Das mobile Essmuseum wurde inzwischen mehrfach von einem zu einem anderen Ort
transportiert, ab- und wieder aufgebaut. Wie so oft zeigen sich die
Schwächen in Nebensächlichem, etwa im Umstand, dass das Möbelstück zu
kompliziert gebaut ist, zu vieler Elemente, Verbindungsteile und Schrauben
bedarf. Deshalb dachte ich mir ein System aus, welches mit acht Schrauben
auskommt. Es ist keine Bedienungsanleitung erforderlich. Die Sockelelemente
lassen sich einfach ineinander stecken.
Ich las, dass Bauern im siebzehnten Jahrhundert zwei Wochen im Jahr
Fronarbeit zu leisten hatten. Ohne sich dessen bewusst zu sein, leistet auch
der heutige Mensch Fronarbeit. Vor einem Jahr ließ die österreichische Post
alle Briefkästen in meinem Stadtteil abmontieren. Um einen Brief aufzugeben,
hatte ich fortan zur nächsten Poststelle zu gehen. Inzwischen gibt es auch
diese nicht mehr, weshalb ich gezwungen bin, meine Briefe in noch größerer
Entfernung aufzugeben. Eine Frau in einer Warteschlange meinte schimpfend,
es sei Zeit, dass die Post privatisiert werde, dann würde es ein solches
Warten nicht mehr geben. Ich musste ihr sagen, sie warte, weil die Post
privatisiert worden sei. Wegstrecken und lange Wartezeiten auf der Post mit
eingerechnet, bin ich im Jahr etwa 8750 Minuten damit beschäftigt, meine
Briefe aufzugeben oder postlagernde Sendungen abzuholen. Diese Zeit
entspricht etwa jener, die Bauern im siebzehnten Jahrhundert Fronarbeit zu
leisten hatten.
In der heutigen Gesellschaft wird Freiheit vor allem als Möglichkeit
verstanden, zwischen vielen Angeboten (Konsumgüter, Berufe, Orte etc.)
wählen zu können. Der Kunde, so sagt man, sei frei. Nicht zu übersehen ist,
dass Konsum oft genug mit unbezahlter Arbeit zu tun hat. Kunden werden in
Bewegung gehalten. Sie sind gezwungen, sich zu informieren. Und haben sie
das Kleingedruckte nicht gelesen, so sind sie selbst schuld. Funktioniert
Ihr PC nicht, dann liegt es vermutlich daran, dass Sie das Gerät nicht
richtig zu bedienen wissen. Der zur Arbeit angehaltene Kunde holt sich die
gekauften Möbel ab und baut sie selbst zusammen. So lassen sich Lager-,
Transport- und Personalkosten minimieren. Wer heute noch Briefe schreibt,
muss den Briefträger spielen. Von Früh bis spät sind wir damit beschäftigt,
für Unternehmen zu arbeiten. Ikea hat all das vorweggenommen, auf Du und Du,
nur dass man kein Gegenüber hat.
Das mobile Essmuseum verlangt auch Aktivitäten. Es ist nicht damit getan, es
aufzubauen. Vor Ort sind Menschen gefordert, das Projekt weiterzuspielen,
mit Menschen zu sprechen, deren Leben und Arbeit zu dokumentieren, sich etwa
mit dem Milchpreis oder damit zu beschäftigen, was sich von einem
geschlachteten Rind verkaufen lässt, was mit all den Schlachtabfällen
geschieht, darüber zu reden, was mit pflegebedürftigen Eltern der zumeist im
Nebenerwerb tätigen Bauern. Engagement solcher Art schafft Geflechte,
während die von Konzernen den Kunden abverlangten Aktivitäten höchst
segregierend wirken und alles Soziale austrocknen. Ob Kulturprojekte oder
bäuerliche Direktvermarktung: Heute sind Projekte gefordert, die sozialen
Geflechten verpflichtet sind, mögen durch solche Art des Arbeitens
Markennamen ebenso radikal in Frage gestellt werden wie die künstlerische
Autorenschaft. Das mobile Essmuseum ist denn auch nur ein Mittel, um
Prozesse in Gang zu setzen.