Um die Abschaffung des Briefverkehrs bemüht! Ihre Post



Bild: Bernhard Kathan


Die Zeitverzögerung, welche der traditionelle Postverkehr mit sich brachte, hat sich allemal günstig auf die vermittelten Inhalte ausgewirkt. Wohl ohne Mühe ließe sich nachweisen, dass sich mit jedem Beschleunigungsschub auch jene Zeit verringert hat, die für das Schreiben einer Mitteilung verwendet wird. Je schneller ein Medium, um so mehr scheint der Inhalt an Bedeutung zu verlieren. Das Verschicken und Empfangen von Botschaften auf elektronischem Weg hat aufgrund der geringen Mühe, die es macht, zu einer Entwertung der Botschaften geführt. Die Bereitschaft, E-Mails zu beantworten, hat, erinnert man sich an Briefe, abgenommen. Viele E-Mails werden nur noch überflogen. Dies hat auch damit zu tun, dass Sinnlichkeit und Konkretheit des Papiers abhanden gekommen sind. Die Mühe, einen Brief zu schreiben oder einen Brief zur Post zu tragen, bedeutete auch so etwas wie eine Mindestanstrengung. Nicht zufällig wirken manche E-Mails sehr distanzlos. Mag sein, dass - wie Kafka es formulierte - Briefe auf ihrem Weg von Gespenstern ausgetrunken werden, dass, durch den zeitlichen Abstand bedingt, Inhalt und Wirklichkeit nicht mehr zusammenpassen. Aber gerade diese Distanz betont nicht nur die gegenseitige Fremdheit, sie schafft auch Abstand des Schreibenden zu sich selbst. Im herkömmlichen Brief war immer auch ein Nachdenken über sich selbst angelegt, er war ebenso an sich selbst wie an einen anderen gerichtet. Diasporen. Zirkulare 2011


Österreichische Post AG
Unternehmenszentrale
Haidingergasse 1
1030 Wien

Herrn Bernhard Kathan
Grillparzerstraße 6
6020 Innsbruck
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Telefon +43 (0) 577 67 - 24092
Telefax +43 (0) 577 675 - 23420
Zeichen MO
Email margit.obmann@post.at

Betreff Aufforderung zur Unterlassung

Datum 19. November 2012
Sehr geehrter Herr Kathan,
auf einem von Ihnen am 14.11.2012 an Frau Andrea Sodomka versandten Brief ist auf der Vorderseite des Kuverts folgender Wortlaut aufgedruckt.
"Um die Abschaffung des Briefverkehrs bemüht! Ihre Post" Sie haben durch den unbefugten Gebrauch von "Ihre Post" nicht nur das Namensrecht gemäß § 43 ABGB verletzt, sondern auch unwahre Tatsachen in Bezug auf die Österreichische Post AG verbreitet und dadurch den Tatbestand des § 1330 Abs 2 ABGB erfüllt.
Die Österreichische Post AG ist daher berechtigt, Sie zur Unterlassung aufzufordern.
Bezugnehmend auf Ihre Äußerung fordern wir Sie hiermit auf, es ab sofort zu unterlassen, sich die Verwendung des Namens und Firmenbestandteils "Post" anzumaßen und unwahre Tatsachen in Bezug auf die Österreichische Post AG zu verbreiten, insbesondere zu behaupten, "die Post ist um die Abschaffung des Briefverkehrs bemüht".
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Österreichische Post AG bei einem weiteren Verstoß sämtliche gegen Sie zur Verfügung stehenden juristischen Mittel ausschöpfen wird und dies mit nicht unerheblichen Kosten für Sie verbunden sein kann.
Wir ersuchen Sie, das gegengezeichnete Schreiben bis spätestens 26.11.2012 (einlangend) zu Handen Frau Mag. Margit Obmann zurückzuschicken. Sollte dieses Schreiben nicht fristgerecht einlangen, behält sich die Österreichische Post AG vor, ihre Ansprüche ohne weitere Aufforderung gerichtlich geltend machen.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Anneliese Ettmayer Handlungsbevollmächtigte

Zur Kenntnis genommen und akzeptiert:
Innsbruck, am ................ Bernhard Kathan .......................


Bernhard Kathan
Grillparzerstraße 6
6020 Innsbruck
0512/586521
www.hiddenmuseum.net
info@hiddenmuseum.net

Innsbruck, am 26. November 2012

Österreichische Post AG
z.H. Mag. Margit Obmann
Unternehmenszentrale
Haidingergasse 1
1030 Wien

Betrifft: Um die Abschaffung des Briefverkehrs bemüht. Ihre Post

Sehr geehrte Frau Mag. Obmann,
die Post entpuppt sich nun auch noch als ziemlich humorloses Unternehmen. Wer immer den Aufdruck "Um die Abschaffung des Briefverkehrs bemüht! Ihre Post" liest, versteht, dass es sich um eine paradoxe Formulierung handelt, die keineswegs von der Post stammen kann. Abgesehen von Ihrem Schreiben ist mir niemand untergekommen, der diese Formulierung anders verstanden hätte. Ich weiß nicht, ob Sie sich für Kunst interessieren. Heute arbeiten viele Kunstprojekte mit Interventionen, etwa was den öffentlichen Raum betrifft. All diese Projekte leben von subtilen Irritationen. Letztlich verstehen sich solche Projekte als Aufforderung an andere, etwas wahrzunehmen, sich zu äußern etc. Es wären hier eine Reihe von ähnlichen Projekten zu nennen, in denen sich andere Künstler mit Briefen und Postunternehmen beschäftigt haben. Ich denke an den verstorbenen Fred Plisner, der sich mit der Britischen Post spielte. Ihn interessierte etwa die Frage wie viel sich von einer Briefmarke oder einer Adresse wegschneiden lässt, damit der Brief noch zugestellt wird. Die Britische Post erwies sich dabei als durchaus humorvoll. Der Berliner Künstler Roland Albrecht gestaltet Briefumschläge mit den Adressen als kleine Kunstwerke. Alles andere als maschinenlesbar. Oft nur schwer zu entziffern. Auch die Deutsche Post scheint noch etwas Witz zu haben.

Die Sache mit dem Aufdruck (ich zahle jedesmal eine Marke) ist lehrreich. Die Reaktionen der Postbediensteten geben Einblick in das Seelenleben des Unternehmens. Viele sind zu apathisch, um den Aufdruck überhaupt wahrzunehmen. Andere tun so, als handelte es sich um einen völlig normalen Satz. Minimalste Reaktionen im Gesicht. Aber sie halten inne, schauen hin. Die dritte Gruppe ist bemüht, den Aufdruck mit Hilfe eines Stempels oder Aufklebern bestmöglich zu tilgen, zumindest zu verstümmeln. Wieder andere können sagen: "Das gefällt mir. Sie haben vollkommen recht. Auch mich werden sie noch abschaffen ..." Nur einmal meinte einer scherzhaft "Derfen'S des?" Dank dieses Stempels haben mir Freunde, unter ihnen großartige Briefeschreiber, wiederholt über ihre Erfahrungen mit der Post berichtet. Das müsste die Post eigentlich interessieren. Statt dessen wird mit einer Klage gedroht. Übrigens verstehe ich die Klagsdrohung durchaus als Teil des Projekts, als eine der eingegangenen Rückmeldungen in Sachen Briefverkehr. Ich verstehe wenig von rechtlichen Fragen. Eine Verletzung des Namensrechtes würde ich sofort akzeptieren, betriebe ich ein Konkurrenzunternehmen, bediente ich mich des Namens, um daraus einen Vorteil zu ziehen etc. Im Aufdruck ist "Ihre Post" zu lesen, nicht aber "Österreichische Post", schon gar nicht "Österreichische Post AG". Beim Wort "Post" handelt es sich um einen umgangssprachlichen Begriff, der allgemein ein staatliches oder privatisiertes Unternehmen meint, dessen Aufgabe es ist, Briefe, Pakete oder andere Sendungen zuzustellen. Gibt man etwa einen Brief mit dem Aufdruck im benachbarten Ausland auf, so denken die Leute dort nicht an die österreichische, sondern an die Schweizer oder die Deutsche Post. Dann darf ich Sie daran erinnern, dass ich solche Briefe stets persönlich auf einem der Postämter abgegeben habe. Ich wurde kein einziges Mal darauf hingewiesen, dass ein solcher Aufdruck gegen Regeln verstoße.

Schließlich gilt es zu unterscheiden zwischen der Österreichischen Post AG als Unternehmen und der Funktion der Post (Briefverkehr), die ja einem öffentlichen Interesse dient. Zu öffentlichen Interessen muss man sich meiner Meinung nach jederzeit äußern können. Was den Inhalt der Formulierung betrifft, habe ich nicht den Eindruck, falsch zu liegen. Natürlich kann es kein Anliegen der Post sein, den Briefverkehr abzuschaffen wie mir auch nur zu bewusst ist, dass digitale Medien den traditionellen Brief zunehmend überflüssig gemacht haben. Aber dennoch ist für mich unbestreitbar, dass die Österreichische Post AG maßgeblich zum Niedergang des Briefverkehrs beigetragen hat, sei es durch exorbitante Portogebühren, die Entfernung von Briefkästen, die Auflassung von Postämtern, durch falsch zugestellte Briefsendungen, durch Briefe, die verloren gehen, durch geknickte Briefsendungen, durch lange Warteschlangen auf den Postämtern etc. All diese Klagen lassen sich im Internet zur Genüge nachlesen.

Ich habe die Drohung zur Kenntnis genommen und werde vom Aufdruck in Hinkunft keinen Gebrauch mehr machen. Sollten sich andere des Aufdrucks bedienen, so wird dies nichts mit mir zu tun haben. Wie Sie meinem Schreiben entnehmen können, sehe ich die Sache völlig anders.

Mit freundlichen Grüßen

B.K.


Nachtrag

Fred Plisner gelang es kurz nach dem sogenannten "Anschluss" in die Schweiz zu flüchten. In Innsbruck kam er mitten in einen Nazi-Aufmarsch. Sein Interesse für den Briefverkehr ist nur zu verständlich. Postbetriebe sind ja Sortieranlagen, die in letzter Konsequenz über Leben und Tod entscheiden. Seine Beschäftigung mit bürokratischen Unschärfen ist gut nachvollziehbar. Mit Fred unterhielt ich mich einmal über Usa, der nach der Bundeslade griff, als sie vom Wagen zu fallen drohte. Usa traf Gottes Zorn. [2 Sam.6,7] Kurze Zeit später erhielt ich von ihm eine Miniaturausgabe einer englischsprachigen Bibel. Fred hatte um das reichlich zerfledderte Exemplar, das neue Testament fehlt, einzig ein Gummiband geschlagen, unter welches er einen Zettel mit meiner Adresse wie eine Briefmarke gelegt hatte, ohne diese aufzukleben. Die Bibel erreichte mich. Handschriftlichen Einträgen ließ sich entnehmen, dass es sich um ein Geschenk der East India Company handelte, welches ein gewisser Mr. Davis 1859 in Bangalore bei sich trug. Über Mr. Davis ist nichts bekannt. Die Bibel mochte ihm in der Fremde als Zuflucht gedient haben, als ein Stück Heimat, das er mit sich herumtrug wie das Bild der Mutter oder fernen Geliebten. Am 5. Juli 1959 tauchte die Bibel in London wieder auf. Der damalige Finder, auch über ihn wissen wir nichts, notierte den Fundort. Daneben: "for NEXT FINDER." Ich sollte einmal versuchen, eben diese Bibel, so wie von Fred verpackt, auf einer österreichischen Postdienststelle aufzugeben.

Kürzlich war ich auf der Post, mitten an einem völlig normalen Nachmittag. Die Warteschlange reichte durch zwei Türen, die sich ständig automatisch öffneten und schlossen, bis auf die Straße hinaus. Die Stimmung unter den Kunden überaus gereizt. Manche gingen schimpfend weg, um es später noch einmal zu versuchen. Leider hatte ich meine Kamera nicht dabei. Wie schön waren die Zeiten, als eine Briefwaage genügte, um eine Marke zu kleben. Abgesehen von Standardbriefen ist auf nichts mehr Verlass. Neben dem Gewicht gilt es an Formate, Höhe oder Maschinenlesbarkeit denken. Es gibt eine Reihe von höchst sinnreichen Zuschlägen. Bemerkenswert finde ich die Einführung von Schlitzkartons, um noch eine Extragebühr verlangen zu können, sollte die Briefsendung auch nur einen Millimeter zu dick sein. Besonders eifrige Postbedienstete halten den Umschlag gleich schief. Kein Wunder, dass sich die Sendung so nicht berührungsfrei durchschieben lässt. Wieder ist ein Zuschlag zu zahlen. Solche Schlitze! Ich bin immer wieder über die vielen Einfälle erstaunt, wie sich aus einem Brief noch mehr herauspressen lässt. Manche Postbedienstete entschuldigen sich damit, auch sie würden kontrolliert. Da ließe sich von der Österreichischen Post zweifellos einiges lernen. Ich nehme an, dass sich die diesbezüglichen Erfolge weniger tatsächlichen, vielmehr von Postbediensteten phantasierten Kontrollen verdanken, einem System subtil erlebter Drohungen, was in einem Unternehmen, welches so viele Beschäftigte abbaut, nur zu verständlich ist. Es würde mich wundern, wäre die Rechtsabteilung seit der Privatisierung im Verhältnis zum restlichen Stellenabbau geschrumpft. Vermutlich sind heute wesentlich mehr in dieser Abteilung beschäftigt. An Ressourcen scheint es ja nicht zu mangeln. Wäre es nicht so, wohl niemand würde sich um einen harmlosen Briefaufdruck kümmern, den nur ganz wenige Menschen zur Kenntnis genommen haben. Ein bemerkenswertes Engagement, bezeichnenderweise kommt es im Gestus einer Drohung daher. Zum Glück ein Aufdruck. Schwarz auf weiß. Kein böser Witz über die Post, den jemand vor großer Zuhörermenge von sich gibt. Ein Witz ließe sich viel schwerer einfangen. Je länger ich diesbezüglich sinniere, überkommt mich auch noch Mitleid mit den in der Abteilung Recht Beschäftigten.

Aber statt ins Grübeln zu geraten, sei hier daran erinnert, dass nicht zuletzt junge AutorInnen, die ihre Manuskripte an deutsche Verlage schicken müssen, unter den exorbitanten Portogebühren zu tragen haben. Nein, diese Post kann sich die Feder Kultur nicht an den Hut stecken. Das macht bereits die geschmacklose Möblierung der Postfilialen offensichtlich, auch das, was dort an CDs oder DVDs angeboten wird. Nein, im Management der Post kann ich mir niemand vorstellen, der sich der kulturhistorischen Bedeutung des Briefes bewusst wäre oder gar selbst hin und wieder einen (wirklichen) Brief schriebe.

Die frühere Post in unserer Nähe wurde geschlossen. Jetzt spielt ein Behindertenprojekt den "Postpartner" - eine seltsame Partnerschaft. Wird wohl zu einem nicht geringen Teil aus Mitteln des AMS finanziert. Behinderte werden "ausgebildet", um Briefe abzustempeln. Wohl kein einziger dieser Behinderten wird bei der Post einen Job kriegen. Neben einem Behinderten eine Betreuerin, die darauf achtet, dass Briefe an der richtigen Stelle abgestempelt, Kuverts auf Abweichungen von Normvorgaben geprüft und kleinste Abweichungen mit Zuschlägen bedacht werden. Lässt mich an die Politkommissare in der Sowjetunion denken. Man könnte die Leute genauso gut Kondensstreifen am Himmel zählen lassen. Das könnte wenigstens der Seelenbildung dienen. Die junge Postpolitkommissarin, so eine Art Sozialarbeiterin, gab sich alle Mühe, meinen Stempel "Um die Abschaffung des Briefverkehrs bemüht! Ihre Post" zum Verschwinden zu bringen. Sie erlebt nicht ihre Arbeit, sondern meinen Stempel als obszön. Sie erlebt nicht die Post als Skandal. Dabei praktiziert die Post in bester Form das optimale Minimum: Größtmöglichster Gewinn bei geringstem Einsatz.

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