SCHWEINE-REISEN
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Als James Cook am 17. Januar 1779 in der Kealakekua-Bucht auf Hawai vor
Anker ging, erfuhr er eine gottähnliche Verehrung. Da niemand an Bord die
Sprache der Insulaner verstand, konnte er nicht wissen, dass sich diese
versammelt hatten, um die Wiederkehr ihres Gottes Lono zu feiern, des Gottes
der Wohlfahrt und des Friedens. Noch an Bord der "Resolution" wird Cook von
einem Priester, der sich ihm mit "allen Anzeichen der Verehrung" nähert, ein
rotes Tuch um die Schultern gelegt. Mit roten Tüchern pflegten die Insulaner
ihre Götterstandbilder zu schmücken. Unter Beschwörungen und Gesängen wird
Cook ein kleines Schwein überreicht, die übliche Gabe an die Götter. Die
eigentliche Anbetung findet erst an Land statt, in einem heiligen Bezirk, in
den Cook mit einigen Gefährten geleitet wird. Auf einem Opfertisch, gebettet
auf Zuckerrohr, Kokosnüssen und anderen Früchten liegt ein geschlachtetes
Schwein. In einer feierlichen Prozession wird ein lebendes Schwein
herbeigetragen und Cook unter Zeichen der Verehrung dargebracht. Wieder wird
er in ein rotes Tuch gehüllt. Im Klang ritueller Gesänge folgt ein
gebackenes Schwein. Ava-Früchte werden gekaut, um daraus ein Getränk zu
bereiten. Nach langen Zeremonien kaut einer der Häuptlinge das Fleisch einer
Kokosnuss. Mit dem ausgespuckten Brei reibt er Cooks Gesicht, dessen Hände,
Arme und Schultern ein. Während das zubereitete Getränk herumgereicht wird,
schneiden ein Häuptling und ein Priester das Fleisch der Schweine in
Streifen und füttern damit die Ankömmlinge. Einer von Cooks Begleitern: "Ich
hatte keinen sonderlichen Widerwillen dagegen, durch Pareea gefüttert zu
werden, war er doch eine höchst reinliche Person; Captain Cook indessen,
welcher von Koah bedient wurde, konnte sich, wohl in Erinnerung an das
blutbesudelte Schwein, eines Gefühles des Übelseins nicht erwehren; und sein
Widerwille ward, wie man sich gar leicht vorstellen mag, keineswegs
geringer, wenn der alte Mann, seiner eigenen Art folgend, dieses für ihn
vorgekaut hatte."
Cook, so überlegen er sich den Eingeborenen fühlte, sah sich keineswegs als
göttliches Wesen. Ließ er all das über sich ergehen, überwand er seinen
Ekel, so dachte er einzig an die Vorteile, die ihm eine solche Verehrung
bringen würde, an sichere Anlegeplätze, Stützpunkte, frisches Wasser, an
Obst und Gemüse, nicht zuletzt an Schweine, um die Besatzung zu verpflegen.
Und natürlich dachte er daran, entdeckte Inseln und Ländereien im Namen
Seiner Majestät König Georg III. in Besitz zu nehmen. Entsprechend den
Instruktionen der Admiralität - teilweise durfte er diese erst nach dem
Erreichen bestimmter Ziele auf hoher See öffnen - dokumentierte Cook neben
Daten, welche für die Navigation nützlich waren, alles, was für die
Ausbeutung bestimmter Inseln oder Küsten von Bedeutung sein konnte: "Die
Produkte dieser Insel sind Brotfrucht, Kokosnüsse, Bananen, eine Frucht wie
ein Apfel, süße Kartoffeln, Yams, eine Frucht mit dem Namen Eag melloa,
welche als große Köstlichkeit gilt, Zuckerrohr, welches die Einwohner in
rohem Zustand essen ..." Cooks Interesse galt auch der Religion und
Gesellschaftsordnung der Eingeborenen.
Unmittelbar war er auf die Eingeborenen angewiesen. Die erste
Kontaktaufnahme war in der Regel mit Geschenken verbunden. Häuptlinge wie
ranghohe Mitglieder der Eingeborenengesellschaft erhielten Beile, Stoffe aus
Leinen, Kleidungsstücke oder "sonstige Dinge nach ihrem Geschmack." An die
einfache Bevölkerung konnten Münzen mit niederem Wert oder Glasperlen
verteilt werden. Cook ließ, um die gewünschte Wirkung zu erzielen,
Dudelsäcke blasen und Trommeln schlagen. Er war bestrebt, den Handel mit den
Eingeborenen einer gewissen Ordnung zu unterwerfen. Um für die an Bord
mitgeführten Waren einen bestmöglichen Preis zu erzielen, die Ausgaben
berechenbar zu machen, ernannte Cook für jede Art des Handels mit Vorräten,
Früchten und anderen Produkten eine oder mehrere Personen. Allen anderen
Besatzungsmitgliedern war der Handel mit den Eingeborenen bei Strafe
verboten. Ein ungleiches Verhältnis. Bereits bei kleinsten Konflikten wurden
die wahren Machtverhältnisse offensichtlich. Bei Auseinandersetzungen,
manchmal handelte es sich um banalste Missverständnisse, kamen regelmäßig
Eingeborene ums Leben: "... unverzüglich befahl der Maat seinen Männern, das
Feuer zu eröffnen, und der Räuber der Muskete wurde zu Tode getroffen."
Cook war mit früheren Expeditionsberichten in den pazifischen Raum bestens
vertraut, auch mit denen des spanischen Schiffskapitäns Don Pedro Fernandez
de Quiros. Als dieser 1606 an einer der Inseln der Neuen Hebriden anlegte,
nahm er zwei Eingeborene gefangen. Am folgenden Tag ließ er sie - in Seide
gekleidet, geschmückt mit Federhüten und Brokatbändern, ausgestattet mit
Messern und Spiegeln - wieder frei. Als Gegengabe erhielt er zwei Schweine,
Früchte und mehrere mit Trinkwasser gefüllte Bambusrohre. Die erste
Begegnung und das erste Tauschgeschäft zwischen Bewohnern der Neuen Hebriden
und einem Europäer.
Im Tauschhandel prallten westliche Warenökonomie und verpflichtende
Gabenökonomie aufeinander. Während im Cookschen Denken Schweine als
notwendiges Versorgungsgut betrachtet und möglichst billig, etwa mit einem
geschmiedeten Nagel abgegolten werden sollten, waren Schweine für die
Bewohner der pazifischen Inseln nicht nur lebendes Fleisch: "Alsodann
brachten sie eine große Anzahl kleiner Schweine und übergaben sie uns ohne
das geringste Zeichen der Erwartung, hierfür irgend etwas als Erwiderung zu
erhalten; vielmehr wurden die meisten von ihnen zusammen mit grünen Zweigen
übergeben, und diese in der zeremoniellen Art, welch selbe bei Gelegenheiten
gleich dieser üblich ist." Ein so übergebenes Schwein ist als Gabe zu
betrachten, die zwar mit bestimmten Erwartungen verknüpft sein kann, aber
keinen Preis kennt. Mit grünen Zweigen geschmückte Schweine sind das genaue
Gegenteil von Verpackungen wie wir sie aus unserer Warenwirtschaft kennen.
Cook war sich des Unterschieds durchaus bewusst, schreibt er, das Schwein
sei ihm mit den "üblichen Zeremonien" übergeben worden. Aber um die
Bedeutung wie den Wert der Schweine für die Inselbewohner wusste er
ebensowenig wie Quiros. Er betrachtete Schweine mit ganz anderen Augen als
die Eingeborenen.
Mochten die Gesellschaftsformen des pazifischen Raumes noch so
unterschiedlich sein, so handelte es sich durchgehend um Kulturen, die
maßgeblich um das Schwein organisiert waren, um Schweine-Kulturen. Als
Beispiel sei die zu den Neuen Hebriden zählende Insel Ureparapara genannt.
Schweine wurden mit Leben gleichgesetzt. Ohne Schweine, so dachten die
Inselbewohner, würden sie bloß existieren. Alle hatten mit Schweinen zu tun,
von der Geburt bis zum Tod war das Leben der Menschen eng mit Schweinen
verknüpft. Mit Schweinen kauften sich Männer Frauen, deren Aufgabe nicht
zuletzt darin bestand, Schweine großzuziehen. Männer, die ein Schwein
töteten, dessen Hauer mehr als einen einfachen Kreis erreicht hatten,
konnten hohes Ansehen gewinnen. Mehr als einen einfachen Kreis? Ausgewählten
männlichen Schweinen wurden, waren sie etwa ein Jahr alt, die oberen Hauer
entfernt, damit die unteren Hauer ungehindert wachsen, sich zu Kreisen
formen konnten. Um einen Kreis zu bilden, dauerte es etwa sieben Jahre, eine
lange Zeit also, die mit einem großen Aufwand verbunden war. Ab einem
gewissen Zeitpunkt hatten die Frauen Nahrung diesen Schweinen vorzukauen.
Ein Mann, der sich eine Frau mit Schweinen kaufte, kaufte sich gleichzeitig
eine Arbeitskraft, um Schweine großzuziehen und so das in sie investierte
Kapital wieder zurückzuerlangen. Schweine dienten als Zahlungsmittel, für
Frauen, Gesänge, das Erreichen eines höheren Ranges in einem der Geheimbünde
und vieles andere. Dass es sich um ein sehr kompliziertes Tauschsystem
handelte, machen allein die etwa 50 Bezeichnungen deutlich, mit denen jedes
Stadium im Wachstum der Hauer beschrieben werden konnte. Im Gegensatz zu
unserem Geld waren Schweine alles andere als ein neutrales, geschichtsloses
Zahlungsmittel. Hauerschweine dienten zwar als Zahlungsmittel, aber im
Gegensatz zu unserem Geld konnten sie diese Funktion nur einmal erfüllen.
Bezahlte jemand mit einem Schwein, so wurde dieses geopfert und anschließend
verzehrt. Wie wenig Cook und die Bedeutung von Schweinen für die
Eingeborenen verstand, macht allein der Umstand deutlich, dass er in seinen
Logbüchern nicht zwischen Hauerschweinen und gewöhnlichen Schweinen
unterscheidet. Er sah nur Schweine.
Cooks Expeditionsreisen waren eine logistische Herausforderung. Man muss
allein an die enorme Menge von Nahrungsmitteln denken, die nötig waren, um
eine Schiffsbesetzung während so langer Expeditionen zu versorgen. An einer
Stelle erwähnt Cook die Aufnahme von 4000 Gallonen Madeira-Wein. 60 Fässer
Sauerkraut. Zur Proviantierung zählten Schweine und Schafe, die während der
Fahrt geschlachtet wurden. Es versteht sich von selbst, dass ein
beträchtlicher Teil der erforderlichen Nahrungsmittel während der Reise
beschafft werden musste. Dies gilt vor allem für Trinkwasser, aber auch für
frisches Gemüse oder Früchte, die Cook für die Bekämpfung des Skorbut
unerlässlich schienen, und Frischfleisch. Je länger die Fahrten dauerten,
umso dringender war es, fehlende Bestände wieder zu ergänzen. In den
antarktischen Gewässern galt es etwa, selbst dann, war noch frisches
Schafsfleisch verfügbar, Albatrosse, die sich auf dem Schiff niederließen,
mit Feuerhaken zu erschlagen: "Nach dem Dinner setzte ich drei Boote aus und
landete mit einer großen Gruppe von Männern, einigen zum Töten von Robben,
anderen, um Vögel, Fische, oder was sonst in ihren Weg geriet, zu fangen
oder zu töten." Um dem Skorbut vorzubeugen, dachte Cook selbst an das
Sammeln von Löffelkraut.
Auf den polynesischen Inseln war die Beschaffung von Schweinen ein ständiges
Thema: "Leutnant Pickersgill wurde erneut zum Süden der Insel mit Beiboot
und Barkasse geschickt. Er kehrte noch desselben Tags mit 28 Schweinen
zurück." Oder: "Die Hilfsgüter, welche wir auf diesem Eiland erhalten
hatten, waren 150 Schweine, die doppelte Anzahl Hühner Bananen, Kokosnüsse,
so viele wir irgend fassen konnten, und einige eßbare Wurzeln." Wie groß der
Bedarf nach Schweinen war, wird etwa deutlich, schreibt Cook bedauernd in
sein Logbuch, während der siebzehn Tage, die sie auf einer Insel verbracht
hätten, hätten sie nicht mehr als 25 Schweine und nur ein Huhn erhalten.
Solche Expeditionen waren untrennbar mit der Beschaffung von Schweinen
verbunden. So schreibt etwa Louis-Antoine de Bougainville nach seinem kurzen
Aufenthalt in Tahiti: "Wir haben auf beiden Schiffen 800 Stück Geflügel und
150 Schweine teils verzehrt, teils an Bord genommen. Ohne die Unruhen und
Gefahren der letzten Tage würden wir weit mehr mitgenommen haben, denn die
Einwohner brachten uns täglich einen größeren Vorrat." Cook beklagt sich
mehrfach, dass es auf manchen Inseln kaum noch Schweine gäbe. Durch
Expeditionsfahrten, die nicht zuletzt dazu dienten, entdeckte Inseln für die
spanische, englische oder auch französische Krone in Besitz zu nehmen, nahm
der Schweinebestand innerhalb weniger Jahre bedrohlich ab. Zudem waren die
Eingeborenen, die bereits Erfahrungen mit schweinefleischhungrigen Weißen
gemacht hatten, zunehmend weniger gewillt, ihre Schweine mit den
Ankömmlingen zu teilen. Die beachtlichen Mengen an Schweinen, die verzehrt
wurden, beeindrucken uns. Dabei fanden Schweine nur dann Erwähnung, ließen
sich viele beschaffen, weniger als erwartet oder gar keines. Man stelle sich
dagegen einen Flugzeugträger vor. Auch auf einem Flugzeugträger werden viele
Schweine verzehrt. Mit lebenden Schweinen ist niemand konfrontiert. Wir
haben es mit befriedetem Fleisch zu tun. Zu Cooks Zeit war an Bord das
Quieken von Schweinen zu hören, zählte das Schlachten von Schweinen wie
anderen Tieren zum Alltag.
Um die pazifischen Inseln zu erreichen, waren die Schiffe monatelang auf
hoher See. Im achtzehnten Jahrhundert, Kühltechnik wie Konserven waren noch
unbekannt, bedeutete dies eine strikte Kontingentierung der täglich
ausgegebenen Nahrungsmittel. Verständlicherweise war der Hunger nach
frischem Fleisch groß, wurde eine Insel angelaufen. Die Mannschaft wollte
für lange Monate des Mangels entschädigt sein. Dies galt übrigens auch für
Frauen: "Allhie findet sich ein schönes, großes Dorf, dessen Einwohner sich
alsobald dem Schiffe mit Schweinen und Weibern näherten." Frauen konnten
ähnlich wie Schweine als Gastgeschenk angeboten werden, sich aber auch
selbst anbieten, um dieses oder jenes zu erhalten. Der Hunger nach solchem
Fleisch findet sich bei Bougainville schön beschrieben: "Man kann sich
vorstellen, wie schwer es angesichts eines solchen Schauspiels war, 400
junge französische Seeleute, die 6 Monate lang keine Frauensperson mehr
gesehen hatten, zu bändigen. Aller Vorsicht ungeachtet kam ein junges
Mädchen auf das hintere Verdeck und stellte sich an eine der Luken über dem
Gangspill. Diese Luke stand offen, damit die Leute am Spill frische Luft
bekamen. Sie ließ ungeniert ihre Bedeckung fallen und stand vor den Augen
aller da wie Venus, als sie sich dem phrygischen Hirten zeigte. Sie hatte
einen göttlichen Körper. Matrosen und Soldaten drängten sich zu der Luke,
und vielleicht ist niemals so fleißig an einem Spill gearbeitet worden.
Durch unsere Sorgfalt hielten wir doch das verzauberte Schiffsvolk im Zaume,
obgleich wir nicht wenig mit uns selbst zu kämpfen hatten."
Wie beim Handel mit den Eingeborenen war Cook bemüht, den Umgang mit den
Eingeborenenfrauen möglichst zu kontrollieren. Diese sollten nicht an Bord
genommen werden, an Syphilis erkrankte Besatzungsmitglieder das Schiff nicht
verlassen. Jedoch muss er wiederholt resigniert feststellen, dass er den
Kontakt mit Weibern gestattet habe, da er diesen doch nicht verhindern könne
und die "Gelegenheiten und Versuchungen zu einer Begegnung der Geschlechter"
so vielfältig seien, dass sie sich nicht verhindern ließen. Dass auch
ranghohe Besatzungsmitglieder wenig Scheu kannten, mit Frauen von
Eingeborenen sexuell zu verkehren, mag folgende Anekdote deutlich machen.
Während der ersten Expeditionsfahrt erzwangen notwendige Reparaturarbeiten
am Schiff einen längeren Aufenthalt in Batavia. Während dieser Zeit fielen
mehrere Besatzungsmitglieder der Malaria und der Ruhr zum Opfer. Auch der
Botaniker Daniel Solander wie der Naturforscher Joseph Banks erkrankten.
Jeder von den beiden kaufte sich eine Malayen-Frau "in der Hoffnung, die
zärtliche Hingabe eines Weibes werde sogar in einem solchen Fall obsiegen,
wie es denn auch in der Tat geschah." Während der Aufenthalte auf den Inseln
sollten sich die Besatzungsmitglieder erholen und an Gewicht zunehmen, um
für kommende Entbehrungen besser gerüstet zu sein. Aber wie bei anderen
Bemühungen musste Cook auch hier ernüchternde Erfahrungen machen: "Die
Besatzung unseres Schiffes war von der stets harten Arbeit hierorts und dem
zu freien Verkehr mit Frauen bei schlechterer Gesundheit denn bei unserer
Ankunft; die Hälfte litt nunmehr unter der geschlechtlichen Krankheit."
Schweine und Frauen. Keinesfalls eine leichtfertige Gleichsetzung
meinerseits. Robert Louis Stevenson spielt in einer seiner Südseeerzählungen
darauf an, lässt er eine Eingeborene, die eben von einem weißen Händler
geheiratet wurde, dies mit der Möglichkeit, das Verhältnis jederzeit zu
beenden, sagen: "Ich Euer eigen wie Schwein." Schweine, ihre mit Abstand
wertvollsten Haustiere, waren für die Eingeborenen höchst besetzt. Eberzähne
etwa wurden als Schmuck getragen. Wie nah für die Polynesier das Schwein dem
Menschen war, wird etwa dort deutlich, wo in kannibalistischen Praktiken
Menschenfleisch als "Langschwein" verzehrt wurde.
Während sich auf der ersten Expedition von Cook neben Tieren, die während
der Reise geschlachtet werden sollten, auch eine Ziege an Bord befand,
"damit man auch den Kaffee der Südsee mit Milch nehmen" könne, nahm die Zahl
der mitgeführten Tiere auf den späteren Reisen auffallend zu. Auf seiner
dritten Expeditionsreise führte Cook bereits so viele Tiere mit, dass es
nicht übertrieben ist, von schwimmenden Bauernhöfen zu sprechen. Neben
Schweinen, Schafen und Ziegen galt es auch einen Bullen, zwei Kühe mit ihren
Kälbern, ein Geschenk König Georg III., mit Heu und Getreide zu versorgen.
Wurde eine Küste angelaufen, war nicht nur an Wasser, an Holz oder Schweine,
sondern auch an frisches Gras zu denken.
Die Rinder sollten wie andere Tiere auf Tahiti heimisch gemacht waren. Es
ging um Besiedelung, um künftige Fahrten, um künftige Versorgung mit
Fleisch. Eine Inbesitznahme wurde in der Regel durch das Aufstellen einer
Tafel behauptet. Solche Zeichen konnten zerstört werden. Hier gewesen zu
sein, ließ sich mit Tieren aus englischer Zucht, mit eingeführten
Kulturpflanzen, mit bestimmten Gemüse- und Getreidesorten, besser behaupten.
Zu diesem Zweck wurden immer wieder Tiere ausgesetzt, Ziegen, Schafe und
Schweine, auch Hunde. Was aus dem Bullen, den beiden Kühen und ihren Kälbern
wurde, konnte ich dem Logbuch nicht entnehmen. Alles andere als ein
Erfolgsprojekt. Mochten die Schweine, Schafe oder Ziegen die lange Fahrt auf
hoher See auch überlebt haben, so waren sie doch zumeist in einem so
schlechten Zustand, dass sie kaum überlebensfähig waren: "Von vier
Mutterschafen und zwei Widdern, die ich vom Kap gebracht hatte mit der
Absicht, sie in diesem Land oder in irgendeinem anderen, das sich finden
würde, auszusetzen, sah ich mich nur in der Lage, jeweils eines von ihnen
durchzubringen, und auch diese beiden Tiere schienen in so schlechtem
Zustand, daß es höchst zweifelhaft erscheint, ob sie sich erholen können."
Und dann gab es auch Widerstand seitens der Eingeborenen, die von den
Vorzügen englischer Schweine überzeugt werden mussten: "Mit der größten
Höflichkeit wurden wir gebeten, uns niederzusetzen, wo ich alsbald begann,
der beiden Schweine Vorzüge zu preisen, wobei ich ihnen zeigte, wie die
Geschlechter zu unterscheiden seien und wobei ich ihnen auch erzählte, wie
viele der Jungtiere das weibliche Tier bei nur einem Wurf haben würde; in
Kürze: ich übertrieb auf das maßloseste, war doch mein einziger Gedanke,
ihnen den Nutzen dieser Tiere verständlich zu machen, um sie anzuhalten,
sich ihrer pfleglich anzunehmen."
Wurde Cook auf Hawaii gleich einem Gott empfangen, so sollte sich die
Stimmung nur zu rasch ändern. Es würde hier zu weit führen, die
Verschränkung von kultischen Praktiken, in die Cook mehr oder weniger
zufällig hineingeriet, mit dem verständlichen Bemühen, Schweine wie andere
Nahrungsmittel zu beschaffen, näher auszuführen. Die Versorgung des
hungrigen Gottes hatte eine Ausplünderung der Inselbewohner durch die
Priester zur Folge. Zunehmend dachten die Eingeborenen, "wir kämen aus einem
Lande, da Nahrungsmittel fehlten; und daß unser Besuch bei ihnen einzig und
allein dem Ziele diente, unsere Speicher aufzufüllen. In der Tat: die magere
Erscheinung einiger aus unserer Mannschaft, der herzhafte Appetit, mit
welchem wir uns über ihre frischen Lebensmittel hermachten, und unser großes
Bemühen, zu erhalten und fortzutreiben, soviel wir irgend konnten, brachte
sie - natürlich genug - zu solcher Schlußfolgerung. Diesem mag hinzugefügt
werden ein Umstand, welcher sie in höchstem Maße verwunderte, der Umstand
nämlich, daß wir keinerlei Frauen mit uns führten; dazu kam noch unser
ruhiges Verhalten und unsere wahrlich unkriegerische Erscheinung. Nun wir
uns 16 Tage in jener Bai aufhielten und so man den enormen Verbrauch von
Schweinen und Früchten bedachte, so konnte es nicht Wunder nehmen, daß sie
uns gerne hätten abreisen sehen."
Am 4. Februar segelten die Schiffe endlich ab, nach einem "enormen Verzehr
von Schweinen und Gemüsen." Als wenige Tage später während eines Sturmes der
bereits beschädigte Vormast der Resolution brach, sah sich Cook gezwungen,
in die Bucht zurückzukehren. Zur großen Überraschung der Engländer zeigten
sich die bisher so freundlichen Inselbewohner höchst feindselig. In einer
der folgenden Auseinandersetzungen kam Cook um. Er wurde mit einem Messer
aus englischer Produktion erstochen, also einem Gegenstand, der wohl als
Geschenk gedient hatte. Cooks Leichnam wurde zu einem Objekt kultischer
Praktiken, in denen zweifellos auch Schweine ihre Rolle zu spielen hatten.
Sein Leichnam wurde zerstückelt und an mehrere höher gestellte Eingeborene
verteilt. Kurz darauf wurden einige Teile der Schiffsbesatzung ausgehändigt.
Dank einer Narbe an seiner Hand ließen sich die Überreste identifizieren und
anschließend auf See bestatten.
Literatur:
Beschreibung einer Insel. Ein ethnographischer Spielfilm von Rudolf Thome &
Cynthia Beatt, Filmkritik Nr. 245, Mai 1977.
Louis-Antoine de Bougainville, Reise um die Welt, Rütten & Loening 1977.
James Cook, Entdeckungsfahrten im Pacific. - Die Logbücher der Reisen von
1768 bis 1779, Edition Erdmann 1971.
Adam Johann von Krusenstern, Reise um die Welt, Edition Leipzig 1985.
Marshall David Sahlins, Der Tod des Kapitän Cook. Geschichte als Metapher
und Mythos als Wirklichkeit in der Frühgeschichte des Königreichs Hawaii,
Wagenbach 1986.
Robert Louis Stevenson, In der Südsee, Unionsverlag 2006.
© Bernhard Kathan 2014