Tierschutzmaschine gesucht.
Zur Rettung der Feldtiere
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"Eine gut über 60jährige Frau, die es sich leisten könnte, ihr Leben in
umsorgtem Nichtstun zu verbringen, watet fütternd, tränkend und ausmistend
mit Holzschlapfen und in Blue jeans durch Reihen primitiver Ställe, die
einen Teil des Gutes ‚Singerhof' bei Eichgraben bedecken. Diese Frau -
Tierschützerin aus Leidenschaft - hat durch ihren Verein ‚Die gute Tat'
unlängst eine 3000-Schilling-Prämie für Erfinder aussetzen lassen, denen es
gelingt, etwas zum Schutz der bodenbrütenden Feldtiere zu konstruieren.
‚Alle Augenblicke', klagt die leidenschaftliche Tierschützerin Rosa Sophie
Radio, ‚erfährt man, dass irgendwo Fasane oder Rebhühner beim Mähen geköpft
oder junge Rehe durch Maschinen mehrerer Beine beraubt werden.' Aber wie
soll man das künftig verhindern? ‚Das ist nicht mehr meine Sorge', antwortet
selbstbewusst die untermittelgroße, weißhaarige Frau Radio. ‚Wir, die ‚Gute
Tat', haben jetzt die Erfinderprämie ausgesetzt. Alles Weitere ist Sache der
technisch Begabten, die sich um die Prämie bewerben.' Ob aber die 3000
Schilling für so eine schwierige Erfindung einen anreizenden Gegenwert
darstellen? Frau Radio glaubt ja. Außerdem hat sich schon ein Erfinder
eingestellt, der Landwirt und Jäger Josef Weirer aus Amt Mitterbach 18, Post
Hohenberg im Bezirk Lilienfeld. Er schlägt vor, an Mähdreschern und anderen
Landmaschinen, die die Äcker befahren, Glöckerln zur Warnung der Tiere
aufzuhängen. Das müssen freilich laute Glöckerln sein, die den Krawall von
so einem Mähdrescher oder Traktor übertönen. Anders überlegt: Wenn die im
Felde sitzenden Jungtiere durch das Gelärme der Maschinen nicht zur Flucht
veranlasst werden, dann hilft wohl auch ein Glöckerl nichts. Die Natur hat
es nämlich so eingerichtet, dass viele Jungtiere beim Auftauchen einer
Gefahr stocksteif in ihrem Nest sitzenbleiben, während deren Mutter recht
auffallend davonläuft oder -flattert, um die Aufmerksamkeit vom Nest
abzulenken. Ein Mähdrescher freilich ‚fällt' auf solche Manöver nicht
‚herein'. Das leuchtet auch der Frau Radio ein, die in ihrem Verein ‚Die
gute Tat' als Präsidentin amtiert. Sie wiederholt aber: ‚Wie es gemacht
werden soll, das ist Sache der Erfinder.' Ohne der Frau, die als Inhaberin
eines Instituts für Hydrotherapie und Heilmassage in der Landstraßer
Hauptstraße 67 im 3. Wiener Gemeindebezirk prächtig leben könnte, einen
Vorwurf zu machen, muss doch erwähnt werden, dass ihre Anstrengungen in
Sachen Tierschutz eher in theoretischen denn in praktischen Bahnen laufen, -
mit einer Ausnahme freilich. Sie denkt nämlich sehr praktisch in bezug auf
das Geld, das der Verein zur Durchführung seiner Absichten braucht. Um das
Geldproblem zu lösen, hat sie sich unter anderem einflussreicher Förderer
versichert, wie beispielsweise des Wiener Polizeipräsidenten Josef Holaubek,
des Wiener Stadtschulratspräsidenten Dr. Max Neugebauer, des hohen
Ministerial-Beamten Dr. Kurt Seidler vom Innenministerium und des deutschen
Prinzen Heinrich zu Reuß IV., der im niederösterreichischen Ernstbrunn
riesige Besitzungen hat. Natürlich kann man solche Leute nicht unentwegt
anzapfen oder deren Beziehungen ausnützen. Es waren daher für den Verein
‚Die gute Tat' neue Geldquellen zu erschließen. Hier hat nun Frau Radio
eine, wie sie glaubt, ‚Königsidee' gefunden. Sie will nämlich im
Eichgrabener Gut ‚Singerhof' eine Art Ehrenhain für Tiere einrichten. In
diesem Hain sollen gegen eine gewisse Gebühr Besitzer verunglückter oder
eingegangener Hunde, Katzen, Wellensittiche, Goldhamster und anderer
Haustiere ihren Lieben Gedenktafeln aufstellen dürfen, mit Aufschriften wie
etwa folgenden: ‚Meinem Pipsi, dem Kanari, der mir Sorgen wegtrillerte, zum
ewigen Gedenken.' Der Hain hat auch schon einen Namen. Er heißt - schlecht
deutsch - ‚Gedenkstätte treuer Kameraden.' Durch die Gedenktafeln käme also
Geld herein, außerdem würde der Hain ein Beitrag mehr zu Frau Radios
‚theoretischen' Tierschutzmaßnamen sein. Etwas nebelhaft formuliert die
Frau, die auf süßes Nichtstun verzichtet und sich statt dessen, wie eine
Stallmagd bekleidet, um Tiere kümmert, ihre Absicht. ‚In unserem Tierheim in
Eichgraben', erzählt sie den WiWo-Reportern, ‚hätte ich gern je ein Exemplar
jeder Gattung Haustiere. Dieses jeweils einzige Exemplar soll für seine
tausenden Artgenossen stehen ...' Wenn man sie recht versteht, geht es also
nicht darum, möglichst vielen Tieren ein hunger- und schmerzfreies Leben im
Gut ‚Singerhof' zu verschaffen, sondern eine Art Museum lebender Tiere für
den Besuch von Tierfreunden einzurichten. Auf diese schöngeistige Art von
Tierschutz ist auch schon die Eichgrabener Anlage ausgerichtet: Je ein
einziges oder einige wenige Exemplare verschiedener Gattungen hausen in
Verschlägen, und an den Einfriedungsgittern hängen Tafeln mit
programmatischen Feststellungen und Forderungen, wie:
‚Du großer Bruder Mensch, sei gut zu uns Tieren!'
‚Wir Hunde wollen nicht erschlagen werden!'
‚Wir Meerschweinchen wollen kein Kinderspielzeug sein!'
‚Wir Hasen wollen nicht von Autowildlingen gejagt und überfahren werden!'
‚Wir Enten wollen nicht lebendig gerupft und geschoppt werden! Es tut weh!'
Freilich, wer - außer es handelt sich um leidenschaftliche Tierfreunde -
macht sich schon die Mühe, nach Eichgraben zu fahren, dort die Käfige
anzuschauen und die Aufschriften zu lesen? Auf keinen Fall kommen
gefühlsrohe Menschen, die tierschützerischer Mahnungen bedürftig sind. Es
werden also sozusagen Gefühlswerte im eigenen Saft gekocht - mit der besten
Absicht zwar, doch praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der neue
Plan, Geld für eine tierschützerische Erfindung auszusetzen, ist daher etwas
völlig Neues für ‚Die gute Tat'. Die Bewältigung des Problems, bodenbrütende
Tiere vor landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten zu schützen, wird
freilich sehr schwierig sein. Immerhin: Es geschieht etwas Praktisches."
(WOCHENBLATT 10/7/1965)
Als Upton Sinclairs Roman "Der Dschungel" 1906 erschien, erregte das Buch
großes Aufsehen. Sechs Monate lang stand es auf den Bestsellerlisten in den
USA und Großbritannien. Es wurde in 17 Sprachen übersetzt. Eine
Untersuchungskommission des Kongresses wurde eingesetzt. Während Sinclair
die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Schlachthöfen von Chicago
anprangerte, in denen die Arbeiter systematisch ausgebeutet wurden, sorgte
sich die Öffentlichkeit um den Inhalt von Konservendosen. Gefordert wurden
schärfere lebensmittelhygienische Kontrollen. Tierschützer beklagten das
Tierleid. Letzteres entbehrt nicht einer gewissen Ironie. In den
Schlachthöfen gab es Galerien, von denen aus Besucher die Verwandlung von
Schweinen in Konserven verfolgen konnten. Tierschützer hatten wenig Mühe mit
der disassembly line. Statt dessen engagierten sie sich für eine
Verbesserung der Viehtransporte. Mit Protesten, Leserbriefen und Petitionen
setzen sie sich dafür ein, dass die Tiere nicht länger als einen Tag
unterwegs sein durften, ohne einmal ausgeladen, gefüttert und getränkt zu
werden. Sie prangerten die Verwendung von Peitschen und Mistgabeln an,
erreichten, dass die Böden der Waggons nicht aus unverbundenen Balken
bestehen durften. All dies lag auch im Interesse der Fleischindustrie,
verendeten doch so weniger Tiere während des Transports, gelangte das
Fleisch unbeschädigt, ohne Flecken und Blutgerinsel in die Auslagen der
Metzger. Etwas ähnliches gilt auch für die Betäubung der Tiere beim
Schlachten, auch ein wichtiges Anliegen der Tierschutzbewegung. Die
Betäubung, ganz gleich ob diese nun mit einem Bolzenschussapparat, mit Hilfe
von elektrischem Strom oder Kohlendioxyd geschieht, verdankte sich
entscheidend dem Bemühen, Bewegungsabläufe ohne unnötige Reibungsverluste,
also effizient zu organisieren. Wo es um Mengen geht, wo Tiere als
"Erzeugnisse" und "Produkte" gedacht werden, da muss es für die Vermeidung
von Qualen oder Schmerzen - trotz aller gegenteiliger Beteuerungen - andere
Ursachen geben. Das gilt bereits für das Bemühen, Tiere, die geschlachtet
werden sollen, möglichst ohne Widerstand in einen Arbeitsablauf einzufügen.
All das setzt ein gewisses Verständnis für die Eigenart der Tiere voraus.
Schweine laufen nicht gern in dunkle, ihnen unbekannte Röhren. Sie sind
vorsichtig. Sie erschrecken bei ungestümen Bewegungen oder vor weißen
Mänteln. Um unnötige Störungen des Arbeitsablaufes zu vermeiden, wird dem
Schwein ein Fluchtweg angeboten, allerdings ist es ein Fluchtweg, der in
eine tödliche Falle mündet. Artgerechte Tötung im besten Sinne des Wortes.
Marco d'Eramo bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt, die
Tierschutzbewegung, "hartnäckig und geradezu kleinlich im Detail", sei
praktisch blind für den Gesamtzusammenhang. Heute beklagen Tierschützer die
Massentierhaltung und fordern die Rückkehr zu kleinen bäuerlichen Betrieben.
Dabei haben viele von ihnen - in völliger Unkenntnis der kleinbäuerlichen
Kultur - Bauern als grobe und hartherzige Menschen diffamiert. Diese
Geschichte wird ebenso verdrängt wie die Tatsache, dass sich manches
Tötungsverfahren in Schlachthöfen dem Engagement von Tierschützern verdankt,
die nicht begriffen haben, dass das Starren auf das einzelne Tierschicksal
letztlich den enormen Beschleunigungsschub in der fleischproduzierenden
Industrie begünstigte. Tierschützer wurden nicht müde, die Anbindehaltung in
der Rinderhaltung anzuprangern. Laufställe setzten sich allerdings aus
betriebswirtschaftlichen Gründen durch. Das Rind ist nun endgültig zu Masse
und Ware verkommen. Auch hier wie so oft eine unheilige Allianz zwischen
ökonomischen Interessen und sentimentalen Tierschutzanliegen.
Ohne Zweifel zählt das Tierschutzprojekt zu den erfolgreichsten
Unternehmungen des zwanzigsten Jahrhunderts; dies auch dann, wenn heutige
Tierschützer nicht müde werden, den Umgang mit Tieren anzuklagen. Inzwischen
haben alle entscheidenden Forderungen der frühen Tierschutzbewegung Eingang
in die Gesetzgebung gefunden. Die Tierschützer des neunzehnten Jahrhunderts
hätten sich wohl nicht vorstellen können, wie viele Anliegen sich zu den
ihren noch hinzufügen sollten und welche Ziele am Ende des zwanzigsten
Jahrhunderts bereits erreicht sein würden. Mehr noch, vieles, was wir heute
als Tierquälerei begreifen, hätte ihnen wohl unverständlich erscheinen
müssen. Wohl nie hätten sie gedacht, dass Tiere auch Trennungsschmerz oder
Trauer empfinden könnten.
Zählten die Tierschützer des neunzehnten Jahrhunderts zu einer
gesellschaftlichen Minderheit, so leben wir heute in einer Gesellschaft, in
der die zentralen Anliegen der Tierschutzbewegung mehrheitsfähig geworden
sind. Selbst sentimentalste Tiergeschichten finden im Internet ihren
hundertfachen Niederschlag. Nahezu alle politischen Parteien setzen heute
auf Tierschutz. Denkt man an die Massentierhaltung, an den enormen
Fleischkonsum oder auch an die Zerstörung von Lebensräumen, dann ist dies
erklärungsbedürftig. Es lohnte sich, Tierdebatten in einem breiteren
Diskursfeld zu betrachten. Man kann sich etwa die Frage stellen, was den
Tierschutz mit Rauchverboten, mit Debatten über den Kindesmissbrauch, mit
Plagiatsvorwürfen oder anderen Themen verbindet. Ich möchte hier nur einen
Hinweis geben. Wir leben in einer Welt, die sich mit noch nie dagewesener
Geschwindigkeit verändert. Wir sind weder in der Lage, Veränderungen
abzusehen oder vorherzusagen. Politiker haben in Zeiten der Globalisierung
nur noch wenige Möglichkeiten, die Gesellschaft zu gestalten. Um es mit
Zygmunt Bauman zu sagen: "Um die überschüssige Existenzangst abladen zu
können, die ihrer natürlichen Ventile beraubt ist, suchen wir uns
Ersatzziele. Fündig werden wir, indem wir umfangreiche Vorkehrungen dagegen
treffen, den Zigarettenrauch anderer einzuatmen, fettreiche Nahrung oder
‚schlechte' Bakterien zu uns zu nehmen (während wir gierig die Flüssigkeiten
schlürfen, die ‚gute' zu enthalten versprechen) und uns vor zu viel Sonne
und ungeschütztem Sex hüten." Auch Tierschutz ist in diesem Zusammenhang zu
sehen. Man kann in der Vorstellung aufgehen, die Welt würde besser, bekämpfe
man das betäubungslose Kastrieren von Ferkeln, setze man sich für das Ende
der letzten Anbindeställe, für streunende Hunde in Bukarest, für Esel und
Maultiere in Mauretanien ein. Die Welt wird zwar nicht besser, aber immerhin
kann man das Gefühl haben, etwas zu tun, etwas getan zu haben. Immerhin: Es
geschieht etwas Praktisches.
Die Tierschutzbewegung kennt weder so etwas wie eine Meta-Theorie, noch
Geschichte. An deren Stelle treten viel zitierte aus jedem Zusammenhang
gerissene Erbauungssätze von Arthur Schopenhauer, Tolstoi, Ghandi, Peter
Singer, George Bernard Shaw, Sigmund Freud wie vielen anderen. Adorno kann
mit dem Satz zitiert werden: "Ausschwitz [sic!] fängt da an, wo einer im
Schlachthof steht und denkt, es sind ja nur Tiere." Der gemeinsame Nenner
zwischen all den oft genug aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten der
Tierschutzheiligen findet sich im scharfen Kontrast zwischen der
unschuldigen Welt der Tiere und der bösen Welt des Menschen. Wer das neue
Glaubensbekenntnis übernimmt, dem wird eine paradiesische Welt versprochen.
Wir kennen das Bild. Im Paradies lebten die Tiere in friedlicher Eintracht
mit dem Menschen. Nun sollen die Menschen friedlich mit den Tieren leben.
Die Beschäftigung mit dem Tier ist allemal einfacher als die
Auseinandersetzung mit der Vertracktheit gesellschaftlichen Lebens.
Man muss sich Phänomenen wie der Tierliebe ausgehend von ihren Rändern und
Verwerfungen nähern. Man muss sich mit dem Grotesken beschäftigen. In der
Geschichte der Tierschutzbewegung finden sich diesbezüglich zahllose
Beispiele, freilich auch solche, bei denen einem das Lachen im Hals stecken
bleibt. Man denke etwa an Jeremy Bentham, der im Jahr der der Französischen
Revolution die Leidensfähigkeit der Tiere entdeckte. In Erinnerung blieb er
allerdings weniger deshalb als durch seine Gefängnismaschine, die unter dem
Begriff "Panoptikum" Berühmtheit erlangen sollte. Bentham dachte auch daran,
im Interesse der Verbrechensvorbeugung Staatsbürger mit Hilfe von
eintätowierten Bildzeichen eindeutig zu identifizieren.
Arthur Schopenhauer, Tierschützer der ersten Stunde, konnte in seiner
Abhandlung "Über die Grundlage der Moral" einen englischen Tierschutzverein
nicht genügend loben, der an steilen Brücken ein Gespann Pferde hielt, um
dieses jedem schwer beladenen Wagen unentgeltlich vorzuspannen: "Ist das
nicht schön? Erzwingt es nicht unsern Beifall, so gut wie eine Wohlthat
gegen Menschen?" Schopenhauer vermochte weder die schlechten
Arbeitsbedingungen der Fuhrleute zu sehen, noch fiel ihm auf, dass sich das
Fuhrwerksgewerbe durch die Einführung der Eisenbahn im Niedergang befand.
Bezeichnenderweise wusste Schopenhauer mit den Unruhen, die 1848 auch
Frankfurt ergriffen, wenig anzufangen. Die Umtriebe der "Canaille" ließen
ihn um seinen Besitz fürchten, der es ihm erlaubte, sich zurückgezogen der
Philosophie zu widmen. Auf die Nachricht, dass Robert Blum, der sich während
des Oktoberaufstandes 1848 in Wien als Abgeordneter der Frankfurter
Nationalversammlung an der Verteidigung der Stadt gegen die
kaiserlich-königlichen Truppen beteiligt hatte, hingerichtet worden sei,
bedauert der Mitleidsethiker die "zu große Empfindsamkeit" des "edlen
Fürsten Windischgrätz": "Blum hätte er nicht erschießen, sondern henken
sollen." Bekanntlich hatte man Blum "begnadigt". Er wurde nicht gehängt, er
wurde erschossen.
Als Schopenhauer am 18. September 1848 in die Revolutionsunruhen geriet, gab
er, um zur Identifizierung der Aufständischen beizutragen, seine
Beobachtungen bei der Polizeibehörde zu Protokoll: "Einer dieser Schützen,
der ein graues Kamisol an hatte und einen großen roten Bart trug, war
besonders tätig ..." Schopenhauer, auf sein Eigentum bedacht, überließ
erfreut die Fenster seines Hauses "Schöne Aussicht Nr. 17"
konterrevolutionären Soldaten, damit diese die Aufständischen unter Feuer
nehmen konnten: "Aus dem ersten Stock rekognoscirt der Officier das Pack
hinter der Barrikade: sogleich schicke ich ihm den großen doppelten
Opernkucker." Konsequenterweise setzt er in seinem Testament vom 26. Juni
1852 den "in Berlin errichteten Fonds zur Unterstützung der in den Aufruhr-
und Empörungskämpfen der Jahre 1848 und 1849 für Aufrechterhaltung und
Herstellung der gesetzlichen Ordnung in Deutschland invalide gewordenen
preußischen Soldaten, wie auch der Hinterbliebenen solcher, die in jenen
Kämpfen gefallen sind", zum Universalerben ein.
Bernhard Kathan, 2014