Das Kuhohrenfest
Da lobe ich mir das Tier! Bei den meisten kennt man das Ohrenspiel,
die meisten vermögen die Ohren zu spitzen, zurückzulegen,
die Schallseite zuzuwenden und mit den Ohren zu wackeln.
Ihr Zuhören, ihr Lauschen ist sichtbar.
Aber das menschliche Ohr? Zum Henker mit ihm, das den Blöden
spielt!
Maurice Renard, Er?
Nr. 144: Kuhohr, getrocknet, 22 x 14cm, durchscheinend, gelblich, leicht
eingerollt, keine Verletzungsspuren, einige Verklebungen, kein Hinweis auf
eine Identätsmarke, Identität des Tieres unbekannt, Herkunft: Hunde und
Katzenparadies, Innsbruck.
Nr. 145: Kuhohr, getrocknet, 21 x 8cm, durchscheinend, gelblich mit
rötlichen Stellen, stark eingerollt, Verwachsung am Ohransatz, einige
Verklebungen, kein Hinweis auf eine Identätsmarke, Identität des Tieres
unbekannt, Herkunft: Hunde- und Katzenparadies, Innsbruck.
Nr. 146: Kuhohr, getrocknet, 20 x 9cm, durchscheinend, gelblich, einseitig
stark eingerollt, Verwachsung am Ohransatz, Haarreste, kein Hinweis auf eine
Identätsmarke, Identität des Tieres unbekannt, Herkunft: Hunde und
Katzenparadies, Innsbruck.
Nr. 147: Kuhohr, getrocknet, 21 x 7cm, durchscheinend, gelblich, stark
eingerollt, Verwachsung am Ohransatz, einige Verklebungen, Gefäße stark
durchscheinend, kein Hinweis auf eine Identätsmarke, Identität des Tieres
unbekannt, Herkunft: Hunde und Katzenparadies, Innsbruck.
Nr. 148: Kuhohr, getrocknet, 17 x 7cm, durchscheinend, gelblich, beidseitig
stark eingerollt, einige Verklebungen, Zeichen von Sturzverletzung, Gefäße
stark durchscheinend, kein Hinweis auf eine Identätsmarke, Identität des
Tieres unbekannt, Herkunft: Hunde und Katzenparadies, Innsbruck.
Nr. 149: Kuhohr, getrocknet, 20 x 8cm, durchscheinend, gelblich mit
rötlichen Einfärbungen, stark eingerollt, einige Verklebungen, Gefäße stark
durchscheinend, kein Hinweis auf eine Identätsmarke, Identität des Tieres
unbekannt, Herkunft: Hunde und Katzenparadies, Innsbruck.
Nr. 150: Kuhohr, getrocknet, 21 x 7cm, durchscheinend, gelblich, Verwachsung
am Ohransatz, rötliche Verfärbungen, einige Verklebungen, Gefäße stark
durchscheinend, kein Hinweis auf eine Identätsmarke, Identität des Tieres
unbekannt, Herkunft: Hunde und Katzenparadies, Innsbruck.
Das Erstaunlichste an Kühen ist ihre Trägheit, ihr Gleichmut. Ihre vier
Beinen tragen auch dann, wenn sie nicht hochgezüchtet sind, schwer am
Gewicht ihres Körpers. Kühe lassen an einen Tisch denken, der gleichzeitig
ein Magen ist. Trotz ihres beachtlichen Verdauungsapparates sind sie nicht
gefräßig. Der größte Teil ihrer Kaubewegungen gilt nicht dem frischen Gras,
sondern dem, was sie ihn ihrem Magen vorrätig halten. Von allen Tieren
verströmen die Kühe den angenehmsten Geruch. Während Hunde und Katzen aus
dem Maul stinken, duften diese Wiederkäuer. Ihre Fladen riechen angenehm und
selbst ihrer Pisse ist ein gewisser Wohlgeruch nicht abzusprechen. Dies
lässt sich nicht von allen Pflanzenfressern behaupten. Man braucht nur an
das Pferd mit seiner ätzenden Pisse denken, an den scharfen Geruch, den
seine Haut verströmt. Ich weiß, pubertierende Mädchen werden mir hier ins
Wort fallen. Der angenehme Geruch der Kühe ist Ausdruck ihrer Genügsamkeit.
Man muss ihre Klauen bewundern, mit denen sie Halt am Boden finden, manchmal
so, als seien sie selbst angewurzelt wie die Pflanzen, deren Blätter sie
fressen. Werden Kühe auf einen Viehtransporter getrieben, verlieren sie ihre
Erdung. Ungestüme Bewegungen verraten ihre Aufregung und Angst. Was nützt es
schon, wenn auf dem Lastwagen die Aufschrift zu lesen ist: Tiertransporter
mit Herz. Im Streifen, im Drücken und im Anlehnen an der Welt offenbart sich
das Wesen der Kuh. Man muss ihre Beine betrachten, die im Gebirge Halt
suchen, ihren Körper sehen, der sich in den Himmel streckt. Nicht nur die
alten Ägypter haben sich das Himmelsgewölbe als Kuhbauch gedacht, auch die
kleinbäuerliche Kultur kannte die Analogie zwischen Kuheuter und Firmament,
Milch- und Regengüssen. Der urbane Mensch vermag kaum eine Kuh von einer
anderen zu unterscheiden. Dabei ist jede Kuh ein einzigartiges Geschöpf, hat
nicht nur ihr eigenes Aussehen, sondern ihren eigenen Charakter. Sie kann
zur Geselligkeit neigen wie zur Eigenbrötelei. Jede Kuh hat ihre Art, die
Schnittflächen zur Landschaft, zu anderen Tieren oder auch zu Menschen
auszudrücken. Wenn wir ein Tier nicht verdienen, dann das Rind, die Kuh. Wir
haben längst vergessen, was unsere Kultur (!) dem Rind verdankt. An seine
Stelle sind Hunde und Katzen getreten, an die wir das Rind verfüttern. Noch
vor gar nicht so langer Zeit wurden Hunde und Katzen ganz anders betrachtet.
Hunde und Katzen, zwar sehr verschieden, aber doch gleichermaßen
Anpassungskünstler an den Menschen, sind längst auf die Seite des Menschen
gewechselt. Wir sehen in ihnen vor allem Eigenschaften, die den Menschen
bezeichnen. Die Kuh hat bis heute ihre Widerspenstigkeit und ihren Eigensinn
behauptet. Statt uns an ihr ein Beispiel zu nehmen, orientieren wir uns am
Sozialleben der Wölfe oder jenem der sprichwörtlich friedlichen, letztlich
aber doch sehr nervösen Bonoboaffen. Die Kuh produziert Rohstoffe und wird
selbst zu Rohstoffen verarbeitet. Was für eine Schande, den Suppenwürfel als
Konzentrat einer Kuh zu begreifen, ihr Leder als hart und unempfindlich,
obwohl es sich als Haut mit feinem Gespür an die Welt geschmiegt hat. Wer
erinnert sich noch an Zeiten, als sich Menschen an den Leibern von Kühen
gewärmt, bei Kühen ausgeweint haben. Wer denkt noch an frische Kuhfladen,
die während der ersten Herbstfröste nackte Kinderfüße gewärmt haben. Nun
rauben wir den Kühen die Hörner, sägen sie ab oder veröden sie. Wir
überantworten die Kühe dem Funktionskreis der Maschinen. In Zukunft wird das
Melken von Robotern erledigt. Ein Computerprogramm wird entscheiden, wann
eine Kuh als schlachtreif einzustufen ist. Mehr noch, millionenfach werden
Kühe heute aus Hygienegründen getötet, oder allein deshalb, weil sie
überzählig sind. Ein beängstigendes Bild, spiegelt es doch, wie der Mensch
sich selbst begreift. Dabei erinnert von allen Tieren keines so sehr wie die
Kuh daran, dass die Götter einst nicht in Gestalt des Menschen, sondern in
jener der Tiere über die Erde streiften.
Daten: Konzeptionelle Arbeit; 40 getrocknete Kuhohren, die nur geringe
Unterschiede aufweisen, wurden beschrieben und inventarisiert, schließlich
im Widerspruch zu musealen Gepflogenheiten im Außenraum mit dünnen Schnüren
an einem Baum befestigt, um sie so einem raschen Zerfallsprozess
auszusetzen, sie den Füchsen oder dem Wetter zu überlassen.