................ Der Soldat vergnügt sich mit dem Mädchen. Der Schrank steht
offen. Die Katze stiehlt Augen, Hand und Herz und lässt den Teller leer
zurück. Der Tresor, der gefüllte Kasten, der Keller, die gefüllten Fässer.
An anderen Orten stehen die Kästen leer, liegen keine Käselaibe auf sauber
gewaschenen Brettern. Die Regale sind verödet, als sei das Haus unbewohnt,
die Fässer sind trocken, als litte das Land unter einer Dürre. Der leere
Magen der Katze, der prall gefüllte Kasten des Wirts. Im Schrank hängt auch
die Magenwurst.
> Der Magen wird an der Öffnung etwas aufgeschnitten,
umgestülpt und in lauwarmem Wasser gründlich gereinigt. Man reibe ihn mit
Salz ein und ziehe ihn durch mehrere Wasser. So geht aller Schleim ab.
> Stöcke und Stäbe, um nach etwas zu greifen, ein Schilfrohr, um Wein aus
einem Krug zu saugen, Werkzeuge, um ein Loch in die Tür oder Wand zu bohren,
Zangen, um das Schloss aufzubrechen, schließlich der entwendete Schlüssel.
Ein Schrank mit Reservegliedern, aneinandergereiht Ersatzhände und
Ersatzfüße, die man sich wie Fäustlinge oder Tanzschuhe aussucht, Herzen und
Nieren, die man nur zu schlucken braucht, Nasen, die von selbst an die
nackten Stellen springen.
> Im Erdgeschoss befindet sich die Leichenhalle.
In Kühlkammern werden Gefäße, Haut und Knochen von Toten aufbewahrt. Eine
Sammlung von Reserveorganen. Auch das Blut Toter wird gesammelt, jenes von
Verkehrsopfern oder Selbstmördern. Geschichtsloses Material. Die große
Halsvene des Toten wird freigelegt und eine kräftige Kanüle eingeführt. Die
Laborantin bedient, um den Operationstisch schräg zu stellen, einen
Fußhebel. Nun senkt sich der Kopf des Toten. Ein Gummischlauch verbindet die
Kanüle mit Flaschen, in denen das Blut der Leiche abgefüllt wird.
> Im
Wirtshaus hebt ein Trinker sein Glas und lässt Bier in seine Kehle rinnen.
Mit jedem Schluck füllt sich die Geldtasche des Wirts, wird etwas
abgezweigt, ohne dass der Trinkende lange daran dächte. Bier fließt aus
einem Glas in einen Mund, Geld von einer Tasche in eine andere. Wie die
Katze lebt auch der Wirt von dem, was abfällt. Parasit ist er jedoch nicht.
Er muss Schweinehälften kaufen, Würste und Braten zubereiten, dafür sorgen,
dass das Bier nie ausgeht.
> Im Hintergrund das surrende Geräusch einer
Pumpe. Ständige Zirkulation. Leitungen. Nebeneinanderliegende Räume, die an
Zellen denken lassen. Körper und Organe, vollkommen voneinander geschieden,
nur durch Blutleitungen miteinander verbunden. Ein Mann ohne Unterleib liest
Gérard de Nervals Die Frauen von Kairo. Sicher liegt das Buch in seinen
Händen. ..............
Drei Feldscherer sind im Besitz einer Salbe, die jede Wunde zu heilen
vermag. Um den Wirt, bei dem sie übernachten, von der Wirkung der Salbe zu
überzeugen, schneidet sich der erste eine Hand ab, reißt sich der zweite das
Herz aus dem Leib, der dritte schließlich sticht sich die Augen aus. Eine
Reihe von Zufällen will es, dass sich der erste die Hand eines Gehenkten,
der zweite ein Schweineherz und der dritte die Augen einer Katze einheilt.
Die Salbe wirkt, doch die Feldscherer sind andere geworden. Ausgehend vom
Grimm'schen Märchen "Die drei Feldscherer" beschäftigt sich das Hörspiel mit
Fragen der Transplantationsmedizin. Es geht um das Eigene und das Fremde, um
Einverleibung und Aneignung, um Ökonomie - sei es nun die des Geldes oder
jene von Organen. Entsprechend den Vorgaben der Transplantationsmedizin wird
Material der Literaturgeschichte zerlegt und zergliedert, um dann wieder neu
zusammengenäht zu werden.
Autor: Bernhard Kathan
Musik: Manuela Kerer
Regie: Martin Sailer
Sprecherin: Sophie Wendt
Musiker:
Barbara Camenzind (Gesang)
Behruz Pietsch (Violine)
Claudia Nussbaumer (Harfe)
Herbert Pixner (Ziehharmonika, Klarinette, Tuba)
Michael Oberaigner (Perkussion)
Produktion: ORF-T, 2008
Sendedaten: 16.06.2009 (NP): Hörspiel-Studio, 21:01 Uhr