Johannes E. Trojer
Dorferhebung
Ein Ausstellungsprojekt zu innovativen
Kulturprojekten im ländlichen Raum
Heutige Vorstellungen des Regionalen verdanken sich der Entgrenzung, sei es
durch den Verkehr, die globale Marktwirtschaft oder neue
Kommunikationstechnologien. Regionen erfinden sich im Zuge der Etablierung
"totaler Landschaften", die sich dadurch charakterisieren lassen, dass es
zunehmend gleichgültiger wird, wo man sich gerade befindet: überall dasselbe
Essen, dieselbe Architektur, dieselben Einkaufszentren, dieselben Programme.
Kulturprojekte im ländlichen Raum, die das kopieren, was sich in großen
Museen oder in der Freizeitindustrie behauptet, gehen am eigentlichen
Potenzial vorbei. Wenn jemand zu nennen ist, der sich bereits früh mit
diesbezüglichen Fragen beschäftigt hat, dann Johannes E. Trojer (1935 -
1991), der im abgelegenen Osttiroler Villgratental über lange Jahre hinweg
so etwas wie ein kulturelles Regionalprojekt betrieben hat, freilich ohne
seine Arbeit als solches zu bezeichnen.
Wenn Trojers Arbeit heute noch besticht, dann nicht zuletzt deshalb, weil er
nicht auf vordergründige Aufmerksamkeit und Anerkennung bedacht war:
"einfach die sinneseindrücke des tagtäglichen, kommunikationsergebnisse,
gefühlsreaktionen, schlichtweg unsensationelles frisch festhalten." Er
schreibe, um zu beschreiben, er zeichne, um zu bezeichnen. Er "lese v.d.
Wand, aus der Luft, vom Boden (auf)." Trojer war tatsächlich ein großartiger
"Aufleser", einer, der auf das Vorhandene bedacht war, das Vorhandene sah.
"Auflesen" setzt eine demütige Haltung voraus: "Wenn schon Geschichten, dann
sie finden, nicht erfinden!" Und dann noch eine andere Betonung: "Die
Wirklichkeit muß ins Unmögliche verzerrt werden, damit das Mögliche möglich
wird, nämlich die Veränderung realer Verhältnisse in andere, bessere."
Trojers Arbeit hat tiefe Spuren hinterlassen. Das Villgratental zählt in
Österreich zu jenen wenigen Regionen, die noch über eine bestechende
Architektur verfügen. Zweifellos verdankt sich dies nicht zuletzt Trojer,
der maßgeblich zu einer Sensibilisierung im Umgang mit der traditionellen
Architektur beigetragen hat. Heute wird seine Lebensleistung auch von jenen
gewürdigt, die ihm früher kritisch begegneten. Anlässlich der Präsentation
der Werkausgabe in Innervillgraten meinte ein lokaler
Tourismusverantwortlicher, Trojer habe dem Villgratental einen großen Dienst
erwiesen. Trojer war nicht zuletzt Mentor, was einige Karrieren belegen, die
auf seine Arbeit zurückweisen. Seine literarischen Arbeiten sind der Zeit
verpflichtet. Aber nach wie vor ist sein Lebenswerk, mit dem sich inzwischen
eine Reihe von Forschungsprojekten beschäftigten, von großer Bedeutung.
Spannend an seiner Arbeit ist seine stete Einladung zum Tun, zum aktiven
Gestalten der Welt, ganz gleich, ob er Schüler anhielt, bestimmte Fragen in
ihrer konkreten Lebenswelt zu untersuchen, ältere Menschen ermunterte, ihre
Lebenserinnerungen niederzuschreiben oder Jugendliche darin unterstützte,
diese oder jene Projekte zu realisieren.
Die damaligen Themen sind nicht mehr unsere Themen. Das Leben selbst in
abgelegenen Tälern hat sich infolge der zunehmenden Mobilität, durch
Bildungsmöglichkeiten wie den Zugang zu neuen Medien grundlegend geändert.
Ein Internetanschluss ist die Regel. Selbst abgelegenste Bergbauernhöfe sind
heute durch Wege erschlossen. Die Bewirtschaftung der Kulturlandschaft hat
sich auch im Villgratental grundlegend gewandelt. Jahrhundertealte
Traditionen sind innerhalb weniger Jahrzehnte fast vollkommen verschwunden.
Auch vor Bergbauernhöfen sind heute Trampoline zu sehen, die man sich in
jedem Baumarkt kaufen kann. Nicht länger werden Tote auf einem Schlitten ins
Tal gezogen. Heute würde sich Trojer vielleicht mit Kinderwunschpatientinnen
oder Genforschung, mit Alzheimerkranken, mit tatsächlichen oder möglichen
Auswirkungen einer globalen Ökonomie auf die Regionen befassen. Er hat
beispielhaft gezeigt, was gute Kulturarbeit im regionalen Raum ausmacht.
Events waren ihm fremd. Trojer setzte auf Neugier, akribische inhaltliche
Auseinandersetzung. Er organisierte zwar Ausstellungen, dachte aber nicht an
Ausstellungsräume. Er nutzte vorhandene Räume. Die entscheidenden Räume sah
er im Gedächtnis der Menschen.
3 - 6. Juli: Jack Hauser: FLUSS: NÖ Initiative für Foto- und Medienkunst
Sa 7. Juli, 19. Uhr: Johanna und Ossi Kollreider singen, sprechen spielen
Johannes E. Trojer
Sa 21. Juli, 19 Uhr: Peter Trachsel: Museum in Bewegung
Sa 4. August, 19 Uhr: "Eine Sennhütte als Schule und was daraus folgte".
Augustin Jagg liest Franz Michael Felder
Die Ausstellung ist in der Zeit vom 7. Juli - 5. August ganztägig zugänglich
HIDDEN MUSEUM
47°19'11" nördlicher Breite 9°41'2" östlicher Breite
Zugangshinweise erhalten Sie wie immer unter folgender Emailadresse:
info@hiddenmuseum.net