Wolfgang Straßnig: Der Hans ist tot






dua mooch schiab aoun / hoouruck ruckzuck 's iss daun / daa gredl wiad aa kind gemocht /
den hansl hamms amm fridhouf brocht ...

Das Ausstellungsprojekt "Wir sehen Tiere an" endete mit einer Lesung, in der Wolfgang Straßnig eigene Gedichte vortrug. "Der Hans ist tot", so lautet einer von Straßnigs Gedichtzyklen. Da treten noch Jäger und Wirte, Knechte und Mägde auf. Und es versteht sich von selbst, dass seine Protagonisten andere Vorstellungen von Tieren oder Schmerzen wie überhaupt von der Welt haben. Eine Welt, in der es an Gewalt, Flüchen und Klagen nicht fehlt:
"vaafluachdaa pfoff / vaafluachdaa bua / vaafluachdee goas / vaafluachdee kua / vaafluachdaa schdoa / vaafluachdes gröll / vaafluachdaa himml / vaafluachde höll / vom olmweg / hammass oowiighaud / döö goudvaafluachde / olde haut."

Schreibt Wolfgang Straßnig im Dialekt Gedichte, so bezieht er sich zwar auf seine Kindheit, die er auf einem Bauernhof in der Weststeiermark erlebt hat, bedient aber keineswegs Sehnsüchte nach einer verlorenen Welt. Seine Dialektgedichte verdanken sich der Gegenwart, dem zunehmenden Sprachverlust, dem Umstand, dass sich heute kaum noch Geschichten erzählen lassen, nicht zuletzt dem tief empfundenen Unbehagen, welches den Autor angesichts der Verplunderung der Welt überfällt.

Wolfgang Straßnig bedient sich zwar des Dialekts, entwickelt diesen aber zu einer Kunstsprache: "beim wiesnwirt im wiesengrund / doo woa da schnops sou guat / aa linde luft aa frisches bluat / drei federn auffm huat / beim wiesnwirt im wiesengrund / doo woa daa wein sou guat / dii touchta iss a schwoazes louch / aa bsondas hölle gluat / daa wiesnwirt vom wiesengrund / iss wiara schneida grennt / um zwöulf es woa walpurgisnocht / doo hoodas eiinibrocht / und duat im zimma hundertocht / dii zeit am fodn rinnt ... / dii haani hot beim sterbm nou glocht / hot docht wos woll daa hannes mocht / wenna dii leeba find."
Wie in den Gedichten der gesprochene Dialekt zur Kunstsprache wird, so entwickelt sich aus Bildern der Kindheit ein artifizieller Kosmos. Übrigens ist jedes Gedicht in diesem Zyklus einem engen Freund gewidmet. Die meisten dieser Freunde, durchwegs Künstler und Musiker, sind inzwischen tot. Hans ist tot. Aber der literarische Hans hat mit dem realen Hans nichts zu tun, sieht man vielleicht von einem Wesenszug ab, der niemand auffiele.

Wolfgang Straßnigs Gedichte nähern sich der Partitur, verständlich, hat er sich doch sein ganzes Erwachsenenleben mit Musik beschäftigt. Lautgedichte, eine stark rhythmisierte Sprache. Während die heutige Umgangssprache kaum noch Musikalität kennt, - dies verdankt sich nicht zuletzt dem Umstand, dass an die Stelle von Erzählungen Informationen getreten sind und wir uns in unserer Kommunikation Maschinen bedienen und uns selbst den Maschinen nähern - bieten Dialekte ein breites Spektrum an Klangfarben. Die Verschriftlichung der Gedichte vermag diese Klangfarben freilich nur bedingt wiederzugeben. Es sind eben, wie Wolfgang Straßnig meint, nur Annäherungen. Für den Vortrag bedarf es also nicht nur des Autors, sondern intensiver Proben, nicht anders als es die Aufführung eines Musikstücks erfordert.

Aus dem Außenraum war "Finstersonnen", ein Stück des Komponisten Hermann Markus Preßl (1939 - 1994) zu hören, nicht zufällig, mäandern doch Wolfgang Straßnigs Gedichte in verwandten Kreisbewegungen. Preßl zählt auch zu den Freunden, an die Wolfgang Straßnig in seinen Gedichtzyklen erinnert. 1994, also kurz vor seinem Tod, bat der Autor den Komponisten um eine Musik zu seinen Lesungen. "Finstersonnen", eines der letzten Werke, auf jeden Fall das letzte Klavierwerk von Preßl, gleichsam ein Vermächtnis. Monika Bärnthaler, eine seiner Schülerinnen, verfasste nach Preßls ganz genauen Anweisungen die Reinschrift. Preßls "Finstersonnen" zählt zu den wenigen mir bekannten Musikstücken, die im freien Gelände funktionieren, in bester Weise mit Umweltgeräuschen korrespondieren.

Gereicht wurde ein aus Schweinsfüßchen bereitetes Haussülzchen.

Bernhard Kathan 2014

Literatur.:
- Günter Amtmann (Hg.): "Hermann Markus Pressl, Leben und Werk. Begleitheft zur Ausstellung an der Bibliothek der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz: mit biographischen Beiträgen, einer Abhandlung über die Musik Nuristans, einem kompletten Werkverzeichnis und Dokumentation" Selbstverlag der Universitätsbibliothek, Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz (Graz), 2001.
- Thomas Schreiner, "Hermann Markus Preßl - Letzte Werke", Kunstuni Graz

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