Ein Projekt von Bernhard Kathan
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Ob Gastronomie oder Haushalt, da wie dort haben wir es vor oft genug mit
Halbfertig- und Fertigprodukten der Lebensmittelindustrie zu tun. Trotz der
Betonung von Vielfalt ist nicht zu übersehen, dass unser Essen zunehmend
einförmiger wird. Begriffe wie "Herkunftskontrolle" oder
"Bauernhofgarantie", mit denen heutige Lebensmittelkonzerne ihre Produkte
bewerben, sind Indiz dafür, dass wir immer weniger über Herkunft und
Entstehungsbedingungen dessen wissen, was wir zu uns nehmen. Heute ist die
Frage nach dem Regionalen und Saisonalen neu zu stellen. Klimawandel wie
anderes machen die Kosten einer globalisierten Ökonomie offensichtlich. Wir
lernen nun, dass etwa Birnen aus China oder Chile mit Kosten verbunden sind,
mögen sich diese bislang auch noch nicht spürbar im Kilopreis
niedergeschlagen haben. Die bäuerliche Küche, die sich ökonomischer Zwänge
und unterschiedlichster regionaler Bedingungen verdankte, war eine Küche des
Mangels, mochte sie auch manche Köstlichkeit und Überfluss kennen. Es gibt
keinen Grund, einer Welt der Armut, einer Welt ständiger Bedrohungen
nachzutrauern. Wer wollte sich schon eine Zeit zurückwünschen, in der Kinder
oft schlecht ernährt waren, fast all diesen Kindern eine Ausbildung verwehrt
blieb, die ihnen ein besseres Leben ermöglicht hätte? Wer wollte sich eine
Zeit zurückwünschen, die keine freie Berufswahl kannte, eine Zeit, in der
nahezu das ganze Leben aus harter Arbeit bestand? Und was die bäuerliche
Küche betrifft, so bekäme das oft genug fette Essen unseren Mägen schlecht.
Der bäuerliche Verdauungstrakt schrie aufgrund der harten Arbeit geradezu
nach kalorienhaltiger, vor allem fetter Nahrung, nach Schmalzgebackenem,
Speck und Kesselfleisch. Die Beschäftigung mit der bäuerlichen Küche mag uns
aber ins Bewusstsein rufen, dass uns das Wissen um Zusammenhänge und
Wechselwirkungen, gerade unsere Nahrung betreffend, weitgehend abhanden
gekommen ist.
Als ich vor einigen Jahren mit diesem Ausstellungsprojekt begann, konnte ich
mir nicht vorstellen, dass es nur wenige Jahre bis zu den ersten
Hungerrevolten, wie wir sie heute erleben, dauern würde. Weltweit schien das
Ende der Subsistenzwirtschaft endgültig besiegelt zu sein.
Ernährungswissenschaften und Ökonomie versprachen genügend Nahrung für alle.
Nur wenige Jahre später werden wir eines anderen belehrt, entdecken namhafte
Experten, unter ihnen auch solche der Weltbank, die Subsistenzwirtschaft in
Drittweltländern. Zweifellos lassen sich Lebensmittel industriell billiger
erzeugen. Lange Zeit übersah man allerdings, dass subsistenzwirtschaftliche
Strukturen oft wesentlich stabiler sind und zahllose Ressourcen kennen, die
sich industriell nicht erschließen lassen. Eine Politik, die einzig an die
Segnungen des Marktes glaubte und sich zur Handlangerin des Kapitals gemacht
hat, hat in den letzten Jahrzehnten konsequent diese Strukturen mit all
ihren Ressourcen zerstört und ein unermessliches Erfahrungswissen über Bord
geworfen. Die Kosten zeichnen sich heute bereits deutlich ab. Meine
Beschäftigung mit der kleinbäuerlichen Kultur hat manche meine Freunde
irritiert, manche sahen darin eine nostalgische Schwärmerei. Heute weiß ich,
dass sich diese Beschäftigung lohnt, und zwar nicht nur auf Ernährung
bezogen.
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Die Ausstellung ist als eine Art Küchenschrank angelegt: Hausschlachtung -
beim Schlachten benötigte Gerätschaften - der Schlachtschussapparat - der
Fleischwolf - Kinder beim Schlachten - Blut rühren - Blutwurst
-Schwartenmagen - Lob des Schweines - Mangel und Überfluss - Ernährung im
Jahreszyklus - jahreszeitliche Küche - Subsistenzwirtschaft - ein
schlafwandelndes Kind stopft das Federbett in die Futterkiste der Hühner und
wacht weinend mit einem Laib Brot auf - Ziegen, die Kühe der Armen - Brot-
und Milchfrevel - der gehäutete Senn - Milch heute - Milchwerbung - Abfälle
- die leere Schüssel - das Tischgebet - Schlaraffenland - die Geschichte vom
Suppen-Kaspar - über den verderblichen Einfluss der Menstruation auf das
Konservierte - vom Gebrauch des Essbestecks - Ekelempfindungen - Innereien -
Fast Food - der Verdauungstrakt der Bauern - Mac Schnitzel - der Keller -
Pökelfass - Weckgläser - Kühlschrank - die Küche - der Herd - eine Küche in
einem Schulbuch der sechziger Jahre - die Kochnische - Erfahrungswissen -
"EatCard" - eine Werbebroschüre der Supermarktkette BILLA - eine
Camembert-Schachtel - Gepfeffertes Ärschle - Ablaufdatum - Obstsorten -
Hühner - Artenvielfalt - der Acker - der Garten - die gemeinsame Schüssel -
das Totenmahl - Nikolaus Walter als Fotograf der kleinbäuerlichen Kultur -
Kinderreichtum - August Bebel: Geburtenkontrolle durch richtiges Essen -
"Acht sind wir gewesen / acht Kinder, fünf Kühe": ein Gedicht von Elisabeth
Burtscher - Kreislaufwirtschaft und Ernährungskreislauf - Mechanisierung -
Liebigs Fleischextrakt - Ich bin bio -Direktvermarkter - Blick in einen
modernen Kuhstall - die Selbstabschaffung der Bauern - Käse mit Herz - das
Regionale in Zeiten der Globalisierung - Lernen von der kleinbäuerlichen
Kultur ....
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Erstmals zu sehen:
30.9. - 4.10.2008
artenne
Kirchgasse 6
6710 Nenzing
Weitere Orte werden folgen.
Lektüreempfehlung: Bernhard Kathan, Strick, Badeanzug, Besamungsset. Nachruf auf die kleinbäuerliche Kultur, Studienverlag, 19,90€. Ein Versuch, den Übergang von der Subsistenz- zur Marktwirtschaft zu beschreiben.
Unterstützt durch: