Die Möglichkeit, Embryonen besonders leistungsfähiger Kühe auf andere Kühe
zu übertragen und von diesen austragen zu lassen, hat einen
Beschleunigungsschub in der Zucht bewirkt, kann doch so eine einzelne Kuh
wesentlich mehr Nachwuchs haben, als dies je zuvor der Fall war. Durch
Biotechnologie und Reproduktionsmedizin eröffnen sich völlig neue Nutzungen
des Rindes. Schon heute wird an Hybrid-Embryonen mit menschlichem Erbgut und
Eizellen von Kühen gearbeitet. Die Stammzellenforschung erhofft sich dadurch
Behandlungsmöglichkeiten von zahlreichen Krankheiten. Vermutlich wird die
Milch genetisch veränderter Rinder künftig in der pharmazeutischen Industrie
von Bedeutung sein. Es sind transgene Kühe denkbar, die in Zukunft den
menschlichen Nachwuchs austragen, vielleicht im Alpenraum, bei reichlicher
Bewegung und gesunder Luft. Bereits vor hundert Jahren dachten Biologen,
Retorten würden in absehbarer Zeit die Frau von der Last der Schwangerschaft
und den Schmerzen der Geburt befreien. Retortenbabys wird es noch lange
nicht geben. Einfacher ist es, Rinder mit Hilfe der Gentechnik entsprechend
umzubauen.
O-Ton Yo: In den Rinderbetrieben des Unternehmens soll es eine eigene
Forschungsabteilung geben, die sich mit den Möglichkeiten beschäftigt, Kühe
als Austragemütter menschlicher Embryonen zu nutzen. Transgene Geschöpfe.
Bei Rindern wurden erstmals Embryonen mit Erfolg von einer Kuh auf eine
andere übertragen. Später wurde in Eizellen von Rindern menschliches
Erbmaterial eingebracht. Das biotechnische Verfahren ist bereits weit
fortgeschritten. Bislang soll noch kein einziges Kind von einer Kuh
ausgetragen worden sein. Auch bei einem komplikationslosen
Schwangerschaftsverlauf wird spätestens im achten Monat ein Abort
eingeleitet. Soll das schrecklich sein? Es ist nur eine Frage der
Betrachtung. Ich wäre lieber im Bauch einer Kuh herangereift, als in dem
einer Frau, die mir nie wirklich Mutter war. Da wäre mir jede Kuh lieber.
Ich stelle mir so eine Rinderleibeshöhle weniger beengt vor. Denken Sie
allein an den Geburtskanal. Da gäbe es kein Durchzwängen durch allzu enge
Beckenknochen. Solche Säuglinge kämen ohne blaue Flecken zur Welt. Eine
Geburt wäre so etwas wie ein in die Welt Flutschen, vorausgesetzt, Hände
stünden bereit, uns aufzufangen. In einem Kuhbauch zur Wahrnehmungsfähigkeit
zu gelangen, das wäre doch eine sehr schöne Sache. Es wäre ein richtiges
Schaukeln auf einem großen Haufen warmer Gedärme. Durch die Magen- und
Darmtätigkeit würde man gleichsam ins Bewusstsein massiert. Und dann die
großartige Geräuschwelt in einem Kuhinneren! Ein stetes Gurgeln und
Plätschern. Natürlich denke ich dabei nicht an Kühe in computergesteuerten
Ställen, nicht an das metallische Geklapper von Selektionstoren, nicht an
Kühe, denen Futter verabreicht wird, welches für den komplexen Rindermagen
nur eine Beleidigung sein kann und andauernden Durchfall zur Folge hat. Auch
nicht an Kühe, die in ihrem eigenen Kot traurig ihre Runden drehen. Nicht an
eine aseptische Rinderwelt mit gekachelten Wänden und Desinfektionswannen.
Kühe als Austragemütter sollten sich frei im Gelände bewegen, auch bei Regen
und Kälte, sie sollten sich ihre Nahrung selbst in offenen Buschlandschaften
suchen. Sie sollen sich an Gebüsch reiben können, werden sie von
Dasselfliegen geplagt, all das auch auf die Gefahr hin, dass sie die eine
oder andere Frucht verwerfen, so nannte man das einmal, oder Neugeborene,
die als Nesthocker auf menschliche Hände, Decken und anderes angewiesen
sind, umkommen wie verlegte Eier. Was für eine schöne Vorstellung, von so
einer Mutterkuh nach der Geburt trockengeleckt, also von oben bis unten
bezeichnet zu werden: Da bist du ja, meine Kleine. Vergiss meine Schmerzen
nicht.
Konzept und Text: Bernhard Kathan
Graphik: Jeanette Schulz