In ihren letzten Lebensjahren beschäftigte sich Simone Weil mit einem "Plan
für eine Gruppe von Krankenschwestern an vorderster Front". Sie hoffte über
dem besetzten Frankreich mit einem Fallschirm abzuspringen, um als
Partisanin gegen die deutschen Truppen zu kämpfen. Simone Weil starb, ohne
ihr Projekt, das sie mit größter Leidenschaft verfolgte, realisieren zu
können. Diesem "Plan" widmet das HIDDEN MUSEUM ein Ausstellungsprojekt. Wir
gehen dabei von der fiktiven Annahme aus, Simone Weil habe im Jahr 1943 die
Erlaubnis erhalten ihren Plan durchzuführen, das Flugzeug sei infolge eines
technischen Defekts oder aus anderen Gründen von seinem Weg abgekommen,
Simone Weil sei in der Nacht vom 28. auf den 29. September genau dort
abgesprungen, wo sich heute das HIDDEN MUSEUM befindet. Ausgehend von diesem
Gedankenspiel haben wir ein kleines (temporäres) Museum eingerichtet,
welches an den denkwürdigen Absprung der Simone Weil wie an ihr Leben und
Werk erinnern soll.
Dabei tauchen eine Reihe von Fragen auf, die für Literaturmuseen allgemein
gelten, etwa die Frage nach dem Aussagewert gezeigter Objekte oder nach der
Bedeutung des Raumes oder Ortes. Es beginnt bereits damit, dass in unserem
Beispiel keines der zu jener Zeit existierenden Gebäude mehr in seiner
damaligen Gestalt und Funktion vorhanden ist. Die Landschaft hat sich
infolge vielfältigster Eingriffe oder aus anderen Gründen gewandelt. Es ist
nicht mehr dieselbe Landschaft. Anhand von Fotos ließe sich sehr genau sagen
wie es hier damals aussah. Mit Hilfe erhalten gebliebener Tagebücher und
anderer Aufzeichnungen ließe sich das Wetter und anderes benennen. Da das
Leben der Bauern im Jahresrhythmus weitgehend festgelegt war, fiele es nicht
schwer, ziemlich exakt zu beschreiben, womit die Bauern gerade beschäftigt
waren, wo und wie viele Kühe und Ziegen in der fraglichen Nacht eingestallt
waren, wie es um die Herbstweide, das Obst, den Mist und so weiter stand.
Würde man Fotos zeigen, die sagen, so hat es hier um 1943 ausgesehen, mit
Simone Weil hätte das nur wenig zu tun, selbst dann nicht, wäre sie
tatsächlich abgesprungen.
Angenommen, es gäbe den Heustall noch in seiner ursprünglichen Form. Auch
dann wäre es nicht mehr dasselbe Gebäude. Es läge kein Heu mehr darin, in
dem man Schutz vor Kälte suchen, sich verstecken, den Fallschirm verbergen
könnte. Vermöchte der funktionslos gewordene Heustall noch auf Simone Weil
zu verweisen, auf das, was sie dachte, was sie dazu antrieb, mit dem
Fallschirm abzuspringen? Das einfache Bauwerk ließe sich wieder mit Heu
füllen, mit Arbeitsgeräten, die damals verwendet wurden. Was wäre zu lesen?
"Simone Weil hatte die Absicht, in Frankreich als Partisanin gegen die
deutschen Truppen zu kämpfen. Infolge eines Navigationsfehlers sprang sie in
der Nacht vom 28. zum 29. September 1943 an dieser Stelle ab ..." Was würde
all das sagen? Nicht sehr viel. Was ließe sich zeigen? Wenig. Nehmen wir
einmal an, es wäre gelungen, einige ihrer Bücher, Kleidungsstücke, einige
Zeichnungen, eine Füllfeder oder anderes aus einem Nachlass zu kaufen. Was
sagten schon ein Kleidungsstück, eine Baskenmütze, ein Stück Unterwäsche?
Welche Bedeutung hätte es schon, wäre eine der Kaseln zu sehen, die Pater
Jean-Marie Perrin trug, der in den letzten Lebensjahren der Philosophin eine
wichtige Rolle spielte. All das diente wohl nur einer auratischen Aufladung.
In all diese Dinge würde eine Bedeutung hineingelegt, die sie so nie hatten.
Man muss sich dem Projekt ganz anders nähern, sich mit den Leerstellen und
Widersprüchen im Werk der Simone Weil befassen, mit all dem, was im Schlamm
zahlloser Interpretationen verschüttet liegt.
Wir haben Objekte zusammengetragen, die im Leben der Simone Weil,
insbesondere ihren Plan betreffend, von Bedeutung sein hätten können. Dass
keiner dieser Gegenstände je im Besitz der Simone Weil war, ist ohne Belang,
da ihnen ja nur die Funktion von Platzhaltern in unseren Überlegungen
zukommt. Im Gegenteil, es ist ein Glück. Solche Gegenstände kämen Reliquien
gleich, die zwar viel versprechen, aber auch nur allzu schnell den Blick
verstellen. Je länger wir uns mit Simone Weils "Plan für eine Gruppe von
Krankenschwestern an vorderster Front" beschäftigten, um so mehr haben wir
gestrichen, um so reduzierter entwickelte sich das Ausstellungskonzept.
Ursprünglich neigten wir dazu, Gegenstände zu kaufen, die im Zusammenhang
mit Simone Weils Plan von Bedeutung waren, jenes Fliegerhandbuch, welches
sie studierte, einen Fallschirm der Royal Airforce aus dem Zweiten Weltkrieg
und so fort. Wir haben uns dagegen entschieden.
Es wäre lächerlich, einen Fallschirmspringerhelm zu bemühen, nur deshalb,
weil sich Simone Weil einen besorgt hat. Wir haben uns dagegen entschieden,
die Geschichte des "Planes einer Gruppe von Krankenschwestern an vorderster
Front" mit Hilfe von Objekten zu erzählen. Diese lässt sich schreiben und
lesen. Alles andere wäre banal. Schließlich haben wir durchwegs mit
szenischem Material gearbeitet und den jeweils ausgewählten Szenen (stets
eine biographische Miniatur) nicht nur ein Objekt, sondern auch ein Zitat
zugeordnet. Dabei muss jedes der Objekte, jede biographische Miniatur, jedes
Zitat auf andere Objekte, biographische Miniaturen und Zitate verweisen.
Ziel ist es nicht, eine Geschichte zu erzählen, sondern ein Feld
auszubreiten.
Es wären sehr unterschiedliche Kategorien denkbar. Am Ende haben wir einzig
mit Kleidungsstücken oder Textilien gearbeitet, die in Texten der Simone
Weil, in Briefen oder biographischem Material erwähnt werden. Unter den
ausgewählten Objekten finden sich: Pullover, Baskenmütze, Abendkleid, rote
Fahne, Mechanikeranzug, Overall, Hochzeitskleid, Strumpf, Morgenmantel,
Kutte aus grobem braunem Wollstoff, Messgewand, Turnanzug, Taufkleid,
marineblaue Pelerine, Schwesterntracht, Regenmantel, Leintuch. Genauso gut
ließen sich erwähnte Gerichte bemühen, gekochte Kartoffeln, gebackene
Hühnchen, bestes Fleisch, Brot, Kastanien, Christmas pudding, Navettes,
Ostereier etc. Es mag etwas seltsam erscheinen, sich Simone Weil mit Hilfe
von Textilien zu nähern. Dem ist nicht nur entgegen zu halten, dass
Kleidungsstücke auffallend häufig Erwähnung finden, und dies in einer ganz
anderen Weise als etwa bei Musil oder anderen Autoren. Das vielfach
vereinnahmte Leben und Werk der Simone Weil verlangt nach unverbrauchten
Kategorien, letztlich nach einem konzeptionellen Ansatz. Jedes der gezeigten
Stoffstücke verweist auf Erfahrungen, die Simone Weil gemacht hat. Kleidung
bildet so etwas wie eine zweite Haut, was bei einer Autorin, die so sehr um
Distanz bemüht war, nicht unwesentlich ist.
Das Textile dachten wir stets in seiner doppelten Bedeutung, als
Kleidungsstück, als Gewebe, sei dieses nun aus Seide, Leinen oder Baumwolle
gefertigt, dann als Gedankengewebe wie es sich etwa durch die Cahiers der
Simone Weil zieht. Simone Weil, die keinen großen Wert auf Kleidung legte,
war eine bemerkenswerte Gedankennäherin. In ihren Texten hatte sie nicht die
geringste Mühe, vorgefundene Stoffe (griechische Dramen, Plato, die Bibel,
Mythen, Märchen und so fort) aufzutrennen und zu neuen Geweben zu vernähen.
Ganz gegen die Gewohnheit musealen Präsentierens ist in diesem Projekt
keines der gezeigten Objekte als solches zu sehen. Vorhanden ist zwar
jeweils ein textiles Objekt (Fallschirm, Brautkleid, Krankenschwesterntracht
etc.), gezeigt wird aber stets nur ein Gewebeausschnitt. Das Objekt selbst
verschwindet im Inneren einer Stele.
Grundsätzlich arbeiten wir mit assoziativen Feldern. Beispiel Fallschirm:
Den Wunsch der Simone Weil mit dem Fallschirm abzuspringen, haben wir als
"Hochzeit" gedeutet. Für diese Deutung finden sich nicht nur Hinweise in
ihrem Werk. Katharina von Siena etwa, die sich einen ähnlichen Tod wünschte
und eifrigst für einen Kreuzzug warb, um die "ungläubigen Hunde" von den
heiligen Stätten zu vertreiben, phantasierte buchstäblich eine Bluthochzeit.
Ähnlich träumt die kleine gemahel in Hartmann von Aues Verserzählung Der
arme Heinrich von einer Bluthochzeit. Nicht zuletzt verdankt sich diese
Deutung dem Hochzeitskleid meiner Mutter. Über lange Jahre wusste niemand
den Stoff zu erklären, aus dem sie im Jahr 1949 ihr Hochzeitskleid genäht
hatte. Wir verbrannten Fasern, untersuchten Mottenlöcher, verglichen den
Stoff mit anderen Stoffen. Am Ende erwies sich die Geschichte als einfach.
Meine Mutter hat sich ihr Hochzeitskleid aus dem Tuch eines französischen
Fallschirms selbst genäht, hat also in einem Fallschirm geheiratet.
Das Umnähen eines Fallschirms in ein Hochzeitskleid, eines Gegenstandes, der
für Kriegszwecke massenhaft produziert wurde, in ein individuell gefertigtes
Kleidungsstück für einen Anlass, der Glück verspricht, mag als Metapher für
den Umgang mit Geschichte dienen. Da wie dort verschränkt sich das
Praktische mit Symbolischem. Arbeiterinnen der deutschen Kriegsindustrie
sollen Fallschirme aus eingelagerten Fallschirmsäcken gestohlen, die Säcke
mit Abfallmaterial vollgestopft haben, um sich aus den aus Rohseide
gefertigten Fallschirmen Unterwäsche zu schneidern. Die Geschichte wurde in
die Welt gesetzt, um zu vertuschen, dass es sich um Sabotageakte von
Zwangsarbeiterinnen handelte. Sicher ist, dass nach Kriegsende Fallschirme
zu Brautkleidern oder auch Erstkommunionkleidern umgenäht wurden: "Meine
Tante, eine Schneiderin, hatte mir aus Fallschirmseide das Kommunionkleid
genäht. Im Oberteil war es gesmokt, darauf war ich mächtig stolz. Da wir
nicht gerade begütert waren, mein Vater war erst ein Jahr zuvor aus
russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt und noch nicht arbeitsfähig,
reichte es nur für das Nötigste." Für das Umnähen von Fallschirmen in
Kleidungsstücke finden sich auch in der Literatur genügend Beispiele.
Erwähnt sei Pearl S. Bucks Kinderbuch Yu Lan. Auch hier wird dieses Umnähen
(zumindest vorerst) mit dem Tod assoziiert. Die nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges erfundene Kunstseide wurde vor allem mit zwei Produkten
assoziiert, mit Fallschirmen und Damenstrümpfen. Schon bald wurden die
ersten Hochzeitskleider aus Kunstseide als Massenware produziert. Heutige
Hochzeiten haben keine ausgemusterten Fallschirme mehr nötig. Dafür gibt es
die Fallschirmtrauung: "Meistens fährt man mit einer Limousine zum
Startplatz und wird von Profispringern begleitet. Die Trauung findet während
der Phase des freien Falls statt. Sobald sich der Fallschirm öffnet, lässt
sich das Brautpaar zu Boden gleiten. Meistens wird eine solche Trauung mit
einer Videokamera festgehalten. Nach der Landung geht's entweder zurück ins
Hotel oder aber zur Feier." Eine Hochzeit als Konsumakt, solche
Vorstellungen waren Simone Weil fremd. Sie dachte sich Vermählung als
ultimative Hingabe. Solche Assoziationsfelder lassen sich auf der
horizontalen wie auf der vertikalen Ebene beliebig erweitern, stets der
Intertextualität wie einer mehrschichtigen Lektüre verpflichtet.
Eine Literaturausstellung kann man sich nur schwer ohne Texte vorstellen.
Aber nach welchen Kriterien sind Zitate auszuwählen? Im Internet kursiert
eine Vielzahl von Simone Weil-Zitaten. Beispiele:
"Die Liebe ist der Blick der Seele."
"Gott ähneln, aber dem gekreuzigten Gott."
"Das Gebet ist nichts anderes als die Aufmerksamkeit in ihrer reinsten Form."
"Meine Sache ist es, an Gott zu denken. Gottes Sache ist es, an mich zu
denken."
"Die Wirklichkeit des Lebens besteht nicht aus Gefühl, sondern aus Aktivität
..."
"Liebe heißt, Distanz zuzulassen."
"Der Abstand ist die Seele des Schönen."
Bei solchen Zitaten handelt es sich um gefällige Sinnsprüche, die so gut wie
nichts über das Leben wie die Ideenwelt der Simone Weil sagen.
Bezeichnenderweise benötigen sie auch nie eine Quellengabe. Wir verstehen
die von uns verwendeten Zitate als Einladung, sich mit den eigentlichen
Texten in ihrer ganzen Länge zu beschäftigen. Das gelingt freilich nur,
zitiert man längere Textpassagen, stellt man diese jeweils in einen
biographischen Kontext.
Beispiel für eine der biographischen Miniaturen:
Als Simone Weil 1931 in Le Puy zu unterrichten begann, wurde sie von ihrer
Mutter bei der Suche und Einrichtung ihrer Wohnung unterstützt. Damit die
Tochter kein Geld für Kleidung ausgeben musste, ergänzte die Mutter diskret
fehlende Röcke, Strümpfe oder andere Kleidungsstücke. Die Mutter schickte
Lebensmittelpakete, achtete darauf, dass die Speisekammer mit holländischem
Käse, Schinken und Teigwaren gefüllt war. Die Mutter, um ihre Tochter
besorgt, hinterlegte da und dort kleinere Geldbeträge, wirkte auf andere
ein, darauf zu achten, dass Simone genügend aß oder nicht mit dem Rad fuhr.
Füllte die Mutter die Speisekammer, so verschwand das, was der Ernährung der
Tochter dienen sollte, zumeist in anderen Mägen. Möblierte die Mutter die
Wohnung der Tochter, so räumte diese, war die Mutter abgereist, alles weg,
was sie für überflüssig hielt. Die Mutter schickte auch später immer wieder
Kleidung, einmal einen Skianzug, dann Wäsche, warme Pantoffeln, genügend
Pullover.
Diesem Text haben wir folgendes Zitat aus dem vierten Band Cahiers
gegenübergestellt:
Wir lieben einen Menschen nicht wie Hunger, sondern wie Nahrung. Wir lieben
als Menschenfresser. Auf reine Weise lieben bedeutet, in einem Menschen
seinen Hunger lieben. Da alle Menschen immer Hunger haben, liebt man also
immer alle Menschen. Manche sind teilweise gesättigt, man muss in ihnen
ihren Hunger und ihre Sättigung lieben.
Aber wir lieben ganz anders. Die geliebten Menschen liefern uns durch ihre
Gegenwart, ihre Worte, ihre Briefe Stärkung, Energie, einen Antrieb. Sie
haben auf uns dieselbe Wirkung wie ein gutes Essen nach einem
kräftezehrenden Arbeitstag. Wir lieben sie also wie Nahrung. Es ist also
eine Kannibalenliebe.
Unser Hass, unsere Gleichgültigkeit sind ebenfalls kannibalisch.
Ihr hattet Hunger, und ihr habt mich gegessen.
Es stimmt, dass man ihn essen muss.
Ist diese Art der Zuneigung rechtmäßig gegenüber jenen, die nicht mehr sie
selbst sind, in denen Christus lebt?
Bestimmt niemand anderem gegenüber.
Bei diesen sind das Verlangen und die Sättigung und die einem anderen
gelieferte Nahrung ein und dasselbe.
Aber die in dieser Weise ausgerichtete Liebe kann keine Besitzerliebe sein.
Wie ein Mensch, der eine griechische Statue kaufen würde und der, obwohl er
sie gekauft hat, sich nicht wenn er kein Hohlkopf ist - als ihr Besitzer
fühlen kann. Das reine Gute entzieht sich jeder besonderen Beziehung.
Mit Ausnahme dieses Falls sind die menschlichen Zuneigungen Zuneigungen von
Vampiren. Wir lieben jemanden, das heißt, wir lieben es, sein Blut zu
trinken.
Wir deuten keines der verwendeten Zitate, mögen wir uns mit den Texten auch
lange beschäftigt, Deutungsarbeit geleistet haben. Natürlich hätte es ein
anderes Zitat sein können, aber die Auswahl erfolgte keineswegs beliebig.
Die zitierten Texte werden nie erklärt. In den biographischen Miniaturen
finden sich zwar Hinweise, aber die Zitate dienen weder der Illustration,
noch der Bestätigung unserer Überlegungen. Simone Weil hoffte an ihren
Texten und nicht an ihrer Person oder ihrem Leben gemessen zu werden: "Das
Leben großer Menschen nachzuzeichnen und es dabei von dem Werk selbst
abzutrennen, führt zwangsläufig dazu, vor allem ihre Unzulänglichkeiten
hervorzuheben. Denn das Beste ihrer selbst haben sie in dieses Werk
eingebracht. Aber das Schändlichste dabei ist, daß im allgemeinen alle
Formen von Niedertracht und Gemeinheit so dargestellt werden, als seien sie
das Lösegeld für das Genie. Die unausgesprochene Schlußfolgerung aller
derartigen Werke lautet, daß Schäbigkeit, Eitelkeit, Intoleranz, despotische
Anwandlungen wesentliche Bestandteile des Genies sind, wohingegen die besten
Seiten der Seele und des Herzens ausschließlich die Mitgift mittelmäßiger
Geister wären." Marx könne man, so wie sie es selbst tat, kritisieren,
seinem Werk würde man aber nur dann gerecht, deute man es nicht als Ergebnis
eines "schlecht funktionierenden Verdauungsapparates" oder als Ausdruck
eines ausgeprägten Minderwertigkeitsgefühls, womöglich noch "unter
Zuhilfenahme der Freudschen Theorien". Es ist müßig das Leben der Simone
Weil zu erklären. Spannender ist es, sich mit ihrer Zerrissenheit zu
befassen, sich selbst ein Stück weit von dieser Zerrissenheit anstecken zu
lassen.
Bernhard Kathan, 2010
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Schwerkraft ohne Gnade
Scherzpostkarte, um 1930
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