze dagegen alles. Sie leben in
wabenartigen Zellen, zwar streng voneinander geschieden, aber in ständigem
Kontakt mittels telekommunikativer Verdrahtung. Kontakt mit Mitmenschen
geschieht über eine Art Bildtelefon. Da alle Bedürfnisse befriedigt sind,
besteht ihr Lebensinhalt nur noch in der permanenten Suche nach neuen Ideen.
Diese können nicht verrückt genug sein, aber mit eigenen Erfahrungen dürfen
sie nichts zu tun haben. Die Menschen, die sich in Sachen Kommunikation in
Abgrenzung zu früheren Gesellschaften für besonders fortschrittlich halten,
vermögen nicht mehr, die Inhaltsleere des verkabelten
Informationsaustausches zu sehen. Und so kommt es wie es kommen muss. Dem
technischen und sozialen Kollaps ihrer Welt haben sie nichts
entgegenzusetzen. Anfangs beklagen sie noch, dass der mechanische Arzt nicht
mehr wie gewohnt von der Decke herunterfährt, um Thermometer oder Tabletten
in den Mund zu schieben, Bett und Badewanne sich nicht mehr den Wünschen
entsprechend aus dem Boden formen, oder der Musikgenuss durch Nebengeräusche
gestört wird. Schließlich fügen sie sich einfach in ihr Schicksal.
Wenn ein Bienenvolk stirbt, ist das ungefähr so, als wäre ein Tier gestorben.
Man vermisst eine Persönlichkeit, fast wie bei einem Hund oder zumindest wie
bei einer Katze.
Eine tote Biene ist einem völlig gleichgültig; man fegt sie einfach weg.
Das Sonderbare ist, dass die Bienen genau die gleiche Einstellung haben.
Einen so totalen Mangel an Interesse für den Tod der anderen gibt es nicht
bei vielen Tierarten. Zerdrücke ich ein paar Bienen, wenn ich einen Rahmen
zu nachlässig einsetze, dann schleppen die andern sie weg, als handele es
sich um irgendwelche kaputten Maschinen. Aber zuerst holen sie sich immer
die Pollen, falls welche da sind.
Lars Gustafsson, Der Tod eines Bienenzüchters
Kuno, der Held der Erzählung, klagt vor allem Erfahrung ein, letztlich den
Körper mit seinen Grenzen und seiner Verletzlichkeit. Er will sich nicht
länger den Täuschungen distanzlosen Verkehrs hingeben, Entfernungen real
erfahren:
Du weißt, dass wir das Gefühl für den Raum verloren haben. Wir sagen „der
Raum ist ausgelöscht“, doch haben wir nicht den Raum ausgelöscht, sondern
das Gefühl dafür. Wir haben einen Teil unserer selbst verloren. Ich
beschloß, ihn wiederzuerlangen, und begann damit, die Plattform der Bahn
außerhalb meines Zimmers auf und ab zu wandern. Auf und ab, bis ich müde war
und so die Bedeutung von „nah“ und „fern“ zurückeroberte. „Nah“ ist eine
Stelle, zu der ich schnell zu Fuß gelangen kann, nicht ein Ort, an den mich
die Bahn oder das Luftschiff schnell hinbringt. „Fern“ dagegen eine Stelle,
wohin ich nicht rasch zu Fuß hin kann; der Schlund ist „fern“ obwohl ich in
achtunddreißig Sekunden dort sein könnte, indem ich die Bahn besteige. Der
Mensch ist das Maß. Das war meine erste Lektion. Des Menschen Füße sind das
Maß für die Entfernung, seine Hände das Maß für den Besitz, sein Körper das
Maß für alles, was liebenswert, wünschenswert und stark ist. Dann ging ich
weiter. Kuno ist vor allem neugierig. Er will die Dunkelheit von Rohren und
Schächten erfahren. Er will die feindliche gewordene Oberfläche der Erde
sehen, den Körper seiner Mutter spüren, ihr blasses Gesicht sehen: Ich sehe
so etwas Ähnliches wie dich in dieser Scheibe - aber dich sehe ich nicht.
Ich höre so etwas Ähnliches wie dich durch das Telefon - doch dich höre ich
nicht.
Bienen kennen keine Neugier. Nach strikt festgelegter Mechanik wird Nektar
gesammelt, werden Drohnen oder überzählige Jungköniginnen abgestochen.
Bienen kennen kein Drama, keine Tragödie. Der Königinnenmord ist Programm,
festgelegt seit abermillionen Jahren. Im Gegensatz zur Biene hat der Mensch
die Fähigkeit zur Neugier. Er kann sich treiben lassen und andere Welten
antizipieren. In Forsters Erzählung verfügen die Menschen über keine
Vorstellungen mehr, die sich auf Dinge oder Ereignisse bezögen, die in der
Zukunft liegen. Kuno klagt nicht nur die räumlichen Entfernungen ein,
sondern vor allem jene Zeit, die zwischen einem Wunsch und seiner
Befriedigung liegt. Konsequent lässt Forster Kuno mit allen anderen
umkommen, allerdings um Erfahrungen reicher, die ihn erst zu einem
menschlichen, selbstbestimmten Wesen gemacht haben. Das Erstaunliche an der
Geschichte: Für Forster bildet die Anerkennung von Schmerz und Tod, also
das, was man mit Flusser die kalte Außenluft nennen könnte, aber auch die
Unzulänglichkeiten des menschlichen Körpers die Voraussetzung
zwischenmenschlicher Begegnung und menschlicher Würde.
Der Museumsdirektor hat sich den Imker zum Vorbild genommen. Er weiß,
wieviel Neugier und Sorge sein Museum erfordert, weiß aber auch, dass er
dieses lange Zeiten sich selbst und anderen überlassen muss.
„Wo bist du?“ schluchzte sie.
Im Dunkeln sagte seine Stimme: „Hier.“
„Gibt es noch Hoffnung, Kuno?“
„Nicht für uns.“
„Wo bist du?“
Über die Leiber der Toten kroch sie zu ihm hin. Sein Blut spritzte über ihre
Hände.
„Schneller“, keuchte er, „ich sterbe ... , aber wir berühren uns, wir reden,
nicht durch die Maschine.“
Er küsste sie.
Edward Morgan Forster, Die Maschine bleibt stehen
Danksagung:
Eléonore Dolibois, Yogalehrerin, Blonay (CH)
Theresia Fleck, Dipl. Musikerin, Gensingen
Prof. Dipl.-Ing. Burkhard Grashorn, Architekt, Bauhaus-Universität in Weimar
Monika Herb, Museumspädagogin, Bienenmuseum Weimar
Manon Hoof, Malerin, Weimar
Jutta Kritsch, Malerin, Frankfurt
Viktoria Meienburg, Vorleserin, Hamburg
Ruth Sachse, Galeristin, Amsterdam
Michael Stahl, Pastor, Hamburg
Prof. Dr. Hermann Stever, Mathematiker, Landau i.d. Pfalz
Walter Wörtz und Heike Höss, Bienenmuseum Illertissen